Darum sind die Staatschulden gesunken

Das unerwartet hohe Wirtschaftswachstum und die niedrigen Zinsen für die Staatsschulden erleichtern die Budgetsanierung nach der Coronakrise. Warum die Schulden zurückgegangen sind und welche Kritikpunkte es bezüglich des neuen Budgetplans gibt.

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Darum sind die Staatschulden gesunken

Finanzminister Gernot Blümel rechnet für das kommende Jahr mit einem gesamtstaatlichen Defizit von 2,3 Prozent der Wirtschaftsleistung und sinkenden Schulden, wie er im Vorfeld seiner zweiten Budgetrede vor Journalisten sagte. Im April hatte Blümel noch ein Minus von 4,3 Prozent und Rekordschulden von 89,6 Prozent erwartet.

Gründe für Schuldenrückgang

Blümel geht davon aus, dass die Schuldenquote trotz der in mehreren Etappen geplanten Steuerreform von heuer 83,2 Prozent im kommenden Jahr auf 82,8 und dann weiter auf 72,5 Prozent im Jahr 2025 sinkt. "Das war so nicht vorhersehbar", sagte Blümel. Als Gründe für die positivere Entwicklung nannte er das deutlich höhere Wirtschaftswachstum mit entsprechend steigenden Steuereinnahmen, die niedrigen Zinsen für die Staatsschulden sowie die gestaffelte Steuerreform, die nicht alle Entlastungen sofort wirksam werden lässt.

Aus Sicht des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) gibt es für den überraschend starken Rückgang der Staatsschulden folgende Gründe: Erstens geringere Ausgaben bei Coronahilfen, Pensionen und Zinsen, zweitens höheres Wachstum und damit verbunden auch deutlich höhere Steuereinnahmen und drittens ein (wenn auch geringerer) Beitrag durch den EU-Wiederaufbaufonds. Damit dürften die Staatsschulden 2025 nur noch knapp über dem Wert vor der Coronakrise liegen. "Das heißt aber nicht, dass wir nicht doch längerfristig Spielräume schaffen müssen für weitere Zukunftsinvestitionen", so die Wifo-Expertin.

Bund: 86,4 Mrd. Euro Einnahmen

Das gesamtstaatliche Defizit von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen soll nach einem massiven Anstieg auf 8,3 Prozent der Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt/BIP) im Corona-Jahr 2020 heuer auf 6,0 Prozent sinken und 2022 weiter auf 2,3 Prozent zurückgehen. 2025 soll das Minus bei 0,4 Prozent des BIP zu liegen kommen. In diesem Jahr soll dann auch ein (um Konjunkturschwankungen und Einmaleffekte bereinigtes) "strukturelles Nulldefizit" erreicht werden.

Allein der Bund wird im kommenden Jahr 86,4 Mrd. Euro einnehmen (ein Plus von 14 Mrd. Euro) und 99,1 Mrd. Euro ausgeben. Damit bleibt ein Defizit von 12,6 Mrd. Euro. Zum Vergleich: Für heuer hatte Blümel im Bundesbudget ursprünglich ein Defizit von 30,7 Mrd. Euro eingeplant. Tatsächlich dürfte aber auch die heurige Bilanz besser als ursprünglich befürchtet ausfallen. Das Bundesdefizit soll laut Finanzministerium heuer in etwa beim Wert von 2020 (22,5 Mrd. Euro) zu liegen kommen.

Wifo sieht zukunftsorientierte Schwerpunkte, aber auch Lücken

Das Wirtschaftsforschungsinstitut lobt die im Budget 2022 geplanten Investitionen in Klimaschutz, Mobilität und Digitalisierung der Bildung. Die Steuerreform könnte die kalte Progression bis 2025 abdecken, sagt Wifo-Budgetexpertin Margit Schratzenstaller. Als positiv wertet sie die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge für geringe Einkommen. Weitere Schritte zur Reform der Steuerstruktur vermisst sie aber. Bei den CO2-Preisen würde das Wifo "nachschärfen".

Angesichts der deutschen Debatte über eine Erhöhung des CO2-Preises findet Schratzenstaller den ab Juli kommenden Jahres geplanten Einstiegspreis von 30 Euro je Tonne CO2 "relativ niedrig". Auch der in den kommenden Jahren geplante Anstieg auf 35, 45 und 55 Euro könnte aus ihrer Sicht ambitionierter ausfallen.

Was Schratzenstaller im Budget vermisst, ist eine Reform der Steuersstrukturen. Hier plädiert sie für die eigentlich angekündigte Kürzung ökologisch schädlicher Steuerausnahmen. Stattdessen werden die niedrigere Besteuerung des Diesel beibehalten und beim CO2-Preis neue Ausnahmen geschaffen. Letztere sollen energieintensive Unternehmen vor den Folgen des CO2-Preises schützen. "Da sollte man diskutieren, die Ausnahmen zeitlich zu befristen. Als Übergangsregelung spricht nichts dagegen", sagt Schratzenstaller. Auch eine Lohnnebenkostensenkung für Unternehmen vermisst die Wifo-Expertin.

Nicht im Budget finden sich außerdem die im Regierungsprogramm angekündigten Investitionen in den Ausbau der Kinderbetreuung sowie die Pflegeversicherung. Die angepeilte Entwicklungshilfe in Höhe von 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung sieht sie ebenfalls nicht in Reichweite. Auch Maßnahmen zur Anhebung des tatsächlichen Pensionsantrittsalters vermisst Schratzenstaller.

Kritik von Frauenorganisationen

Vor der Budgetrede haben Frauenorganisationen kein gutes Haar an den Finanz- und Steuerplänen der türkis-grünen Bundesregierung gelassen. Die Mittel für Gleichstellung, feministische Arbeit und Gewaltschutz seien "viel zu gering". Zudem verdiene die ökosoziale Steuerreform ihren Namen nicht, sei sie doch unsozial sowie unökologisch.

Die Frauenorganisationen verlangen jährlich 228 Millionen für Gleichstellungspolitik und Gewaltprävention. Zudem seien österreichweit zusätzlich 3.000 Vollzeitarbeitsplätze für den Opferschutzbereich nötig. Statt Geschenke an Besserverdiener und Konzerne sollte es Investitionen in Bildung, Kinderbetreuung und Pflege geben.

Steuersenkungen sollen 31.000 Jobs bringen

Die von der Regierung angekündigte Steuerreform, die in mehreren Stufen erfolgen wird, soll im Vollausbau ab dem Jahr 2025 jährliche Steuerentlastungen von rund 7,8 Mrd. Euro bringen. Bis 2025 soll die Entlastung kumuliert mehr als 18 Mrd. Euro betragen, sagt Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) und verweist auf eine Schnellschätzung von Eco Austria. Durch die Reform soll die Wirtschaftsleistung um ein Prozent steigen, 31.000 zusätzliche Jobs sollen entstehen, so der Plan.

»Wir lassen nicht alle Entlastungen gleich wirksam werden«

Nach dem pandemiebedingten Rückgang der Bruttosteuereinnahmen in Jahr 2020 und der beginnenden Erholung im laufenden Jahr sollen die Steuereinnahmen 2022 trotz der geplanten Entlastungen um gut acht Prozent über dem Vorkrisenniveau 2019 liegen, heißt es im heute veröffentlichten Budgetbericht.

"Wir lassen nicht alle Entlastungen gleich wirksam werden", sagte Blümel am Dienstagabend vor Journalisten. "Das spätere Inkrafttreten der KöSt-Senkung und der Senkung bei der zweiten Einkommenstufe, all das schafft zusätzlichen Spielraum, der sich auch in der sinkenden Schuldenquote abbildet."

Ein Kernelement der "ökosozialen Steuerreform" ist der CO2-Preis, der ab Juli 2022 mit 30 Euro starten und dann auf 35, 45 und 55 Euro ansteigen soll. Über den "Klimabonus" soll das Geld wieder an die Bevölkerung zurückfließen, wobei in Landgemeinden mehr ausgezahlt wird als in den Städten. Im ersten Jahr sollen so 1,25 Mrd. Euro fließen, obwohl der CO2-Preis erst ab Juli eingehoben wird und damit nur eine halbe Mrd. Euro einbringen soll. Danach sollen die Einnahmen bis 2025 auf 1,7 Mrd. Euro ansteigen, ausgezahlt werden sollen in diesem Jahr 1,5 Mrd. Euro.

Die geplanten Steuersenkungen sollen stufenweise erfolgen: Die 2. Einkommensstufe wird von 35 auf 30 Prozent ab Juli 2022 gesenkt, die 3. Einkommensteuerstufe von 42 auf 40 Prozent ab Juli 2023. Der Familienbonus wird von 1.500 auf 2.000 Euro pro Kind und Jahr ab 1. Juli 2022 angehoben. Dennoch werden auch bei der Lohnsteuer Mehreinnahmen erwartet.

Dass die Lohnsteuer-Tarife zur Jahresmitte gesenkt werden, stellt aus Sicht des Finanzministeriums kein Problem bei der Umsetzung dar. Unternehmen hätten ja eine Jahresveranlagung und könnten z.B. die Senkung von 35 auf 30 Prozent ab Juli 2022 für das ganze Jahr mit einem Mittelwert von 32,5 Prozent rechnen. Bei den Arbeitnehmern soll es zur Mitte des Jahres eine Aufrollung geben und danach wird in der Lohnverrechnung mit dem Tarif ab 1. Juli weitergearbeitet. Bei der Arbeitnehmerveranlagung könne man wie bei den Unternehmen mit einem Mischsatz für das ganze Jahr rechnen.

Eine weitere Säule der Reform ist die Senkung der Körperschaftsteuer (KöSt) auf Unternehmensgewinne im Jahr 2023 von derzeit 25 auf zunächst 24 Prozent gesenkt und im Jahr darauf auf 23 Prozent. Diese Maßnahmen soll für die Unternehmen im Jahr 2024 eine Entlastung um 300 Mio. Euro bringen und 2025 700 Mio. Euro. Durch das stärkere Wirtschaftswachstum sollen die KöSt-Einnahmen trotzdem steigen.

Der Entfall der Eigenstrom-Steuer für erneuerbare Energie soll im Zeitraum 2022 bis 2025 in Summe eine Entlastung von 190 Mio. Euro bedeuten, der Öko-Investitionsfreibetrag 700 Mio. Euro.
Der Gewinnfreibetrag, den natürliche Personen mit betrieblichen Einkunftsarten in Anspruch nehmen können, wird von 13 auf 15 Prozent erhöht, die daraus resultierende Entlastung auf 150 Mio. Euro geschätzt. Die Erhöhung der Grenze für geringwertige Wirtschaftsgüter auf 1.000 Euro bringt 250 Mio. Euro Erleichterung. Damit besonders energie- und CO2-intensive Unternehmen nicht zu sehr draufzahlen, soll es unter dem Titel "Carbon Leakage, Härtefall-Regelung und sonstige Maßnahmen" ebenfalls Entlastungen in Höhe von 825 Mio. Euro geben.

Blümel verteidigt die KöSt-Senkung anstelle einer stärkeren Entlastung bei den Lohnnebenkosten. "Die KöSt-Senkung hat einfach einen größeren Wachstumseffekt als andere Maßnahmen." Eine Senkung der Lohnnebenkosten käme vor allem großen Unternehmen zugute. "Die KöSt ist eine wesentlich größenneutralere Entlastung für die Wirtschaft als es die Lohnnebenkosten in der Breite wären." Außerdem werde die Senkung des Krankenversicherungsbeiträge für kleine Einkommen ohnehin eine Entlastung um ca. 700 Mio. Euro bringen, betonte Blümel.