Kinderbuchautorin feiert

75. Geburtstag der "nicht speziell kinderlieben" Literatin

"Speziell kinderlieb", sei sie nicht, versichert Christine Nöstlinger, Lesungen in Schulen lehnt sie ab und "ich mag mich auch nicht bei Kindern anbiedern". Daran, dass Christine Nöstlinger die mit Abstand bedeutendste Kinderbuchautorin Österreichs ist, kann jedoch kein Zweifel bestehen. Jetzt wird sie 75.

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Christine Nöstlinger - Kinderbuchautorin feiert

Figuren wie "Die feuerrote Friederike", "Konrad oder das Kind aus der Konservenbüchse" oder "Gretchen Sackmeier" sind längst internationale Klassiker. Am 17. November wird Christine Nöstlinger in München den Corine Buchpreis für ihr Lebenswerk entgegennehmen. Die Begründung rühmt ihren "Wiener Charme und Wortwitz" und dass sie "leicht und unbeschwert Zugang zu den Herzen" finden. "Ich hätte lieber Zugang zu den Hirnen", erwidert sie trocken. Am 13. Oktober feiert die Wienerin ihren 75. Geburtstag.

Tochter eines Uhrmachers
Die 1936 geborene Tochter eines Uhrmachers und einer Kindergärtnerin wollte ursprünglich zur bildenden Kunst. Weil sie sich - nach dem Studium der Gebrauchsgrafik an der Akademie für angewandte Kunst in Wien - als Hausfrau und Mutter zweier Töchter (geboren 1959 und 1961) langweilte, zeichnete und schrieb sie "Die feuerrote Friederike" (1970). Vor allem der Text war aber so erfolgreich, dass sie sich fortan dem Schreiben widmete.

Erinnerungen an den Krieg
Als eine der ersten deutschsprachigen Jugendbuchautorinnen reflektierte sie in den autobiografischen Romanen "Maikäfer, flieg" (1973) und "Zwei Wochen im Mai" (1981) Erinnerungen an die Kriegs-und Nachkriegszeit. Weitere Titel für sind etwa "Die Kinder aus dem Kinderkeller" (1971), "Wir pfeifen auf den Gurkenkönig" (1972), von dem über eine Million Bücher verkauft wurden, "Ein Mann für Mama" (1972), "Achtung, Vranek sieht ganz harmlos aus" (1974), "Rosa Riedl Schutzgespenst" (1979), "Der Hund kommt!" (1987), "Der Zwerg im Kopf" (1989), "Anna und die Wut" (1990) oder "Villa Henriette" (1996), die wie zahlreiche weitere Bücher auch verfilmt wurde. In den vergangenen Jahren sorgten u.a. ihre "Mini"-Serie und die vielbändigen "Geschichten vom Franz" für hohe Auflagen.

"Bin ein freies Kind"
Nöstlinger setzt sich auf humorvolle Weise mit Problem-Themen auseinander, sie kombiniert realistische Milieuschilderung, Sozialkritik und Fantastik in einer Sprache mit Dialektanklängen und eigenwilligen Neuschöpfungen. "Ich muß mich nicht dauernd danach richten, was Erwachsene wollen! Ich bin ein freies Kind und weiß selbst am besten, was für mich gut ist", heißt es in "Hugo, das Kind in den besten Jahren" (1984). Eine solche Einstellung markierte in Nöstlingers Anfangsjahren eine Zäsur innerhalb der Tradition der Zeigefinger-Kinderbuchliteratur und traf den liberalen Nerv der Generation nach 1968. Ihre Einstellung hat sie nicht geändert: "Man muss nicht immer bei Kindern recherchieren. Ich glaube, man muss viel eher die Türe zur eigenen Kindheit nicht zugemacht haben", sagt sie.

"Ein-Mann-Buchstabenfabrik"
Die höchst produktive "Ein-Mann-Buchstabenfabrik" (Nöstlinger über Nöstlinger) verfasste auch selbst Drehbücher, Hörspiele und Theaterstücke und arbeitete - unter anderem als Literaturkritikerin - für den Rundfunk und diverse Zeitungen und Magazine. Für den ORF kreierte sie unter anderem 1979 die Hörfunkserie "Dschi-Dschei-Wischer", in ihren (unter anderen Titeln) auch in Buchform erschienenen Kolumnen für diverse Zeitungen klingt immer wieder auch das gesellschaftliche, politische Engagement der Autorin durch. "Eine Frau sein ist kein Sport", heißt etwa eine zum 75er als "Hausbuch für alle Lebenslagen" erschienene Kolumnensammlung (Residenz Verlag). 1997 bis 1999 war Nöstlinger Vorsitzende der Menschenrechtsorganisation "SOS Mitmensch".

Auch Erwachsenen-Literatur
Zu Nöstlingers bekanntesten Texten für Erwachsene zählen die Dialekt-Gedichtbände "Iba de gaunz oaman Kinda" (1974), "Iba de gaunz oaman Fraun" (1982) und "Iba de gaunz oaman Mauna" (1987). An Sachbüchern erschien unter anderem "Ein Hund kam in die Küche. Kleines Köchelverzeichnis für Männer" (1996) und "ABC für Großmütter" (1999). Christine Nöstlinger, deren Mann Ernst im Vorjahr verstorben ist, ist selbst zweifache Großmutter. Ihre beiden Töchter Christi(a)ne Nöstlinger und Barbara Waldschütz steuerten die Illustrationen zu einer Reihe ihrer Bücher bei.

Dutzende Preise
Nöstlinger wurde für ihr Schaffen vielfach ausgezeichnet und erhielt etwa 1984 für ihr Gesamtwerk den Hans-Christian-Andersen-Preis, 1998 den Ehrenpreis des österreichischen Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln und 2003 den ersten Astrid-Lindgren-Preis, den "Nobelpreis für Kinderliteratur". Ihre berühmte schwedische Kollegin hat die Wienerin auch persönlich gekannt und "wahnsinnig gerne" gemocht. Als österreichische Astrid Lindgren will sie aber dennoch nicht bezeichnet werden: "Ich glaub', ich bin die Nöstlinger."