Bundeskanzlerin Bierlein schlägt
Hahn als EU-Kommissar vor

Hauptausschuss entscheidet kommende Woche

Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein will Johannes Hahn (ÖVP), bisher EU-Kommissar für Europäische Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsverhandlungen, als österreichisches Mitglied der EU-Kommission nominieren.

von Dritte Funktionsperiode? - Bundeskanzlerin Bierlein schlägt
Hahn als EU-Kommissar vor © Bild: AFP or licensors

"Im Lichte der bisherigen Gespräche mit den im Nationalrat vertretenen Parteien beabsichtige ich, der Bundesregierung vorzuschlagen, vorbehaltlich des Einvernehmens mit dem Hauptausschuss des Nationalrates", Hahn zu nominieren, so Bierlein. Sie leite das Verfahren zur Nominierung des österreichischen Mitgliedes der Kommission nun "im Sinne der vollen Handlungsfähigkeit Österreichs" ein. Sie ersuche Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) schriftlich, "Konsultationen im Hauptausschuss des Nationalrates über diesen Vorschlag zu führen" und sie "vom Ergebnis zu informieren", so Bierlein. Der Hauptausschuss findet wahrscheinlich Ende der kommenden Woche statt, hieß es in Parlamentskreisen.

Doch keine weibliche Kandidatin

Sowohl die ehemaligen Koalitionspartner ÖVP und FPÖ als auch die Liste JETZT kündigten Donnerstagnachmittag an, den früheren Wiener ÖVP-Obmann zu unterstützen. Auch SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner erklärte ihre Zustimmung unter Vorbehalten, auch wenn sie lieber eine Kandidatin als Alternative gehabt hätten. Die NEOS hätten sich ebenfalls eine weibliche Kandidatin gewünscht. Und die Grünen forderten einen Dreier-Vorschlag.

ÖVP-Klubobmann August Wöginger erklärte, Hahn sei ein sehr erfahrenes Kommissionsmitglied und in Europa bestens vernetzt und über die Parteigrenzen hinweg angesehen. Mit ihm werde Österreichs Verlässlichkeit und Kontinuität in der EU Kommission fortgesetzt.

»Es ist eine kluge Entscheidung, in der jetzigen Situation«

FPÖ-Chef Norbert Hofer meinte, er habe mit Kanzlerin Bierlein schon darüber gesprochen. "Es ist eine kluge Entscheidung, in der jetzigen Situation einen erfahrenen Kommissar zu nominieren, der in der Kommission das nötige Gewicht einbringt", sagte Hofer zur APA.

Rendi-Wagner, forderte Hahn auf, sich dazu zu bekennen, eine ganze Periode zu machen, da es nur so Chancen gebe, dass Österreich ein wichtiges Ressort erhält. Lieber wäre es der SPÖ-Chefin freilich gewesen, hätte die Regierung eine Frau nominiert, da sie wie die designierte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen der Meinung sei, dass die Kommission weiblicher werden sollte. Der SPÖ-Delegationsleiter im EU-Parlament Andreas Schieder forderte Bierlein auf, auch einen Vorschlag mit einer weiblichen Kandidatin zu unterbreiten.

Die gleiche Meinung vertrat NEOS-EU-Parlamentarierin Claudia Gamon. Sie hätte sich sehr gewünscht, dass auch eine Kandidatin ins Rennen geschickt werde: "Von unserer ersten Bundeskanzlerin hätte ich mir dahin gehend mehr erhofft." Zudem betont Gamon die aus ihrer Sicht bestehende Notwendigkeit eines öffentlichen Hearings: "Die Abgeordneten müssen die Chance bekommen, Fragen zu stellen, um eine fundierte Entscheidung treffen zu können."

Für einige bleibt er ein Kompromisskandidat

Bessere Kandidaten hätte sich der geschäftsführende Klubobmann der Liste JETZT Wolfgang Zinggl vorstellen können. Er verstehe aber, dass es schwierig sei, in der aktuellen politischen Situation Mehrheiten zu bilden. Nachdem Hahn in den vergangenen Jahren als Kommissar eine gute Arbeit geleistet und auch im Interesse Österreichs agiert habe, "werden wir ihn als Kompromisskandidaten natürlich unterstützen."

Die Grüne EU-Delegationsleiterin Monika Vana forderte die Bundesregierung auf, drei Kandidaten für den zukünftigen EU-Kommissar vorzuschlagen. Ein Dreier-Vorschlag würde dem künftigen EU-Kommissionsvorsitz eine Auswahl bieten. Vana betonte nichtsdestotrotz, dass sie die Arbeit von Kommissar Hahn "sehr schätze".

Die nominierte EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen wollte den Vorschlag von Bundeskanzlerin Bierlein nicht kommentieren. Jens Flosdorff, der Sprecher der amtierenden deutschen Verteidigungsministerin, verwies auf APA-Anfrage am Freitag darauf, dass von der Leyen bereits am Mittwoch im EU-Parlament klargemacht habe, dass sie keine Entscheidungen oder Festlegungen auf Portfolios treffen könne, solange sie nicht gewählt sei.

Noch keinen Kontakt mit von der Leyen

Von der Leyen war im EU-Parlament allerdings für eine Frauenquote von 50 Prozent in der künftigen EU-Kommission eingetreten. Sie fliegt planmäßig am heutigen Donnerstag zurück von Brüssel nach Berlin. Die Abstimmung über ihre Nominierung zur EU-Kommissionspräsidentin findet am Dienstagabend statt.

Hahn selbst hatte seit ihrer Designierung keinen Kontakt mit der designierten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Das sagte er im Interview mit "Kleiner Zeitung"/"Neuer Vorarlberger Tageszeitung". Das heiße aber nicht, dass er die bisherige deutsche Verteidigungsministerin nicht kenne. Er habe als EU-Kommissar wiederholt Kontakt mit ihr gehabt, erklärte Hahn.

So schätzt sich Johannes Hahn selbst ein

Als Grund für seine neuerliche Nominierung durch Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein sieht Hahn seine gute Arbeit und dass es ihm immer wichtig gewesen sei, über die Parteigrenzen hinweg an gemeinsamen Lösungen zu arbeiten.

Seine Chancen, Vizepräsident der Kommission zu werden, will Hahn nicht einschätzen. Dies sei eine Entscheidung der Kommissionspräsidentin. Auf ein Wunschressort legt sich Hahn ebenfalls nicht fest. Er geht davon aus, dass es bei der Bildung der Kommission Gespräche geben werde, wo er seine Expertise und Erfahrung am besten einbringen könne. Derzeit ist Hahn für Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsverhandlungen zuständig. In seiner ersten Amtsperiode betreute er die europäische Regionalpolitik.

Dritte Funktionsperiode als EU-Kommissar

Für den ehemaligen Wissenschaftsminister und Wiener Ex-ÖVP-Chef mit Spitznamen "Gio" wäre es seine dritte Funktionsperiode als EU-Kommissar. Für die EU-Kommission Barroso II war Hahn für Regionalpolitik zuständig gewesen. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker teilte dem Wiener 2014 die Bereiche Europäische Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsverhandlungen zu. Gemeinsam mit der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini leitete Hahn eine umfassende Reform der EU-Nachbarschaftspolitik in die Wege.

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