Kurz sorgt mit Aussagen zu WKStA für Empörung

Bundeskanzler bezeichnete Ermittler "off records" sinngemäß als Netzwerk roter Staatsanwälte

Eigentlich vertrauliche Aussagen von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zur Casinos-Affäre empören die Opposition. Kurz hatte in einem nicht zur Berichterstattung gedachten Hintergrundgespräch mit Journalisten die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft attackiert und sinngemäß als Netzwerk roter Staatsanwälte bezeichnet. SPÖ und NEOS reagieren alarmiert, Kurz wollte die Causa nicht kommentieren.

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Causa Casinos - Kurz sorgt mit Aussagen zu WKStA für Empörung

Gefallen sind die Aussagen des Bundeskanzlers in einem "off records" (also nicht zur Zitierung freigegebenen) Hintergrundgespräch am 20. Jänner in der Politischen Akademie der ÖVP. Kurz bezeichnete die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft dabei als Netzwerk roter Staatsanwälte, das gezielt gegen ÖVP-Politiker vorgehe und Akten nach außen spiele. Der "Falter", der bei dem Termin selbst nicht dabei war, machte die Aussagen nun in einem Leitartikel unter Berufung auf anwesende Journalisten öffentlich.

Beschwerde über Lögers vorgehen

Kurz beschwerte sich demnach insbesondere über das Vorgehen gegen Ex-Finanzminister Hartwig Löger in der Casino-Affäre. Hier ermittelt die Behörde gegen frühere ÖVP- und FPÖ-Politiker wegen des Verdachts der Bevorzugung des Glücksspielkonzerns Novomatic bei Glücksspiellizenzen im Abtausch für die Bestellung des Wiener FPÖ-Politikers zum Finanzvorstand der Casinos Austria. Der frühere Casinos-Chef Alexander Labak sagte außerdem aus, dass die Bestellung Sidlos in der damaligen türkis-blauen Koalition ein Gegengeschäft mit der FPÖ gewesen sei, um den ÖVP-Mann Thomas Schmid als Vorstand der staatlichen Industrieholding ÖBAG durchzubekommen. Die ÖVP hatte stets jeden Einfluss auf die Personalia bei der Glücksspielfirma zurückgewiesen.

Passend dazu: Die Casinos-Affäre einfach erklärt

Der Bundeskanzler wollte zur Berichterstattung über das Hintergrundgespräch am Mittwoch keine Stellungnahme abgeben. Ein Sprecher sagte, es sei das gute Recht eines Journalisten, in einem Leitartikel seine freie Meinung zu äußern. "Und dies wird von uns nicht weiter kommentiert." Zur Korruptionsstaatsanwaltschaft habe sich der Bundeskanzler am vergangenen Samstag im ORF-Radio ausführlich geäußert. In dem Interview hatte Kurz diesbezüglich auf die Zuständigkeit von Justizministerin Alma Zadic verwiesen. Offene Kritik an der Anklagebehörde übte er nicht.

SPÖ zeigt sich über Aussagen empört

Empört über die Aussagen des Kanzlers zeigte sich die SPÖ. Deren Fraktionsvorsitzender im Casinos-Untersuchungsausschuss, Jan Krainer, fordert Kurz auf, sich öffentlich zu entschuldigen. Der Justiz parteipolitische Motive zu unterstellen, sei "unfassbar". Außerdem habe es in den letzten zwölf Jahren ausschließlich "schwarze Justizminister gegeben". "Wenn der Rechtsstaat derartig diskreditiert, angepatzt und verleumdet wird, ist das eine besonders gefährliche Form des Populismus", so Krainer.

NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper warf Kurz ein "brandgefährliches Verhalten" vor: "Die Korruptionsjäger, die Ibiza aufklären, sollen systematisch in der Öffentlichkeit diskreditiert und in ihrer Arbeit behindert werden." Justizministerin Alma Zadic (Grüne) müsse sich nun "ganz klar hinter 'ihre' Justiz stellen und die WKStA vor den Angriffen des Kanzlers in Schutz nehmen.

Zadic stellt sich hinter WKStA

Justizministerin Zadic hat sich am Mittwoch hinter die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gestellt. Die kolportierten Aussagen von Bundeskanzler Kurz könne sie nicht verifizieren und daher nicht bewerten, sagte Zadic. Sie wisse jedoch, dass die WKStA objektiv und unabhängig von der Parteizugehörigkeit ermittle.

"Die Gespräche, die ich in den letzten Wochen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern führen durfte, bestätigen mir, dass die WKStA objektiv und unabhängig von der Parteizugehörigkeit ermittelt und arbeitet", deponierte Zadic am Mittwoch. Außerdem erinnert sie daran, dass ÖVP und Grüne im Regierungsprogramm die "Stärkung der Korruptionsbekämpfung" vereinbart haben. Es gelte, die unabhängige Ermittlungsarbeit der Staatsanwälte zu stärken und vermeidbare Berichtspflichten zu reduzieren.

Im Regierungsprogramm haben ÖVP und Grüne unter anderem eine Evaluierung des Managements von Großverfahren sowie der für Wirtschaftsgroßverfahren eingesetzten Kapazitäten vereinbart. Und "soweit sinnvoll" soll es auch eine Präzisierung der Zuständigkeiten der WKStA geben.

Letzteres hat zuletzt Spekulationen genährt, der Sonderstaatsanwaltschaft könnte die Zuständigkeit für Wirtschaftsverfahren entzogen werden. Zadic weist das allerdings zurück. "Das ist nicht geplant", versichert die Justizministerin. Auch Kritik des Bundeskanzlers Sebastian Kurz (ÖVP) an der WKStA sei ihr nicht bekannt: "Ich habe nichts wahrgenommen."

Einen ersten Schritt zur Stärkung der Unabhängigkeit der Ermittlungsarbeit sieht Zadic mit der Weisung an die Fachaufsicht, keine direkten Gespräche mehr mit Beschuldigten zu führen, bereits gesetzt. Dementiert hat die Ministerin allerdings, dass dem Strafrechts-Sektionschef Christian Pilnacek - wie medial kolportiert - die Fachaufsicht über die Ermittlungen zur Casinos-Affäre entzogen werden könnte.

Pilnacek hatte sich mit Ex-ÖVP-Chef Josef Pröll und Raiffeisen-Generalanwalt Walter Rothensteiner getroffen. Beide sind Beschuldigte in der Causa Casinos. Zadic untersagte daraufhin per Weisung weitere Treffen und persönliche Telefonate mit Beschuldigten, "damit jeglicher Anschein der Befangenheit, der Beeinflussung oder der bevorzugten Behandlung vermieden wird", wie die Ministerin betont.

Staatsanwälte empört über "Angriff auf Rechtsstaat"

Die Vereinigung der Staatsanwälte spricht angesichts der Mittwoch bekannt gewordenen Attacke von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) auf die WKStA von einem "Angriff auf den Rechtsstaat". Den Vorwurf einseitiger Ermittlungen gegen die ÖVP weist Präsidentin Cornelia Koller im Gespräch mit der APA zurück und nennt als Beispiel die Anklagen gegen SPÖ-Politiker in der Salzburger Finanzaffäre.

"Wenn das so stattgefunden hat, dann ist das unvertretbar", sagt Koller zu den Aussagen des Kanzlers und spricht von einem "Angriff auf den Rechtsstaat und die Justiz als dritte Staatsgewalt". Den Beschuldigten in der Casinos-Affäre stehe es frei, Rechtsmittel gegen die Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft zu ergreifen: "Wenn jemand der Meinung ist, dass Ermittlungen zuunrecht geführt werden, dann ist der Rechtsweg zu beschreiten."

Den Vorwurf der einseitigen Ermittlungen gegen die Wirtschafts-und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) weist Koller zurück. Die Präsidentin der Standesvertretung der Staatsanwälte erinnert etwa daran, dass erst im Vorjahr der frühere Salzburger SPÖ-Bürgermeister Heinz Schaden wegen Untreue rechtskräftig zu drei Jahren Haft verurteilt wurde (davon ein Jahr unbedingt). Ebenfalls von der WKStA mitangelegt war in der Salzburger Finanzaffäre der frühere SPÖ-Finanzlandesrat Othmar Raus. Er wurde zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt (davon zehn Monate unbedingt).

Die WKStA führe eine Vielzahl an Verfahren und wenn ein Sachverhalt an Staatsanwälte herangetragen werde, dann werde eben ermittelt, betont Koller. Sie fordert von Kurz nun ein Bekenntnis zur Korruptionsbekämpfung. "Wie ernst er es mit einer funktionierenden Justiz meint, werden die Budgetverhandlungen zeigen." Denn für die im Regierungsprogramm angekündigte Anpassung des Strafrechts an künftige Herausforderungen brauche es sowohl mehr Staatsanwälte als auch mehr Mittel für Kanzleipersonal.

Wollen Gespräch mit Kurz

In einem offenen Brief haben die Vertreter der Staatsanwälte am Mittwoch ein persönliches Gespräch mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gefordert. Gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Richter und Staatsanwälte in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD), Christian Haider, will sich Koller dabei "Klarheit über das Geschehene und die damit verfolgten Motive verschaffen".

Die kolportierten Aussagen des Kanzlers zur WKStA stünden in diametralem Gegensatz zu den Zielen des Regierungsprogramms, heißt es in dem am Mittwoch veröffentlichten Schreiben. Pauschale Angriffe weise man daher ebenso zurück wie die Unterstellung einseitiger oder parteipolitisch motivierter Ermittlungen.

Bestärkt fühlt sich durch die Aussagen Kurz' dagegen Karl Baron, Klubobmann der Wiener FPÖ-Abspaltung DAÖ und Unterstützer von Ex-FP-Chef Heinz-Christian Strache, einem der Beschuldigten in der Casinos-Affäre. "Selbst wenn diese Aussagen 'off records' gefallen sind, hat der Bundeskanzler damit die von SPÖ und Grünen forcierte Teilunterwanderung unseres Rechtsstaates eindeutig bestätigt", befand Baron.