Neues altes Wunderkraut

Bis 2025 soll der globale CBD-Markt eine Wachstumsrate von 32,6 Prozent auf 9,69 Milliarden US-Dollar erreichen. In der Medizin ist der Wirkstoff längst angekommen. Jetzt wird auch die Beauty-Industrie hellhörig.

von CBD - Neues altes Wunderkraut © Bild: Getty Images/Francesco Carta

In Zeiten wie diesen sollte man kritisch sein, wenn von wundersamen Wirkstoffen erzählt wird, die unglaubliche Resultate versprechen. Die Corona-Krise hat Verschwörungstheoretikern Tür und Tor geöffnet. Diese Mythen können fatale gesundheitliche Folgen haben. Zum Beispiel dann, wenn der amerikanische Präsident behauptet, täglich Hydroxychloroquin, ein Medikament gegen Malaria, dessen Wirksamkeit gegen das Coronavirus längst nicht hinreichend bewiesen ist, einzunehmen, um sich gegen SARS-CoV-2 zu schützen. Auch einer der ältesten Nutzpflanzen der Welt, dem Hanf, werden im Kampf gegen das Coronavirus heilsame Kräfte nachgesagt. Eine kanadische Studie will nun herausgefunden haben, dass der Inhaltsstoff Cannabidiol, kurz CBD, vorbeugend gegen das Virus schützt. Ob es sich dabei nur um "Fake News" oder ernst zu nehmende medizinische Hinweise handelt, wird sich zeigen. Alle Jahre wieder wird der Hanf durch seine Vielseitigkeit entweder in den Himmel gelobt oder für seine unberechenbare Wirkung verschrien. Einigkeit über die Wirkung der 100 enthaltenen Cannabinoide scheint in Fachkreisen immer noch nicht zu herrschen. Zum guten Ruf der Pflanze trägt das sicher nicht bei.

Einsatz in der Medizin

Laut AGES reichen die Nachweise für eine Verwendung von Hanffasern bis in das dritte Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung zurück. Die Fasern wurden vormals für die Herstellung von Segeltuch, Tauen und Seilen bis in das 20. Jahrhundert verwendet. Heute werden Textilien, Zellstoffe, Papiere und naturfaserverstärkte Kunststoffe aus Hanffasern hergestellt. Daneben wird Hanf auch als Arzneimittel und - illegalerweise - als Rauschmittel in Form von Marihuana und Haschisch verwendet.

Berühmt-berüchtigt ist der Inhaltsstoff THC (Tetrahydrocannabinol), der für seine berauschende Wirkung bekannt ist. CBD in Reinsubstanz ist in Österreich nicht als Suchtgift definiert und somit nicht psychoaktiv, löst also keine Rauschzustände aus. "THC und CBD besitzen ein unterschiedliches Wirkspektrum und können bei bestimmten Beschwerdebildern positive medizinische Wirkungen erzielen, welche bereits durch klinische Studien mit hoher Evidenz belegt wurden", erklärt Rudolf Bauer vom Institut für Pharmazeutische Wissenschaften an der Karl-Franzens-Universität Graz und Vizepräsident der HMPPA (Herbal Medical Products Platform Austria).

CBD soll angstlösend, nervenzellenschützend, entzündungshemmend und schmerzlindernd wirken. In der Schmerztherapie wird CBD schon seit längerer Zeit erfolgreich eingesetzt. Auch das aus Cannabisextrakt isolierte THC, welches als das am besten erforschte Cannabinoid gilt, findet in der Medizin Anwendung. "Einsatzgebiete sind vor allem Tumorschmerzbehandlung und Symptomkontrolle in der Palliativmedizin, Chemotherapie-assoziierte Übelkeit, Magersucht bei Tumor-und AIDS-Patienten, Spastik bei Multipler Sklerose sowie Therapie-refraktäre chronische zentrale und periphere neuropathische Schmerzen", erklärt Hans Georg Kress von der Abteilung für Spezielle Anästhesie und Schmerzmedizin der Medizinischen Universität Wien/AKH Wien.

Wirtschaftswunder Hanf

Eine Studie von Grand View Research aus dem Jahr 2019 schätzt, dass der globale CBD-Markt um jährlich 32,6 Prozent auf 9,69 Milliarden US-Dollar wachsen wird. Ein Trend, den man auch hierzulande bemerkt und den sich nicht zuletzt die Kosmetikindustrie einverleibt.

Dem österreichischen Unternehmen Vitrasan gelang mit dem Relaunch seiner CBD-Linie eine jährliche Umsatzsteigerung von knapp 300 Prozent. Mehr als 1.000 Bestellungen wurden nach eigenen Angaben täglich ins In-und Ausland geschickt. Das war freilich vor Corona. "Die Corona-Krise ist natürlich auch an uns nicht spurlos vorübergegangen, auch wir hatten wirtschaftliche Einbußen", erklärt Matthias Schöggl, Geschäftsführer von Vitrasan und Pharmazeut. "Möglicherweise trägt jedoch diese Krise zu einer verstärkten Bewusstseinsveränderung der Konsumenten für regionale Produkte, insbesondere in Bioqualität bei." Der Trend in der Kosmetik gehe immer mehr in Richtung Biokosmetik, so Schöggl. "Gesundheitsbewusste, lifestyleorientierte Menschen legen immer mehr Wert darauf, dass ihre Pflegeprodukte aus natürlichen Zusatzstoffen ohne Paraffine, Parabene, Silikone etc. bestehen. Durch all diese Faktoren sind das Interesse und die Nachfrage an CBD bzw. Cannabidiol immer mehr gestiegen." Insbesondere im Anti-Aging-Bereich und bei Problemhaut wird CBD eine hohe Wirksamkeit nachgesagt -und nicht zuletzt auch ein bedeutsames Wirtschaftswachstum.

Die Kosmetikmarke Indica Skincare wird den Hanf für ihre Produkte ab diesem Sommer nicht mehr aus Amerika, sondern aus Oberösterreich beziehen. "Wir haben jetzt Felder in Oberösterreich und können dann als Erste in Österreich biozertifizierten Hanf produzieren", erklärt CEO Christoph Richter. Er sieht in CBD einen neuen Trend, der sich langfristig halten wird: "CBD ist in etwa das, was Aloe Vera vor 15 Jahren war. Es läuft immer ähnlich ab. Ein neuer Inhaltsstoff wird angepriesen, aber nur wenige Inhaltsstoffe halten wirklich das, was sie versprechen. Langfristig glaube ich, dass CBD in zehn Prozent aller Kosmetika enthalten sein wird."

Golnaz Delir ist Fachärztin für Dermatologie im Zentrum für ästhetische Medizin Kuzbari. Sie sieht in der Forschung lediglich Hinweise auf die Wirksamkeit von CBD-Kosmetik: "Eindeutig belegt ist die Wirkung aber nach wie vor nicht. Dass CBD zur Behandlung von Psoriasis (Schuppenflechte), Neurodermitis und Akne zum Einsatz kommen könnte, ist allerdings nicht unwahrscheinlich." Bei der Behandlung dieser entzündlichen Hauterkrankungen sind nach heutigem Standard klassische Medizinprodukte vorrangig. Aknehaut bedarf der Fachärztin zufolge phasengerechter, medizinischer und kosmetischer Begleitpflegebehandlung, zum Beispiel durch Cremes, Medikation, Medical Needling, Mikrodermabrasion oder medizinische Peelings. Auch Beim Anti-Aging-Effekt bleibt Delir kritisch: "Wenn statische Falten da sind, hilft Kosmetik alleine nicht mehr." Dann sind Unterspritzungen mit Hyaluron oder Botox sowie Oberflächenbehandlungen wie Medical Needling die Methode der Wahl.

"Ich würde sagen, das therapeutische Potenzial von CBD in der Kosmetik ist da, aber noch nicht genügend erforscht." CBD-Kosmetik empfiehlt sich also besonders für jene, die großen Wert auf Natürlichkeit bei der Auswahl ihrer Kosmetikprodukte legen. Bei echter Problemhaut sollte aber immer noch ein Facharzt entscheiden, welche Behandlung am besten geeignet ist.

Der Beitrag erschien ursprünglich im News 21/2020.