Ceta ist da - auch
ohne Ratifizierung

Handelspakt tritt ab heute vorläufig in Kraft

Am Donnerstag tritt der EU-Kanada-Handelspakt Ceta vorläufig zu großen Teilen in Kraft. Befürworter begrüßen die Anwendung, Kritiker warnen vor dem "trojanischen Pferd". Damit das Freihandelsabkommen vollständig wirksam wird, muss es aber noch von den Parlamenten aller 28 EU-Mitgliedstaaten ratifiziert werden.

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© Video: Wochit/News

1. Was Ceta bedeutet

Ceta steht für Comprehensive Economic and Trade Agreement, also "umfassendes Wirtschafts-und Handelsabkommen". Es ist ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada, das am 30. Oktober 2016 von beiden Seiten unterzeichnet worden ist. Schließlich hat am 15. Februar 2017 das Europäische Parlament dem Pakt zugestimmt. Ceta sieht die Abschaffung von Zöllen für 99 Prozent der Waren vor und eine Marktöffnung in Bereichen, in denen EU-Unternehmen weltweit führend sind.

Derzeit kommt Ceta vorläufig zur Anwendung, solange bis die EU-Mitgliedsstaaten das Abkommen ratifiziert haben.

2. Welche Teile in Kraft treten

Beide Seiten verpflichten sich, Zölle auf Einfuhren erheblich zu senken oder ganz zu beseitigen.
Der freie Import und Export von Waren darf nicht verboten oder eingeschränkt werden. Ausnahmen sind lediglich für Waren vorgesehen, deren Handel bereits beschränkt ist. In der EU gilt dies etwa für Folterwerkzeuge.

Regelungen zum Investitionsschutz - Stichwort Sonderklagerechte für Konzerne - können erst in Kraft treten, wenn sämtliche EU-Staaten das Abkommen ratifiziert haben. Dabei geht es etwa um die Frage, an wen sich europäische Investoren wenden können, wenn sie den Eindruck haben, in Kanada ungerecht behandelt zu werden. Die EU-Kommission plädiert hier zudem für die Schaffung eines internationalen Schiedsgerichts - das ist aber noch Zukunftsmusik.

3. Wie die Österreicher zu Ceta stehen

Über 562.000 Österreicher haben im Jänner 2017 das Volksbegehren gegen Freihandelsabkommen wie TTIP und Ceta unterschrieben. Die Stimmen reichten aus, um Platz 11 in der Liste der österreichischen Volksbegehren zu ergattern.

Auf politischer Ebene sprechen sich die FPÖ und die Grünen für eine Ceta-Volksbefragung aus. "Ein Teil des CETA-Abkommens mit Kanada tritt nun vorläufig in Kraft - gegen den Willen der Bevölkerung. Es ist aber noch nicht zu spät, Österreichs Politik kann noch eingreifen", sagt Werner Kogler, stellvertretender Klubobmann und Europasprecher der Grünen. Aufgrund der hohen Anzahl an Unterschriften für das Volksbegehren plädiert FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ebenfalls für eine Volksbefragung

4. Wie wichtig Kanada für die EU ist

Die EU ist für Kanada der zweitwichtigste Handelspartner. Rund 9,5 Prozent des kanadischen Außenhandels entfallen auf die EU-Mitgliedstaaten. Wichtiger sind nur die USA. Umgekehrt ist Kanada für die EU derzeit auf Platz elf der wichtigsten Handelspartner. Kanada war 2015 mit Exporten von 1,03 Milliarden Euro für 0,8 Prozent der österreichischen Exporte verantwortlich.

5. Wie Kritiker argumentieren

Vor allem NGOs wie Greenpeace oder Global 2000 kritisieren das Abkommen und warnen: "Das Abkommen ist ein trojanisches Pferd: Hinter den versprochenen wirtschaftlichen Vorteilen verstecken sich Gefahren für hohe Umweltstandards, eine Ausweitung der Macht von Konzernen und Einschränkungen für demokratische Handlungsspielräume", sagt Greenpeace-Geschäftsführer Alexander Egit.

Kritisiert wird unter anderem, dass Ceta den Weg für Konzernklagen frei mache. Das Freihandelsabkommen beinhaltet einen Passus, der Konzernen ermöglicht, Staaten zu verklagen, wenn diese Gesetze ändern und dadurch die Gewinne der Unternehmen geschmälert werden. Diese Investitionsschutzabkommen gelten für internationale Konzerne, die ihren Sitz in Kanada haben - und das ist bei vielen US-amerikanischen Firmen der Fall. 42.000 US-Unternehmen und viele europäische Konzerne haben Niederlassungen in Kanada und könnten europäische Staaten dann über den Ceta-Vertrag klagen. Ein öffentlicher Investitionsgerichtshof soll derartige Streitfälle mit Konzernen lösen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist das in der EU geltende Vorsorgeprinzip: Die Unschädlichkeit von Produkten muss vor der Zulassung nachgewiesen werden. Laut Ceta-Vertrag dürfen nur Lebensmittel importiert werden, die europäischen Standards entsprechen. Ein expliziter Hinweis auf das in der EU gültige Vorsorgeprinzip, das Schäden für Umwelt und Gesundheit vor der Produktzulassung erhebt, fehlt im Vertragstext.

"Es wäre eigentlich ein demokratischer Mindeststandard, dass Ceta erst nach der Ratifikation in allen EU-Ländern in Kraft tritt“, kritisiert zudem das Bündnis "TTIP stoppen". Die regulatorische Zusammenarbeit gebe Konzernen und Industrielobbys mehr Einfluss auf künftige Regulierungen, beispielsweise in den Bereichen Umwelt-, Klimas- oder Konsumentenschutz. Sie befürchten auch, dass die Abschaffung von Zöllen im Agrarbereich den Strukturwandel in der Landwirtschaft hin zu immer größeren Betrieben und industrieller Bewirtschaftung noch stärker beschleunigen wird.

6. Was sich die Befürworter erhoffen

EU-Spitzenpolitiker haben aktuell erneut für das Abkommen geworben und die vorläufige Anwendung von Ceta begrüßt. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bezeichnete das Abkommen als "ein Instrument für Wachstum, das europäischen Unternehmen und Bürgern zugutekommt". Ceta sei "ein Werkzeug, um unsere Werte zu schützen, die Globalisierung zu nutzen und weltweite Handelsregeln zu formen", sagte Juncker.

EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström betonte, die vorläufige Anwendung erlaube es EU-Firmen und den europäischen Bürgern, die Vorzüge des Abkommens unverzüglich einzufahren. "Dies ist ein positives Signal für die Weltwirtschaft, mit dem Potenzial, das Wirtschaftswachstum anzukurbeln und Jobs zu schaffen." ÖVP-Europaabgeordnete Paul Rübig zeigt sich ebenfalls überzeugt: "Ceta ist von vorn bis hinten fair. Europäische Standards werden nicht abgesenkt, wie manche wider besseres Wissen behaupten, sondern geschützt. Faire Handelsabkommen schaffen Arbeitsplätze und Wachstum in Österreich."

Bundeskanzler Christian Kern versprach am Mittwoch erneut, dass es keine Ceta-Ratifizierung ohne Lösung bei den Konzern-Sonderklagsrechten geben werde.

7. Was das Chlorhuhn mit Ceta zu tun hat

Nichts. Die EU-Richtlinien ändern sich durch das Freihandelsabkommen nicht: Chlorhühner, Genmais oder Hormonrindfleisch dürfen trotz Ceta nicht in die EU importiert werden. Alle EU-konformen Produkte dürfen - dann großteils zollfrei - importiert werden. Das kann dazu führen, dass diese Produkte günstiger sind als österreichische Landwirtschaftsprodukte.

Den kompletten Ceta-Entwurf können Sie hier nachlesen.