Was wirklich hinter
einem Burnout steckt

Burn-out laut US-Sozialpsychologin Christina Maslach kein Versagen

Burnout wird oft als Schwäche, Versagen oder Krankheit angesehen. Dabei handelt es sich vielmehr um den Versuch, "täglich mit chronischen Stressfaktoren umzugehen", erklärte die renommierte Sozialpsychologin Christina Maslach. "Durch diese Erfahrung kann man gefährdet sein, bestimmte Dinge zu tun oder zu unterlassen. Das kann zu größeren Problemen führen."

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Psychische Gesundheit - Was wirklich hinter
einem Burnout steckt

Die Amerikanerin Maslach hat in den 1970er Jahren das Konzept des Burnout-Syndroms mitentwickelt und zählt zu den wichtigsten Forschern auf diesem Gebiet. Im Rahmen einer Internationalen Burnout-Fachtagung hält sie am Dienstag einen Vortrag in Wien.

Als Christina Maslach 1971 ihre Lehrtätigkeit an der University of California in Berkeley aufnahm, begann sie sich für die Erforschung starker Emotionen zu interessieren, die Menschen möglicherweise bei ihren Tätigkeiten stören könnten. "Es gibt dort viele Notfall-Krankenhäuser, Polizeistationen und Feuerwachen. Die Leute, die dort arbeiten, haben eine große Verantwortung und dürfen sich von Emotionen nicht ablenken lassen. Das ist nicht leicht, wenn man Menschen retten muss", schilderte Maslach. Die Interviewpartner berichteten, sie wären erschöpft, entwickelten Aggressionen und Gleichgültigkeit.

Der Begriff Burn-out war geboren

"Niemand hätte offen darüber geredet, es wäre ein Stigma gewesen. Sie wurden aber sehr emotional, wenn sie sich mit mir in einem vertraulichen Rahmen darüber unterhielten", sagte Maslach. Bei einer zufälligen Begegnung mit einer Anwältin, die dieses Phänomen von sich und ihren Kollegen kannte, hörte die Psychologin dann die Bezeichnung "Burnout" zum ersten Mal. "Darin fanden sich plötzlich viele wieder. Wir sehen das in allen Branchen. Wenn du Tag für Tag immer sehr schnell sein musst, nicht Nein sagen kannst, Freinehmen nicht möglich ist, immer erwartet wird, dass du Extra-Arbeit machst. Tust du das nicht, verpfeifen dich die Kollegen. Ein toxisches soziales Umfeld ist einer der Gründe für Burn-out. Ein Arbeitsplatz, an dem du anderen nicht vertrauen kannst, wo jeder gegen jeden ist", beschrieb Maslach.

»Sie würden nach außen hin niemals etwas von sich zeigen, das weniger als perfekt ist«

"Wenn ich Interviews führe, höre ich sehr oft von dieser 'Kultur der Angst', so die Psychologin. "Die Menschen bitten auch nicht um Hilfe. Sie würden nach außen hin niemals etwas von sich zeigen, das weniger als perfekt ist. Denn dann würden sie als schwach gelten, das wäre das Ende ihrer Karriere." Auch das Reden über psychische Erkrankungen wird als Schwäche verstanden. Wenn andere es herausfinden, setzen sie dich herab, schließen dich aus, so Maslach: "Sie sagen 'Bring dich wieder in Ordnung, und wenn du dich wieder besser fühlst, gehen wir auf ein Bier'."

Dabei würden psychologische und soziologische Forschungen seit Jahrzehnten zeigen, dass gute soziale Beziehungen zu den wichtigsten Dingen für Menschen zählen, damit es ihnen psychisch und physisch gut geht, betonte Maslach. "Das sind Beziehungen zur Familie, zu Freunden, Kollegen, Nachbarn. Leute, mit denen man Spaß hat, an die man sich wenden kann. Stresstests am Arbeitsplatz zerstören das Netzwerk." Dies alles sorge für eine toxische, ungesunde Arbeitsumgebung.

Die beste Strategie gegen Burnout

Die beste Strategie gegen Burnout sei laut Christina Maslach nicht, zu überlegen, wie man die Menschen behandelt, damit sie resilienter und stärker werden. "So bringt man ihnen nur bei, wie sie noch schneller und länger rennen, bevor sie fallen". Es müsse vielmehr überlegt werden, was gegen die Dinge getan werden kann, die diese Probleme verursachen.

"Man muss sich wirklich anschauen, wie die Arbeitsumgebung beschaffen ist und wieso sie einen derartigen Effekt auf so viele Menschen hat", sagte die Sozialpsychologin. Dieser sei nicht nur gesundheitsschädlich, sondern habe auch direkte Auswirkungen auf die Arbeit, etwa wenn die Menschen diese nicht mehr gut ausüben können, gar nicht mehr zur Arbeit kommen oder früher in Pension gehen. Burn-out verursache auch ökonomische Schäden, es sei mehr als ein individuelles Problem.

Fokus auf die Arbeitsumgebung

"Wir müssen der Arbeitsumgebung wesentlich mehr Aufmerksamkeit widmen. Wenn wir sie nicht besser und gesünder gestalten, so dass die Leute erfolgreich dort arbeiten können, lösen wir das Problem nicht", ist Maslach überzeugt. Chefs und Arbeitnehmer sollten dafür unter gegenseitigem Respekt kommunizieren und zusammenarbeiten. Oft könnten schon kleine Änderungen große Wirkung haben. "Ich bin für einen holistischen Ansatz, ohne mit dem Finger auf einzelne zu zeigen", so Maslach.

Die in Österreich neu eingeführte Höchstarbeitszeit von zwölf Stunden pro Tag sieht die Sozialpsychologin kritisch. "Bei zwei Stunden mehr hat man nicht einfach mehr Zeit für die Arbeit, sondern es wird auch mehr verlangt." Damit Menschen gesund und stark bleiben, würden sie mindestens sieben bis acht Stunden Schlaf pro Nacht brauchen. "Werden zwei Stunden weggenommen, was bleibt dann übrig?", fragte die Psychologin. "Vier Stunden für den Arbeitsweg, Einkäufe, Erledigungen für die Familie, Freunde und Hobbys. Nur vier Stunden - das ist ungesund. Es beraubt dich in gewissem Sinne deiner Lebenszeit außerhalb der Arbeit. Jener Zeit, die dich gesund, erfolgreich und widerstandsfähig macht."

Was für die Prävention wichtig ist

Faktoren zur Burnout-Prävention seien Autonomie bei der Arbeitszeit, Anerkennung und Fairness. "Gute Arbeitsbeziehungen, keine Diskriminierung, keine gläserne Decke, Respekt", zählte Maslach auf. "Das hat alles mit der Umgebung zu tun. Du kannst eine tolle, wunderschöne Pflanze haben, aber wenn du sie in schlechten Boden steckst und es kein Sonnenlicht und Wasser gibt, wird sie nicht gedeihen."

Zur Person: Christina Maslach, geboren 1946 in San Francisco, ist emeritierte Professorin für Psychologie an der University of California in Berkeley. Sie zählt zu den Pionieren der Burn-out-Forschung und hat mit dem "Maslach Burnout Inventory" im Jahr 1981 ein Messinstrument entwickelt, das heute noch bei einem Großteil aller empirischen Untersuchungen zur Diagnose des Burn-out Syndroms eingesetzt wird.

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