Darum verzichtet Erwin Pröll auf
seine wohl letzte Hofburg-Chance

Lieber mächtig in St. Pölten als wichtig in Wien

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Fakten - Darum verzichtet Erwin Pröll auf
seine wohl letzte Hofburg-Chance

Eine Kandidatur des 69-Jährigen hätte nicht einer gewissen Logik entbehrt. Es ist wohl mehr als nur ein Gerücht, dass Pröll vor sechs Jahren gerne gegen Amtsinhaber Heinz Fischer in die Wahl gezogen wäre, von seinem Neffen Josef Pröll, damals ÖVP-Chef, aber aus strategischen Gründen daran gehindert wurde.

Nun hätte sich die Gelegenheit geboten, diese für Pröll ungewöhnliche Scharte auszubessern. Dies galt umso mehr, als sich die Partei mit unterschiedlicher Hingabe, aber geschlossen öffentlich darum bemühte, den Landeshauptmann zu einer Kandidatur zu bewegen. Einerseits sucht die ÖVP schon lange nach einem Wahlsieg auf Bundesebene, für den der versierte Wahlkämpfer Pröll wohl sorgen hätte können, andererseits hätte es die Bundespartei auch nicht gestört, wäre in St. Pölten ein weniger machtbewusster Landeshauptmann ans Ruder gekommen.

© Profil Walter Wobrazek

Roulette des Scheiterns

Diese Machtposition, die sich Pröll in seinen 23 Jahren im Amt aufgebaut hat, wird wohl einer der Gründe gewesen sein, warum er es letztlich - übrigens ohnehin all seinen öffentlichen Äußerungen entsprechend - gelassen hat. Wäre Pröll gescheitert, was nicht sehr wahrscheinlich aber auch nicht unmöglich gewesen wäre, hätte seine doch glanzvolle Karriere mit einem üblen Dämpfer geendet und er hätte früher als gewünscht die Machthebel gegen den Spazierstock eintauschen müssen.

»Niederlagen sind etwas, das Pröll lange nicht mehr gewöhnt ist. «

Niederlagen sind etwas, das Pröll lange nicht mehr gewöhnt ist. Hätte er nach seinem ersten Antritt 1993 mit dem Verlust der absoluten Mehrheit für die ÖVP und einem schwachen Abschneiden beim darauf folgenden Landesparteitag im Zorn noch fast alles hingeschmissen, kann man sich heute ein Niederösterreich ohne Pröll gar nicht mehr richtig vorstellen.

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Längst ist das gelb-blaue Land wieder fest in schwarzer Hand. Nicht nur in Mandaten sondern sogar in Stimmen konnte Pröll bei den vergangenen drei Urnengängen die "Absolute" erobern, ein Erbe, das seinen Nachfolgern dereinst wohl auf den Schultern drücken wird.

Wenig Gegenwind in der Hofburg

Worauf sich Pröll nach seinem Verzicht auf die Hofburg verlassen kann, ist dass er auch in den kommenden Jahren seiner Amtszeit wenig Gegenwind zu erwarten hat. Längst hat der mit harter Hand regierende Landeshauptmann die politischen Gegner im Land eingekocht oder kalt gestellt. Landesparteiintern wird er ohnehin wie ein Heiliger verehrt.

Dorfverschönerer

Die Bevölkerung wiederum dankt ihm das Selbstbewusstsein, das dem Land, das früher gerade einmal als Umland Wiens wahrgenommen wurde, im vergangenen Vierteljahrhundert eingeimpft wurde. Begonnen mit einem Dorfverschönerungsprogramm über eine massive Aufwertung der Kulturszene, eine durchaus nicht unerfolgreichen Tourismusstrategie bis hin zu einer bemerkenswerten Wissenschaftsoffensive war dem geborenen "Christkindl" Pröll fürs eigene Land kaum etwas zu teuer, erkauft freilich auch mit einer gehörigen Verschuldung.

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An diesem Kurs wird Pröll kaum allzu viel ändern. Auch die Bundespolitik sollte nicht darauf hoffen, dass Pröll wegen seines Hofburg-Verzichts nun weniger laut auf den Tisch klopfen sollte. Im Gegenteil wird sich der vierfache Familienvater nun noch mehr als Landesvater in Szene setzen - womöglich noch über die Landtagswahl im Jahr 2018 hinaus, sollte ihm danach sein. Verbieten würde er es sich kaum lassen.

Zur Person:

Erwin Pröll, geboren am 24. Dezember 1946 in Ziersdorf-Radlbrunn, Doktor der Agarökonomie, verheiratet, Vater von vier Kindern (drei Söhne, eine Tochter), niederösterreichischer Landesrat ab 1980, ab 1981 stellvertretender Landeshauptmann, seit 23.10.1992 Landeshauptmann von Niederösterreich.

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