Operation Seisenbacher

Nach mehr als 200 Tagen ist es Ermittlern gelungen, den zur Fahndung ausgeschriebenen Ex-Judoka Peter Seisenbacher zu verhaften. Ein Erfolg, vor allem für Rudolf Klugmaier. Der Verbindungsbeamte des Innenministeriums erfuhr als Erster von der Festnahme.

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Chronik - Operation Seisenbacher

Mittagszeit am Dienstag, dem 1. August, in Kiew. Schwer bewaffnete Polizisten stürmen eine Wohnung, überraschen einen Mann, der nur mit Unterhose bekleidet in seinem Wohnzimmer sitzt. Der Raum ist spärlich eingerichtet. Eine Couch, ein Fernseher, auf der Anrichte liegen mehrere Handys und Prepaidkarten. Und ein österreichischer Reisepass. Die ukrainische Polizei hat die Verhaftung gefilmt und die Bilder ins Netz gestellt. Der Verhaftete ist prominent und wird von der österreichischen Polizei seit mehr als 200 Tagen gesucht: Doppelolympiasieger Peter Seisenbacher.

Der 57-Jährige - für den die Unschuldsvermutung gilt - soll zwischen 1997 und 2004 als Judotrainer und Betreuer an drei damals minderjährigen Mädchen sexuelle Handlungen vorgenommen haben. Die Staatsanwaltschaft Wien wirft ihm neben schwerem sexuellem Missbrauch von Unmündigen auch den Missbrauch des Autoritätsverhältnisses vor. Ihm drohen ein bis zehn Jahre Freiheitsstrafe. Zum ersten Hauptverhandlungstermin im vergangenen Dezember war Seisenbacher unentschuldigt ferngeblieben. Noch am selben Tag wurde eine Festnahmeanordnung erlassen und weltweit nach ihm gefahndet. Bis am vergangenen Dienstag in Kiew die Handschellen klickten.

Festnahme Peter Seisenbacher
© NPU.GoV.UA Die ukrainische Polizei veröffentlichte ein Video von der Verhaftung am vergangenen Dienstag in Kiew

Diplomatischer Dienst

Einer, der davon als Erster erfuhr, hat für Österreich als Verbindungsbeamter in Kiew gearbeitet. Der Fall Seisenbacher war sein letzter in der Ukraine. Seit wenigen Tagen ist der Beamte zurück in Wien. Rudolf Klugmaier, hochgewachsen, 55 Jahre alt, davon 37 Jahre im Dienst des Innenministeriums, sitzt in seinem neuen Büro mit Blick auf eine Landkarte, die gegenüber an der Wand hängt. Im Auftrag der Republik war er schon viel unterwegs in der Welt. 2001 fing es an mit dem Kosovo, danach Ukraine, Russland, Polen und wieder die Ukraine. Die einstigen Ostblockstaaten haben es ihm angetan. Die Mentalität der Menschen, das gefällt ihm. Und das ist ein wesentlicher Punkt seiner Arbeit. Denn Rudolf Klugmaier muss Kontakte zu Menschen sammeln wie andere Polizisten Beweise. "Es geht bei meiner Arbeit darum, dass ich die Ermittler kenne und sie mir vertrauen. Es geht um die Schnelligkeit der Informationsbeschaffung. Mit Schriftverkehr kann ich alles abklären, aber direkte Gespräche helfen besser“, erklärt Klugmaier. Das kann dann auch so ausschauen, dass der Polizist mit den Ermittlern in Kiew Kaffee trinken geht und sie über die Ermittlungsergebnisse der österreichischen Kollegen auf dem Laufenden hält. Im Gegenzug bekommt Klugmaier die gewünschten Informationen aus Kiew. Einmal im Monat muss er dem Innenministerium berichten. Bei dringenden Fällen auch öfters. Der Fall Seisenbacher war so einer.

Selbst ermitteln darf Klugmaier allerdings nur in Ausnahmefällen, falls die Justiz im Rechtshilfeweg darum ersucht und das Gastland diesem Ersuchen zustimmt. Ansonsten ist Klugmaier Diplomat. Sein Büro hatte er zuletzt in der österreichischen Botschaft in Kiew. Konkrete Details zur Operation Seisenbacher darf er deshalb auch nicht verraten. Nur so viel: "Es gab Informationen zu einer Telefonnummer, die ich an die zuständigen Ermittler in Kiew weitergeleitet habe.“

Tatsächlich sollen Zielfahnder beider Länder Seisenbacher observiert und auch seine Telefonate abgehört haben. So soll der Ex-Judoka mehrere Wertkartenhandys benutzt und diese auch immer wieder gewechselt haben. Laut Christina Salzborn, Sprecherin des Landesgerichts Wien, soll Seisenbacher damit immer dieselbe Person in Wien angerufen haben. Wahrscheinlich seine Mutter, zu der Seisenbacher lange einen engen Kontakt pflegte.

Auslieferungsverfahren

Kurz nach Seisenbachers Verhaftung am Dienstag erlaubten ihm die Ermittler ein Telefonat. Er rief seinen Grazer Rechtsanwalt Bernhard Lehofer an. "Er hat mich informiert, was passiert war, und bat mich, seine Verwandten in Wien zu kontaktieren. Wir haben dann noch die weitere Vorgehensweise besprochen. Aber das Gespräch hat nur wenige Minuten gedauert“, sagt Lehofer.

Hinfliegen wird der Anwalt nicht. Ein ukrainischer Kollege wird Seisenbacher im Auslieferungsverfahren betreuen. Verbindungsbeamter Rudolf Klugmaier hat die Erfahrung gemacht, dass die Auslieferungsverfahren in der Ukraine immer zwischen zwei und sechs Monate dauern. Das würde bedeuten, dass noch einige Zeit vergehen wird, bis Peter Seisenbacher heimischen Boden betritt. Danach hofft Anwalt Lehofer auf ein faires Verfahren für seinen Mandanten. "Ich bin mir sicher, dass die Gerichte es seriös und vernünftig abhandeln werden.“ Als ein Schuldeingeständnis wertet er die Flucht seines Mandanten jedenfalls nicht.

Der Verbindungsbeamte Rudolf Klugmaier sitzt jetzt zufrieden in seinem Wiener Büro. Er blickt auf die Landkarte. In Kiew feierte er seinen letzten Erfolg.