Wenn die deutsche
Komödienwalze donnert

Heinz Sichrovsky über Carlo Goldonis "Diener zweier Herren" am Burgtheater

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Komödienwalze donnert

Der Diener Truffaldino verdingt sich unerlaubterweise bei zwei vornehmen Reisenden, die zur selben Zeit im selben venezianischen Gasthaus abgestiegen sind, ohne von einander zu wissen. Die beiden sind ein Liebespaar, das sich verzweifelt gegen eine Welt der Korruption und Gewinngier stemmt. In der muss sich auch Truffaldino unter Aufbietung all seiner Bauernschläue behaupten, und, siehe da: Am Ende kommen alle zusammen, die es verdienen. Der soziale Ansatz und die herrlichen, auf den Typen der Commedia dell’arte beruhenden Gestalten haben Goldonis Werk die Zeiten überdauern lassen und epochale Regisseure wie Max Reinhardt und Giorgio Strehler für das Stück begeistert. Der Bayer Christian Stückl, der einst einen geglückten Salzburger „Jedermann“ verantwortete, ist ein Mann des Volkstheaters und ein glänzender Handwerker. Ihm den „Diener zweier Herren“ und eine teils fulminante Besetzung anzuvertrauen, war naheliegend.

Stückl langt ins Volle. Bekannt ansehnliche Menschen wie Mavie Hörbiger (mit einem Schrecknis von Nase) und Peter Simonischek (mit monströsem Gebiss) werden ebenso grausam wie vergnüglich entstellt, der durchaus virtuos geführte Holzhammer ist im Dauerbetrieb, Akteure und Zuschauer kommen kaum zu Atem, in solch unerbittlichem Tempo donnert die Komödienwalze ihrer Wege. Stückl verlegt die Ereignisse, durchaus plausibel, in die Welt der Mafia, wofür ihm Stefan Hageneier die Drehbühne praktikabel verbaut hat. Was der insgesamt sehenswerten Aufführung fehlt, sind Ruhepunkte, Augenblicke des Innehaltens und Atemholens, der Liebe und des durch sie verursachten Schmerzes. Auch leidet die am Burgtheater aus verschiedenen Übersetzungen und Bearbeitungen erstellte Spielfassung an teutonischer Überdeutlichkeit des Wortwitzes.

Einzelne Schauspieler erheben sich souverän über diese Erschwernisse: Johann Adam Oest und Peter Simonischek schöpfen aus Erfahrungen in den Spitzenregionen der Theaterkunst, bleiben gelassen selbst auf dem Höhepunkt komödiantischer Raserei. Sebastian Wendelin ist ein begabter Komiker, Andrea Wenzl als Liebende in Männerkleidern kann sogar etwas Poesie von Shakespeare’schem Format mobilisieren, Mavie Hörbiger legt ein Stück virtuoser Verstellungskunst vor, und Hans Dieter Knebels Wirt ist eine Kostbarkeit im dritten Fach.

Markus Meyers Truffaldino steht im Zentrum der Ereignisse, ohne den Protagonistenrang ganz einnehmen zu können. Weder Witz noch akrobatische Selbstentäußerung sind ihm abzusprechen, doch merkt man bisweilen die Bemühung, und dann meldet die Knallkomödie, diese trampelige Schwester des Schwanks, ihre Rechte an.

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