Buwog-Affäre:

Karl Petrikovics (immofinanz):  „Hocheggers Tipp kam entweder von einem Mitbewerber oder aus dem Finanzministerium. Woher genau, war damals egal.“ Der Staatsanwalt prüft Verdacht des Amtsmissbrauchs

Amtsmissbrauch heißt der neue Verdacht in der Buwog-Affäre. Karl-Heinz Grasser und Co sind unter Druck. Auch Jörg Haider mischte beim Buwog-Deal mit.

Buwog-Affäre:

Ein persönliches Drama spielt sich seit zwei Wochen zwischen Karl-Heinz Grasser und Walter Meischberger ab. „Meischis“ Buwog-Lobbying, das FORMAT exklusiv in der Vorwoche enthüllte, belastet „KHG“ schwer. Aus „Empörung“ löste Grasser kürzlich die Bürogemeinschaft mit seinem Trauzeugen auf und hetzte ihm sogar den Staatsanwalt an den Hals. Was den krisenerprobten Grasser so in Rage brachte: Meischberger und Partner Peter Hochegger hatten beim Verkauf von rund 60.000 Bundeswohnungen gut lobbyiert – und noch besser kassiert: Auftraggeber Immofinanz zahlte für heiße Tipps im Verkaufsfinale 9,6 Millionen Euro. Der Immo-Deal aus 2004 fällt in Grassers Zeit als Finanzminister. Dass „Meischi“ ohne sein Wissen agierte, wie er beteuert, glauben ihm nur wenige.
„Der Karl-Heinz hat nichts davon gewusst“, schluchzt Meischberger heute. Um seinen Freund aus der Schusslinie zu holen, ist es aber zu spät: Im Parlament wird ein Buwog-Untersuchungsausschuss gefordert. Zudem sollen sämtliche Privatisierungen der Ära Grasser (2000 bis 2006) auf Vetternwirtschaft abgeklopft werden. Für Grasser besonders ärgerlich: Der Justiz, die ihn seit langem im Visier hat, muss er bald seine Buwog-Rolle genau erklären. „Herr Grasser war der Erstangezeigte im Meinl-Verfahren. Seither wird er als Beschuldigter geführt“, so Gerhard Jarosch, Sprecher der Staats­anwaltschaft Wien, der zum Thema Buwog ergänzt: „Wir prüfen, ob hinter den Provisionszahlungen strafbare Handlungen stehen. Dabei werden wir mit jedem reden, der uns verdächtig erscheint.“
Mit Grasser wurde bislang noch nicht geredet. Doch das ist nur eine Frage der Zeit. Denn während die Staatsanwaltschaft dem Untreueverdacht nachgeht, ist das ­Finanzamt in der Buwog-Causa auf eine interessante Grasser-Connection gestoßen. Zur Erinnerung: Ausgelöst durch Selbstanzeigen von Hochegger und Meischberger, ermittelt die Finanzbehörde seit zwei Wochen wegen Abgabenhinterziehung. Parallel dazu wurden Firmen im Umfeld von KHG und Co durchforstet – und zweifelhafte Unternehmen geprüft. Meischberger: „Bei der Valora Solutions gibt es seit Montag eine Betriebsprüfung.“ Das könne ein Zufall sein, aber er glaube nicht daran. Zwar gehört diese Valora zu 100 Prozent Meischberger. Doch bis Mitte 2008 gab es zwei prominente Miteigentümer: Nämlich Karl-Heinz Grasser und die Valora Unternehmensberatung- und Beteiligung AG (VUBAG) von Hochegger.
Dass das freundschaftliche Joint Venture justament nach der letzten Buwog-Provisionsüberweisung Ende 2007 auf­gelöst wurde, erweckte das Interesse der ­Finanz. Meischberger und Hochegger er­klärten das dem zuständigen Finanzprüfer und dem Gerichtssachverständigen Gerhard Altenberger als „puren Zufall“. Die beiden erklärten den Fall so: Die Immo­finanz zahlte ihnen 9,61 Millionen Euro. Das Geld floss in mehreren Tranchen an die zypriotische Briefkastenfirma Astropolis von Hochegger. Der behielt davon 20 Prozent und leitete den Rest an Meischberger weiter. Laut FORMAT exklusiv vorliegenden Informationen verblüffte Hochegger die Ermittler mit einigen Neuig­keiten: So wurde der Lobbyingvertrag zwischen Hocheggers VUBAG und der Immofinanz Anfang Juni 2004 abgeschlossen – und lief nicht seit Jahren.

Eine Million Euro pro Tag
Der Zeitpunkt ist brisant. Denn am 4. Juni 2004 wurden die beiden verbindlichen Buwog-Kauf­angebote der Investmentbank Lehman Brothers – als Vertreter des Finanzminis­teriums – vorgelegt: Demnach bot das Immofinanz-Konsortium 706,6 Millionen Euro und Konkurrent CA Immo 795 Millionen – beides exklusive 130,7 Mil­lionen Euro Bundesforderungen. Darüber wusste offensichtlich auch Meischberger Bescheid. Denn er empfahl seinem Immo­finanz-Kontaktmann Hochegger damals, „einen Anbotspreis von etwa einer Milliarde Euro“ (Hochegger) nahezulegen. Immofinanz-Boss Karl Petrikovics folgte dem Rat: Während CA Immo um 34 Millionen erhöhte, legte er um 124 Millionen Euro nach. Am 15. Juni erfolgte der Zuschlag an Petrikovics, dessen Konsortium 961,28 Millionen Euro (inklusive Bundesforderungen) hinblätterte. „Damit überbot er letztlich seinen Mitbieter um 1,19 Millionen Euro“, heißt es im Buwog-Rechnungshofbericht 2007. Die beiden Immofinanz-Lobbyisten kassierten somit für zehn Tage Intensivarbeit fast zehn Millionen Euro oder: eine Million pro Tag.
Doch Meischberger lieferte nicht nur den entscheidenden Tipp. Gemeinsam mit Grasser soll er im Juni 2004 den (mitt­lerweile verstorbenen) Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider in Sachen Buwog bearbeitet haben. Haider machte gegen den Immo-Deal, der auch die in Bundesbesitz befindliche Wohnbaufirma ESG ­Villach beinhaltete, mobil. Die Telefonate zwischen Wien und Klagenfurt zeigten aber Wirkung. Grasser überzeugte Haider, der dann den politischen Widerstand aufgab. Meischberger gegenüber FORMAT: „Der Jörg gab mir zu verstehen, dass das Land Kärnten die ESG Villach nicht kaufen wird.“ Eine für die Buwog-Entscheidung wertvolle Information, wie der Rechnungshof in seinem Bericht erklärt: „Je nachdem, ob das Land Kärnten in Aus­übung seines Vorkaufsrechts die ESG ­Villach gekauft hätte oder nicht, ergab sich ein unterschiedlicher Bestbieter.“ Hätte Haider gekauft, wäre das restliche Buwog-Paket an die CA Immo gefallen, da sie mehr als die Immofinanz-Gruppe geboten hätte. Haider wusste laut Rechnungshof aber, wer Bestbieter war. Zitat aus dem RH-Bericht: „Kärnten hat mit seiner Entscheidung über die Ausübung der Option letztlich auch darüber ent­schieden, welcher Bieter den Zuschlag erhalten werde.“
Die grüne Abgeordnete Gabriele Moser – sie hat die Buwog-Affäre bei der Staatsanwaltschaft Wien angezeigt – will nun in einer parlamentarischen Anfrage an das Finanzministerium wissen, über welche Kanäle die vertraulichen Buwog-Infos nach Kärnten geflossen sind. „Wer hat Haider mit Infos versorgt“, fragt Moser, „der Staatsanwalt muss möglichen Amtsmissbrauch prüfen.“ Nicht nur KHG solle befragt werden, sondern auch seine Vertrauensleute. Die prominentesten Akteure mit Grasser-Connection sind:
Ernst-Karl Plech: Der Wiener Immobilienmakler präsidierte den Buwog-Aufsichtsrat. Für Grasser und Meischberger ist Plech ein väterlicher Freund und bevorzugter Geschäftspartner. Von Plech lernte Meischberger laut eigenen Angaben das Immobiliengeschäft und gründete mit ihm das „Seitenblicke“-Magazin. Plech pflegte gute Businesskontakte zur Immo­finanz. Für den Wiener CityTower vermittelte er der Immofinanz das Justizministerium als Mieter – und kassierte dafür rund 600.000 Euro Provision. Zudem war der langjährige FPÖ-­Finan­cier Plech mit Jörg Haider sehr gut befreundet.
Karl Heinz Muhr: Das Buwog-Verkaufsmandat erhielt Lehman Brothers erst nach Intervention von KHG und ­Plech, der die Vergabekommission präsidierte. Ausschlaggebend dafür war die Freundschaft zum Investmentbanker Muhr, der für Lehman arbeitete. Für den Deal erhielt Lehman rund zehn Millionen Euro Beratungs­honorar brutto.
Heinrich Traumüller: Der unscheinbare Mitarbeiter im Grasser-Kabinett administrierte den Buwog-Deal auf Ministeriumsseite. Alle wesentlichen Infos gingen über seinen Tisch. Im Zusammenhang mit dem Buwog-Verkauf fiel er durch eine Immo­finanz-freundliche Entscheidung besonders auf: Verkauft wurde das Buwog-Paket im Juni 2004 ohne (!) Verzicht auf Einweisungsrechte. Acht Monate später war alles anders. Als Vertreter der Republik verzichtete Traumüller auf das Einweisungsrecht. Dabei handelt es sich um das Privileg, für frei werdende Wohnungen Personen wie etwa Beamte als neue Mieter vorzuschlagen. Der Immofinanz brachte dieser Verzicht laut Rechnungshof-­Kalkulationen ein Körberlgeld von rund 200 Millionen Euro. Nach der Entscheidung machte Traumüller übrigens rasant Karriere: Zunächst Staatskommissär in der Meinl Bank, wechselte er im Oktober 2004 auf Grassers Wunsch in den Vorstand der Finanzmarktaufsicht.

Meister der schiefen Optik
„Ich schwö­re, ich habe keinen Cent bekommen“, beteuert Grasser seine Unschuld. Er habe immer penibel darauf geachtet, beim größten Immobiliendeal der Zweiten Republik keine Fehler zu machen. So ließ er die ­Anbote unter Kamerabeobachtung öffnen. Jeder Verdacht der Mauschelei sollte so im Keim erstickt werden. Gebracht hat es letztlich nichts: Das verdankt er seinen Kumpels Meischberger und Hochegger. Dass er als Finanzminister Hochegger mit PR-Aufträgen im Wert von mehr als drei Millionen Euro versorgt hat, wird ihm nun zum Vorwurf gemacht. Ebenso die enge Freundschaft zu „Meischi“, die im Zusammenhang mit dem Buwog-Deal eine „verheerende Optik“ (Grasser) habe.
Ähnlich schief wirkt aus heutiger Sicht Grassers St.-Moritz-Besuch vom März 2004. Knapp drei Monate vor dem Buwog-Zuschlag nahm KHG an einer Konferenz im noblen Kempinski Hotel teil. Grassers Hotelrechnung übernahm damals Karl Petrikovics. Über die Buwog wurde damals kein Wort gewechselt, wie Petrikovics FORMAT über seinen Anwalt ausrichten lässt: „Hocheggers Tipp kam entweder von einem Mitbewerber oder aus dem Finanzministerium. Woher genau, war damals egal.“

Von Ashwien Sankholkar