Engelbert Guggenberger:
"Die Kirche muss sich schämen"

Der abgelöste Diözesanadministrator von Gurk-Klagenfurt, Engelbert Guggenberger, kritisiert die bisherige Aufarbeitung der Causa Bischof Schwarz durch die katholische Kirche in Österreich scharf -und insbesondere auch Kardinal Christoph Schönborn. Ein neuer, anderer Umgang mit Fehlverhalten im Klerus und ein Rücktritt des nunmehrigen St. Pöltener Bischofs sind für ihn nur logisch und konsequent

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Causa Schwarz - Engelbert Guggenberger:
"Die Kirche muss sich schämen" © Bild: Pressestelle /Eggenberger

News: Herr Dompropst, es hat zuletzt eine aufsehenerregende Protestaktion der "Mündigen Christen" im Klagenfurter Dom gegeben, an der mehr als 600 Gläubige teilgenommen haben. Ein klares Signal, dass viele Menschen mit der Aufarbeitung der Causa Bischof Alois Schwarz durch die Kirche unzufrieden sind?
Engelbert Guggenberger: Das ist ein kräftiges Lebenszeichen der Kärntner Kirche angesichts einer Herausforderung, die noch zu bewältigen ist. Die Menschen haben Profil gezeigt. Die Gläubigen haben ihren Unwillen über das Verschleppen der Aufarbeitung in der Causa Bischof Schwarz artikuliert und gezeigt, dass der Stil, wie die Kirche in Kärnten in der Zeit der Sedisvakanz (Bischofslosen Zeit, Anm.) bis zur Ernennung des Apostolischen Administrators geleitet wurde, von ihnen goutiert wird.

Glauben Sie, dass das auch in Rom wahrgenommen wird?
Für den Vatikan, der für mehr als eine Milliarde Katholiken zuständig ist, ist die Causa wohl nur ein kleiner Fall, und wir sind weit weg. Der Heilige Vater hat bekanntlich viele Baustellen, und es hängt auch viel davon ab, was ihm genau von Österreich aus über die Causa Bischof Schwarz berichtet wird. Wenn ihm gesagt wird: In Kärnten gibt es ein ungehorsames Domkapitel mit einem forschen Dompropst, und wir können uns das so nicht bieten lassen, und ihm vorgeschlagen wird, diesen Rebell durch einen Apostolischen Administrator zu ersetzen, dann wird sich Papst Franziskus dieser Meinung anschließen und die Sache sanktionieren. Wenn ihm jedoch die tatsächliche Faktenlage unterbreitet werden würde, müsste er angesichts seiner Prinzipien zur Entscheidung kommen, dass die Causa Schwarz einer dringenden Behandlung bedarf. Die würde ihm in mehreren Punkten großes Kopfzerbrechen bereiten: Wenn er wüsste, dass ein Bischof eine Lebefrau hat, die er am Leitungsamt teilhaben lässt und mit der er kirchliches Vermögen verwirtschaftet, würde er schon längst gesagt haben, dass dem Amtsmissbrauch Einhalt geboten werden müsste.

»Der Begriff Causa ist angemessen. Es wurde Schaden angerichtet, es gibt Geschädigte, und es hat Amtsmissbrauch stattgefunden«

Von den Schwarz-Verteidigern heißt es immer wieder, Sie hätten ja auch in dessen aktiver Zeit in Kärnten einschreiten können
Wir haben immer auf die Probleme und Missstände hingewiesen, Bischof Schwarz hat darauf aber nicht reagiert. Unsere Möglichkeiten, etwas dagegen zu unternehmen, waren begrenzt. Wir haben vieles auch gar nicht gewusst, bevor wir nicht den Einblick in das bischöfliche Mensalgut hatten. Dort haben ja hauptsächlich die finanziellen, personellen und wirtschaftlichen Verfehlungen stattgefunden.

Ihr Nachfolger als Diözesanadministrator, Militärbischof Werner Freistetter, lehnt den Begriff "Causa" in dem Zusammenhang ab
Das ist sehr befremdlich, denn der Begriff "Causa" ist angemessen und zeigt an, dass Parameter der Gerechtigkeit unterschritten worden sind. Es wurde Schaden angerichtet, es gibt Geschädigte, und es hat Amtsmissbrauch stattgefunden. Wenn der Begriff abgelehnt wird, wird damit der Sache ihr Realitätswert abgesprochen. Die Art unserer künftigen Zusammenarbeit wird daher davon bestimmt sein, welche Stellung der Apostolische Administrator weiter dazu bezieht. Diese Tendenz, die Vorkommnisse zu verharmlosen, beobachten wir in mehrfacher Hinsicht: etwa, wenn der Nuntius von Gerüchten spricht, denen der Heilige Stuhl nicht nachgeht, oder Bischof Elbst von Kränkungen. Das sind Versuche, die Causa auf die Ebene der Befindlichkeiten herunterzubiegen. Dazu gehört auch die Behauptung, die Kirche in Kärnten befinde sich in einem Ausnahmezustand. Das stimmt nicht. Das Vertrauen in die Diözesanleitung während der Sedisvakanz war bis zu meiner Absetzung in vollem Umfang gegeben.

Wer sind die Kräfte, die Interesse haben, die Causa Schwarz herunterzuspielen?
In erster Linie wohl der Verursacher der Causa. Er ist bis heute nicht bereit, die Dinge in den Blick zu nehmen und irgendetwas zuzugeben. Die katholische Kirche hat aber auch ein strukturelles Problem, indem sie Sanktionen für ein mögliches Fehlverhalten ihrer höchsten Amtsträger in ihrem System nicht vorsieht. Geschehen trotzdem Verfehlungen, so hat sie kein Instrumentarium, die Sache aufzuarbeiten, sondern greift reflexhaft zur Methode der Vertuschung, Verdrängung und Verleugnung.

Wie sollte Ihrer Meinung damit umgegangen werden?
So, wie man es in der Familie gelernt hat: Nach einer Verfehlung sollte man zu dieser stehen, um Verzeihung bitten und versuchen, die Sache wieder in Ordnung zu bringen. Es ist sehr bedauerlich, dass gerade die Kirche als "Erfinderin" eines sehr bewährten Ritus zum Umgang mit Schuld in Form des Beichtsakramentes hier so versagt und einfach keine Form findet, glaubwürdig mit Verfehlungen, die in ihren Reihen geschehen sind, umzugehen.

Welche Konsequenzen sollte es für Bischof Schwarz geben?
Bevor man über mögliche Konsequenzen nachdenkt, sollte zunächst einmal der erste Schritt gesetzt werden, nämlich, zu den Fakten zu stehen und die Verfehlungen zu benennen. Dies ist bis heute in der Causa ja noch ausständig. Wer Anstand hat, weiß, was zu tun ist. Selbst in der Politik ist diese Haltung mittlerweile Standard: nämlich, wenn Verantwortungsträger von sich aus zurücktreten - weil sie sonst für die Glaubwürdigkeit der Partei oder für das Gemeinwesen zur Belastung würden.

»Es ist sehr bedauerlich, dass die Kirche hier so versagt und keine Form findet, glaubwürdig mit Verfehlungen, die in ihren Reihen geschehen sind, umzugehen«

Was sind die Motive jener Kreise -auch derer in der Politik -, die ihn stützen?
Darüber lässt sich nur spekulieren. Die Motive tun aber nichts zur Sache. Diese Kreise schaden letztlich der Kirche, weil sich so kein Unrecht aus der Welt schaffen lässt. Und die Kirche muss sich immer wieder dafür schämen, dass sie unfähig ist, die Sache zu lösen, und sie stattdessen unter den Teppich kehrt. Sie ist einfach nicht in der Lage, ein ordentlicher Pönitent (Büßer, Anm.) zu sein. Anderen kann sie das gut vorschreiben: Die katholische Kirche gibt den Laien Regeln bis ins Schlafzimmer vor, sie selbst ist aber völlig unfähig, damit umzugehen und zuzugeben, dass sich einer ihrer Verantwortungsträger im Amt verfehlt hat. Besonders enttäuschend ist für mich, dass die Kirche in Österreich - damit meine ich vor allem Kardinal Schönborn -diese Amtsverfehlung nicht benennt und sich von ihr nicht klar distanziert. Auf diese Weise verhindert er, dass der Vatikan ins Wort findet. Wie soll da in Kärnten eine Bischofsernennung stattfinden, bevor die Causa, die weiter für Unruhe sorgt, aufgearbeitet ist? Sollen dann enttäuschte Gläubige mit Transparenten aufmarschieren? Man muss damit rechen, dass der Nuntius und weihende Bischöfe nicht willkommen sind. Den Schaden hat vor allem die Diözese Gurk.

Schlägt sich das auch in Kirchenaustritten nieder?
Mit Beginn der Päpstlichen Visitation sind die Austrittszahlen explodiert, um sich bis Juni dieses Jahres wieder auf das Niveau des langjährigen Durchschnitts einzupendeln. Seit meiner Absetzung haben die Austritte wieder stark zugenommen. (2018 waren es rund 3.500 Kirchenaustritte - doppelt so viele wie im österreichischen Schnitt. Heuer waren es schon im ersten Halbjahr so viele. Anm.) Wir bemühen uns, die Menschen in der Kirche zu halten. Durch unverständliche Maßnahmen der uns übergeordneten Instanzen wird so viel Schaden angerichtet, dass die Leute aber aus der Kirche getrieben werden Das trifft nicht nur Kärnten, sondern ganz Österreich. Ich bekomme diesbezüglich viele Zuschriften von Gläubigen aus anderen Bundesländern, die diese Vorkommnisse sehr beschäftigen.

»Das bischöfliche Amt ist sozusagen ein geschlossenes System, bei dem Judikatur, Legislative und Exekutive sich in der Hand einer Person befinden«

Sie waren ein Jahr Diözesanadministrator. Wie haben Sie die Zeit erlebt?
In dem Jahr ist es rund um die Causa nicht stiller geworden, im Gegenteil. Die Empörung darüber hat sich durch das fortwährende Leugnen, das Behindern der Aufarbeitung weiter erhöht. Vielen Gläubigen sind die Vorgänge unverständlich, deshalb gibt es auch Protestaktionen. Sogar auf der Straße werde ich darauf angesprochen und dringend ersucht, den Weg der Klarheit, der Transparenz und der Entschiedenheit fortzusetzen. Selbst während Firmungen sprechen mich Paten darauf an.

Kritiker sagen, die monarchischen Strukturen der Kirche sind Schuld an solchen Zuständen
Monarchische Strukturen existieren in starkem Ausmaß. Es wird Gehorsam eingefordert. Das Unterordnen erzeugt im Klerus die latente Versuchung, dies im Sinne des Machterhalts auszunützen und eigenständiges Denken und Entscheiden des Einzelnen zu unterlaufen. Das bischöfliche Amt ist sozusagen ein geschlossenes System, bei dem Judikatur, Legislative und Exekutive sich in der Hand einer Person befinden.

Sollte es da zu einer Trennung kommen?
Man sollte dieses System zumindest überdenken. Bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil (1962 bis 1965, Anm.) war das auch nicht so ausgeprägt. In der Geschichte hatte der Bischof im Domkapitel immer auch ein Gegenüber. Das ist jetzt sehr reduziert. Man könnte das einstweilen ausgleichen, indem ein Bischof von sich eine kollegiale Führung wählt. So, wie wir sie in der Zeit der Sedisvakanz praktiziert haben und sie auch von den Kärntner Katholiken gut angenommen wurde. Auf diese Weise wurde Verantwortung, aber vor allem Macht geteilt.

Gehen Sie davon aus, dass der Visitationsbericht veröffentlicht wird, und wenn ja, in welcher Form?
Aus der Vergangenheit wissen wir, dass Visitationsberichte selten veröffentlicht werden, obwohl von Rom immer wieder versprochen wird, dass etwas kommt. Da bisher aber nichts gekommen ist, ist zu befürchten, dass man die Sache aussitzen will oder einen verharmlosenden Bericht veröffentlicht. Sonst hätte der Vatikan wohl auch schon längst ein Zeichen setzen können, das zur Beruhigung der Lage beitragen würde: nämlich in der Veröffentlichung einer Stellungnahme. Die Aussagen des Nuntius zur Causa in dem Zusammenhang - speziell, was die Bischofsvertraute betrifft - sind zynisch. Der Nuntius weiß genau, welchen Schaden die Bischofsvertraute durch launische und willkürliche Personalentscheidungen sowie völlig unsachgemäße wirtschaftliche Entscheidungen angerichtet hat. Sie konnte auch ohne eigentliches Amt schalten und walten, nur allein deshalb, weil sie die Lebefrau des Bischofs ist und er ihr den Anteil am Bischofsamt gegeben hat. Es ist unglaublich, wie unbedarft der Nuntius über so eine skandalöse Situation redet. Das ist völlig daneben, disqualifiziert sich von selbst.

Was passiert, wenn nichts herauskommt, es keine Aufklärung gibt?
In einem solchen Fall würde die Kirche einen hohen Preis zahlen, weil die Wunden offen bleiben und weiter eitern. Die Verantwortung für die Kirchenaustritte müssen die uns übergeordneten Stellen in Wien und in Rom tragen. Da nehme ich, wie gesagt, Kardinal Schönborn nicht aus, der sich durch Schweigen aus der Verantwortung zieht. Als höchster Würdenträger der Kirche in Österreich ist er auch mitverantwortlich. Er ist auch mitverantwortlich an dem Skandal, dass die Kirche nicht fähig ist, Amtsmissbrauch aufzuzeigen, dazu zu stehen und diesen aufzuarbeiten.

Wie geht es Ihnen persönlich nach der Ablöse?
Der Zuspruch vieler Gläubiger, den ich gerade bekomme, bestärkt mich. Mir ist es immer gut gegangen, weil ich mir nichts vorzuwerfen habe. Ich kann mich im Spiegel ansehen, weiter für die Kirche tun, was ich tun kann. Ich habe Entscheidungen von oben zu akzeptieren, werde aber weiterhin nicht dazu schweigen.

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der News-Ausgabe Nr. 28/19

Kommentare

Ich glaube Herrn Dr. Guggenberger jedes Wort! Es soll eine namhafte Persönlichkeit aus der Diözese Gurk (nicht jemand aus dem Klerus) bei einer Audienz beim Papst in Rom, diesem einen Bericht über die tatsächlichen Vorkommnisse überreichen, um die vermutlichen "Rückvergolder" Nuntius, Kardinal Schönborn und EB Lackner zu umgehen!!!

"Es ist sehr bedauerlich, dass die Kirche hier so versagt und keine Form findet, glaubwürdig mit Verfehlungen, die in ihren Reihen geschehen sind, umzugehen..." diese Aussage zeigt das Problem

Diese scheinheilige Gesellschaft!!! Gut, dass ich ausgetreten bin!

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