Peter Simonischek will kein
"Leibeigener des Theaters" sein

Peter Simonischek zieht es vermehrt vor die Kamera. Er plant das Burgtheater-Ensemble nach fast 20 Jahren zu verlassen.

von
Burgtheater - Peter Simonischek will kein
"Leibeigener des Theaters" sein

Peter Simonischek zieht es vermehrt vor die Kamera. Weil der 71-Jährige seit "Toni Erdmann" so gute Angebote bekommt, stellt er im Ende Februar geführten APA-Interview einen Abschied vom Burgtheater in Aussicht. Und auch die Rolle neben der tschechischen Kinolegende Jiri Menzel im Roadmovie "Dolmetscher" hat der Grazer dem Überraschungserfolg zu verdanken.

"Dolmetscher"-Regisseur Martin Sulik hat Sie in der Rolle des Lebemanns Georg Graubner besetzt, nachdem er "Toni Erdmann" gesehen hat. Ist Ihnen das seither mehrfach passiert?
Peter Simonischek: Ich habe wirklich viele Angebote im Moment durch "Toni Erdmann". Die hatte ich vorher auch, nur nicht so gute. International gibt es Einiges, das ich nicht wahrnehmen kann, weil ich immer noch am Theater bin. Ich werde das jetzt aber wahrscheinlich auslaufen lassen.

Burgschauspieler könnte das Kino schon bald der Bühne vorziehen

Sie wollen das Burgtheater-Ensemble nach fast 20 Jahren verlassen, um mehr Kinofilme zu drehen?
Ja, und um nicht den jeden Tag ran zu müssen. Als Bühnenschauspieler ist man eigentlich ein Leibeigener des Theaters. Das wissen die Wenigsten. Man muss jeden Tag bis 14 Uhr erreichbar sein, nicht nur, wenn man Vorstellung hat. So schaut's aus.

In "Dolmetscher" verkörpern Sie einen pensionierten Lehrer, der sich nie mit den Gräueltaten seines Vaters, eines im Zweiten Weltkrieg in der Slowakei stationierten SS-Sturmbannführers, beschäftigt hat. Eines Tages steht der jüdische Übersetzer Ali Ungar (Jiri Menzel), ein Nachfahre möglicher Opfer des Vaters, vor der Tür, und Georg folgt ihm auf einen Roadtrip in die Slowakei. Was veranlasst ihn dazu, sich dieser Vergangenheit doch zu stellen?
Ich glaube, die Begegnung mit Ali war der letzte Kick. Er hatte ja 40 Jahre keinen Kontakt zum Vater, weil der damals aus dem Knast zurückkam und sich überhaupt nicht verändert hatte. Da hat er mit dem Vater gebrochen und hat, was wir Österreicher vielleicht besser können als manch andere, verdrängt. Nun ist er mit dem Buch konfrontiert, das der Vater hinterlassen hat, und durch das der Jude rekonstruieren will, wo seine Eltern umgekommen sind. Erst dadurch versteht Georg, auf welch fatale Art dieses Buch doch authentisch ist, auch wenn darin sicher viel gelogen und beschönigt ist. Dann machen die beiden sich auf und lernen was dabei.

Teilen Sie den Eindruck, dass sich die Nachgeborenen der Kriegsgeneration lange nicht mit dem Thema auseinandergesetzt haben?
Ich habe Kriegserzählungen gehört, jedoch nicht von meinem Vater. Mein Vater war zwar sechs Jahre bei der deutschen Wehrmacht, aber er war Dentist und Zahntechnikermeister, kein Akademiker. Dadurch hatte er keinen hohen Dienstrang und während des Krieges die meiste Zeit in der Zahnstation gearbeitet. In den letzten Kriegsmonaten hatte er Scharlach, dadurch war er im Lazarett und ist nicht in Gefangenschaft gekommen, da hatte er Riesenglück. Was er mir hinterlassen hat, war eine flammende Aufforderung, alles daran zu setzen, dass es nie wieder Krieg gibt. Er hat gesagt, diese sechs Jahre seiner Jugend, diese wichtigste Zeit, hat er vergeudet für den Blödsinn.

Und abseits Ihres Vaters?
Es gab schon Leute, die ganze Abende lang von ihren "Heldentaten" erzählt haben. Das hört man sich dann an, so wie junge Leute sich heute brutale Videos angucken. Es ist leider irgendwie losgelöst, abstrakt. Man kann sich das nicht wirklich vorstellen. In dem Moment, wo man wirklich Zeuge wird - und sei es nur durch ein Indiz, mit dem man sich identifiziert, zum Beispiel wenn es jemanden getroffen hat, den man kennt -, bekommt das ganze Realitätswert. Gewusst hat man das alles. Ich finde, das Entscheidende ist, wie man nach dem Krieg damit umgeht. Es gibt Leute, die sofort die Konsequenz gezogen haben und diejenigen, die bis heute alles leugnen und nur das sagen, was salonfähig ist. Deswegen ist so ein Film gut: Weil er das nochmal anstößt, und zwar in dieser Generation. Georg hat ja auch als Verdränger gelebt, aber gerade noch die Gelegenheit wahrgenommen, sich der Vergangenheit zu stellen.

Kommentare