Flüchtlinge auf Lesbos: "Europa sieht zu – und Europa sind wir"

Christian Konrad, Initiator der Allianz "Menschen.Würde.Österreich" und ehemaliger Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung über die dramatische Situation der Flüchtlinge auf der griechischen Insel Lesbos und die Verantwortung, die auch Österreich dafür trägt.

von
Gastkommentar - Flüchtlinge auf Lesbos: "Europa sieht zu – und Europa sind wir"

Weil in der Herberge kein Platz für sie war…

In Windeln gewickelt, in einer Krippe in einem Stall – „weil in der Herberge kein Platz für sie war“. So wird im Weihnachtsevangelium die Geburt von Jesus Christus beschrieben.

Die Krippen, die zu Weihnachten in den Wohnzimmern und Kirchen aufgestellt werden, vermitteln kaum etwas von einer existenz- und lebensbedrohlichen Situation. Der Kontrast zu geschmücktem Christbaum und Weihnachtsgeschenken wäre sonst wohl zu groß.

In den Krippenspielen, die in unserem Land eine große Tradition haben, wird der Unwille der Menschen beschrieben, die Herbergssuche von Josef und der hochschwangeren Maria zu beenden und sie aufzunehmen.

Diese Krippenspiele haben für Generationen das Gefühl wachgerufen, „dass wir nicht so sind“ – so wie die Wirte in den Krippenspielen, „wir hätten das Paar doch sicher aufgenommen“…

Hätten wir?

Bilder werden von der Insel Lesbos ins Wohnzimmer gespielt. Fernsehen und Social Media bringen dramatische Berichte über Kinder, Frauen, Familien, Erwachsene – Menschen, die der Kälte, dem Wind, dem Regen ausgesetzt sind. Europa sieht zu – und Europa sind wir.

Für die unmenschliche Situation auf Lesbos gilt es Verantwortung zu übernehmen. Das haben einige Staaten bereits erkannt und Menschen aufgenommen.

Doch auch Österreich ist ein Teil Europas - und Österreich verweigert die Rettung von Menschen.

Österreich, die österreichische Bundesregierung, trägt Verantwortung dafür, dass Menschen in Kälte, Nässe, Wind, Regen – und wohl bald auch Schnee – festgehalten sind, um Antwort zu bekommen, ob ihnen Asyl gewährt wird.

»Geflüchtet vor Krieg, Terror, Angst um ihr Leben, werden Menschen in diesen Lagern in den kommenden Wochen sterben.«

Geflüchtet vor Krieg, Terror, Angst um ihr Leben, werden Menschen in diesen Lagern in den kommenden Wochen sterben.
Menschen in Österreich sind bereit, Menschen aus den Flüchtlingslagern aufzunehmen. Damit sie in einer warmen und sicheren Unterkunft darauf vertrauen können, dass man sich ernsthaft und rechtsstaatlich konform mit ihrem Wunsch nach Asyl auseinandersetzt. Das ist ein Menschenrecht!

„Weil in der Herberge kein Platz für sie war…“ – Maria und Josef wären nicht ihr ganzes Leben in der Herberge geblieben, aber sie hätten das Kind Jesus in einer warmen, sicheren Unterkunft zur Welt bringen können.

Die Weihnachtskrippe in diesem Jahr – mich wird sie daran erinnern, dass wir in schwierigen Situationen Lösungen suchen müssen. „Aus den Augen, aus dem Sinn, wegschauen, wegargumentieren“, das ist alles keine Lösung.

Wer eine große Verantwortung – zum Beispiel durch Wahl übertragen bekommen hat, muss sich danach auch immer wieder fähig – und würdig – zeigen, diese Verantwortung zu tragen.

Die österreichische Bundesregierung unter Sebastian Kurz verweigert, sich dieser Verantwortung Europas zu stellen. Wie sehen wohl ihre Weihnachtskrippen aus?

Weiters interessant zum Thema:
Darum ist Kurz' Argumentationsmodell "zu Moria überholt und veraltet"
Wie jeder einzelne helfen kann

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. News.at macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.