Schwere Vorwürfe
gegen Bundesheer-Soldaten

Österreichischen Blauhelme ließen Syrer am Golan in den sicheren Tod fahren

Schwere Vorwürfe gegen Bundesheer-Soldaten: Einem am Freitag veröffentlichten Video zufolge haben österreichische Blauhelme im September 2012 auf den Golan-Höhen zugelassen, dass syrische Geheimpolizisten in den Tod fuhren, obwohl den Soldaten dieser sicher zu sein schien.

von
Massaker am Golan - Schwere Vorwürfe
gegen Bundesheer-Soldaten

Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) setzte eine Untersuchungskommission ein, die Oppositionsparteien drängten auf eine rasche und transparente Aufklärung.

»Sie hätten die Pflicht gehabt, die Syrer zu warnen«

Das offenbar von den Blauhelmen selbst angefertigte Video wurde von der Wiener Stadtzeitung "Falter" veröffentlicht und zeigt, wie die Syrer in einem Hinterhalt von Kriminellen getötet werden. Der Völkerrechtler Manfred Nowak sagte, dass den Blauhelmen schlimmstenfalls eine Anklage wegen Beihilfe zum Mord drohen könnte. "Sie hätten die Pflicht gehabt, die Syrer zu warnen", betonte der Wiener Universitätsprofessor.

Was auf dem Video zu sehen ist

Auf dem Video ist zu sehen, wie die Kriminellen den Hinterhalt in der kargen Berglandschaft errichten. Etwa eine Stunde später soll dann ein weißer Toyota mit syrischen Geheimpolizisten auf der Ladefläche aufgetaucht sein, der auf dem Weg zum Hinterhalt den österreichischen Wachposten passieren musste. Die Syrer seien ausgestiegen und hätten mit den Österreichern gesprochen, doch hätten diese sie weitergewunken.

»Wenn da aner überbleibt, kummt er umma und schießt uns ab«

"Normal musst das de Hund sagen", sagte einer der Blauhelme nach der Weiterfahrt seinem Kollegen. Begründung: "Wenn da aner überbleibt, kummt er umma und schießt uns ab." Die Blauhelme filmten dann das von ihnen erwartete Geschehen mit. "Des ist a Himmelfahrtskommando. Bist du deppert", wurden die tödlichen Schüsse auf den Geländewagen kommentiert. Nachdem sie bei einem der Opfer noch Lebenszeichen zu erkennen glaubten, diskutierten die Blauhelme über die Sinnhaftigkeit, ein Rettungsauto zu schicken.

UNO-Soldaten waren nicht neutral

Die österreichischen UNO-Soldaten hätten den Syrern "wider besseres Wissen eine falsche Auskunft gegeben", kommentierte Nowak die Aufnahmen. Er verwies auch auf Berichte, wonach die Blauhelme zuvor mit den Kriminellen in Kontakt gewesen seien und ihnen Wasser gegeben hätten. "Sie waren nicht neutral. Sie haben der einen Seite Rückendeckung gegeben", folgerte der Wiener Universitätsprofessor.

»Die Vorfälle werden lückenlos und minutiös aufgeklärt werden«

Verteidigungsminister Kunasek gab kurz nach der Veröffentlichung des Videos die Einsetzung einer Untersuchungskommission bekannt. "Ich möchte so schnell wie möglich wissen, was im September 2012 tatsächlich passiert ist. Die Vorfälle werden lückenlos und minutiös aufgeklärt werden", versprach er in einer Aussendung. Bis Ende Mai müsse die Untersuchung abgeschlossen sei. Es werde geprüft, ob gegen die Einsatzregeln verstoßen worden sei und Straftatbestände verwirklicht worden seien. Bei Bedarf werde den betroffenen Soldaten Rechtshilfe angeboten. Laut einem Sprecher des Verteidigungsministeriums sind die Untersuchungen noch ganz am Anfang. Weder die Identität der beteiligten Blauhelme sei festgestellt noch ihre Zahl, sagte der Sprecher. Geprüft werde auch, ob die damalige Episode zum Golan-Abzug beigetragen habe.

Abzug stieß auf scharfe Kritik

Österreich war jahrzehntelang der größte Truppensteller auf den Golan-Höhen, bis im Juni 2013 überhastet ein mit Sicherheitsbedenken begründeter Abzug verkündet wurde. Dieser stieß auf scharfe Kritik. In dem Gebiet sorgt seit dem Jahr 1974 eine Truppe von Blauhelm-Soldaten für die Einhaltung des Waffenstillstandes zwischen Israel und Syrien. Die UNO-Soldaten sind zu strikter Zurückhaltung verpflichtet und dürfen etwa ihre Waffen nur zur Selbstverteidigung einsetzen. Völkerrechtler Nowak betonte aber, dass die Pflicht zur Neutralität nur zwischen den Konfliktparteien Israel und Syrien gelte, nicht aber gegenüber Kriminellen.

SPÖ-Verteidigungssprecher Rudolf Plessl, dessen Partei während des Vorfalls den Verteidigungsminister stellte, begrüßte die Einsetzung der Untersuchungskommission und forderte "rasche und vollständige Aufklärung". NEOS-Verteidigungssprecher Douglas Hoyos forderte ebenfalls Aufklärung sowie "größtmögliche Transparenz". "Eine offene Frage ist auch, ob der Golanabzug im Jahr 2013 durch diesen Vorfall begründet werden kann", schrieb Hoyos in einer Aussendung. Die außenpolitische Sprecherin der Liste Pilz, Alma Zadic, forderte, dass die von Kunasek eingesetzte Kommission "absolut unabhängig" sein müsse. Außerdem sei das Parlament in die Untersuchung einzubinden, so Zadic. "Wir behalten es uns vor, den 'Nationalen Sicherheitsrat' zu diesem Fall einzuberufen."

Darabos: Habe aus dem Teletext davon erfahren

Ex-Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) hatte keine Kenntnis von dem Vorfall mit neun toten Syrern auf dem Golan, der sich während seiner Amtszeit im Jahr 2012 zugetragen hat. "Ich bin in Kenntnis gesetzt worden vom ORF-Teletext", sagte Darabos am Freitagnachmittag mit Blick auf die aktuellen Medienberichte. "An mich als Minister ist so ein Vorfall nie herangetragen worden."

Darabos wies darauf hin, dass er damals selbstverständlich eingeschritten wäre. "Es sind in mehreren Fällen, wo es um kleinere Geschichten gegangen ist, die Leute sofort repatriiert worden", sagte der langjährige Verteidigungsminister (2006-13). Sollten sich die Vorwürfe erhärten, sei er dafür, die Betroffenen aus dem Bundesheer zu werfen. Verwundert zeigte sich der burgenländische Soziallandesrat, dass das Video mehrere Jahre nach dem Vorfall bekannt geworden sei. Er hatte jüngst scharfe Kritik an Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wegen des "Drüberfahrens" beim Thema Mindestsicherung geübt.

Auf die Frage nach dem im Juni 2013 verkündeten Abzug der österreichischen Blauhelme vom Golan sagte Darabos, er schließe "für mich" einen Zusammenhang mit dem Vorfall aus. "Ich hätte es nicht gemacht", distanzierte er sich von der unter seinem Nachfolger Gerald Klug (SPÖ) verkündeten Entscheidung.

Möglicherweise Besondere Kontakte mit Schmugglern

Nicht ausschließen wollte Darabos, dass die österreichischen Blauhelme besondere Kontakte mit den Schmugglern gehabt haben könnten, in deren Hinterhalt die syrischen Polizisten gefahren seien. "Das könnte so sein", sagte der SPÖ-Politiker. Bei seinen Besuchen auf dem Golan habe er nichts davon gemerkt, aber solche Dinge werde man dem Minister kaum erzählen.

Die Mission am Golan sei "einer der renommiertesten Einsatze des Bundesheeres gewesen", sagte Darabos. Der nun bekannt gewordene Vorfall "ist nicht ein Ruhmesblatt". Man dürfe sich aber die jahrzehntelange gute Arbeit nicht durch "Einzelpersonen" zerstören lassen. "Ich hoffe, dass die Reputation nicht unter diesem Einzelfall leidet", sagte der frühere SPÖ-Minister.

Kommentare