Bruce Springsteen
über Bruce Springsteen

Ausgewählte Highlights aus der jetzt veröffentlichten Autobiografie des Bosses

Es gibt unzählige Bücher über Bruce Springsteen, sein Leben, seine Musik, seine Karriere. Doch nun spricht der Boss selbst – in seiner 672-Seiten starken Autobiografie „Born to Run“, die er im Laufe der letzten sieben Jahren verfasste. Darin spricht der außergewöhnliche Musiker über seine Kindheit, seine Anfänge, seinen großen Aufstieg, seine Liebe, seine Familie und vor allem auch immer wieder über seine Ängste und Zweifel, die den Superstar auch mit über 60 Jahren noch begleiten. Bruce Springsteen über…

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Born To Run - Bruce Springsteen
über Bruce Springsteen

…seine Eltern

Springsteens Mutter, Adele, wurde in eine verhältnismäßig wohlhabende Familie hineingeboren, heiratete aber mit Doug Springsteen einen schwierigen Menschen, der an Depressionen litt und damit in ein Leben an der Armutsgrenze. Für Springsteen nicht nachvollziehbar. Immer wieder sprang sie für den Vater „in die Bresche und sorgte für unseren Lebensunterhalt, wann immer er so tief in seiner Depression versank, dass er nicht mal mehr aus dem Bett kam.“ „Meinen Vater konnte sie weder heilen noch verlassen, aber alles andere meisterte sie bravourös“, so der Musiker über die Frau, die er als seine ständige Beschützerin bezeichnet und erzählt von einem Vorfall, wobei er selbst zum Beschützer der Mutter mutierte: „Einmal, mitten in der Nacht, als mein Vater wieder mal von einem Kneipenbesuch zurückkehrte, hörte ich die beiden in der Küche lautstark streiten. Ich lag im Bett und hatte Angst, um sie und um mich. Ich war vielleicht neun oder zehn. Trotzdem verließ ich mein Zimmer und ging die Treppe runter – mit einem Baseballschläger in der Hand. Sie standen in der Küche, mein Vater mit dem Rücken zu mir, meine Mutter nur Zentimeter von seinem Gesicht entfernt. Er brüllte sich die Seele aus dem Leib. Ich schrie ihn an, er solle aufhören… und versetzte ihm einen dumpfen Schlag zwischen die breiten Schultern. Es wurde augenblicklich still.“

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…seinen ersten Rausch

22 Jahre lang hatte Springsteen keinen Tropfen Alkohol gekostet. Kein Verlangen danach und sein Vater „der Furcht einflößenden, alles verschlingenden Kreatur, in die er sich beim Trinken verwandelte“ waren der Grund. Doch dann, kurz vor der Fertigstellung seines ersten Albums „Greetings from Asbury Park, N.J.“, entführte ihn ein Freund in eine Bar in New Jersey, um Springsteens Nervosität mit Tequila zu dämpfen. „…und allmählich spürte ich ihn…den ersten Rausch meines Lebens. Nach einer weiteren Runde hatte ich das Gefühl, dass mir der beste Abend meines noch jungen Lebens bevorstünde.“ Sogar eine Cheerleaderin habe der spätere Boss beinahe abgeschleppt, doch aufgrund einer musikalischen Differenz wurden die beiden Freunde am Nachhauseweg aus dem Wagen der Schönheit geworfen. Was blieb war natürlich ein „hämmernder Schädel, schmerzende Glieder, staubtrockener Mund und leicht verblödeter“ Zustand am nächsten Morgen.

…Born in the USA

„Born in the USA“ erschien 1984 und etablierte Springsteen endgültig als Superstar im Musikbusiness. Die Platte enthält zahlreiche Hits, darunter auch den titelgebenden. "Born in the USA' bleibt einer meiner großartigsten und am meisten missverstandenen Songs“, so der Interpret selbst. Neben Donald Trump verwendete ihn auch schon Ronald Reagan ohne Springsteens Erlaubnis – und im missverständlichen Einsatz, was der Musiker mit den Worten quittiert: „Tja, mein Freund, wenn du einen politischen Popsong schreibst, weißt du nie, wohin die Reise geht.“ „Die Strophen dieses GI-Blues waren eine einzige bittere Abrechnung, der Refrain eine Proklamation des Einzigen, was dir niemand nehmen kann…dein Geburtsland“, beschreibt der Boss seinen wohl größten Hit unter vielen. Das Album an sich katapultierte Springsteen außerdem endgültig in den Mainstream. Dieser Schritt dahin, war allerdings kein einfacher: „Ich war schon immer zwiegespalten, was Bestsellerplatten und das Auftreten vor Massenpublikum anging, und das aus gutem Grund. Es birgt ein gewisses Risiko. Waren mir die Stadien voller Menschen, der ganze Medienrummel, das ständige Im-Rampenlicht-Stehen wirklich die ganze dafür aufgeopferte Lebenszeit wert?“ Die Antwort auf diese Frage ist Musikgeschichte.

…sein Leben off the Road

Und so sehr Springsteen auch auf Bühnen und Platten brillierte, so schlecht war er im „normalen Leben“. Und „am Ende des Tages ist das Leben immer größer als die Kunst…immer.“ Doch dieses „Leben nach der Tour war nur schwer auszuhalten. Ohne den allabendlichen Adrenalinkick wusste ich wenig mit mir anzufangen“, schildert er schonungslos. „Ich hatte keine Familie, kein Zuhause, kein echtes Leben.“ „Die Vorstellung von einem häuslichen Leben bereitete mir enormes Unbehagen“, so Springsteen weiter, um in weiterer Folge zuzugeben, dass sich darunter „ein Meer aus Angst und Depressionen, das so uferlos zu sein schien, dass ich noch nicht mal darüber nachzudenken wagte“ verbarg. Darum habe er „routinemäßig und wenig einfühlsam“ nach einer bestimmten Zeit auch die wunderbarsten Frauen wieder abserviert. Unterm Strich sei er „schlicht ein Kerl“ gewesen, „der sich in seiner eigenen Haut nicht sonderlich wohlfühlte, egal was das für eine Haut war.“ Bis sie kam:

…seine Ehefrau Patti Scialfa

Sie ist die Frau, die Springsteen erstmals nicht abservierte – und es bis heute nicht getan hat. „Irgendwann hat Patti mir mal vorgehalten, ich hätte mich die ganze Zeit ‚anderweitig umgeschaut‘…Denn als ich mich schließlich öffnete und dieses ‚anderweitig‘ einfach links liegen ließ…wartete Patti schon auf mich, nahm mich unter die Lupe, wartete, bis ich bereit war…und irgendwann war ich es tatsächlich“, so schreibt er über das Finden zweier Menschen, die einander zunächst 18 Jahre lang umkreist hatten. „In vielerlei Hinsicht waren wir beide angeschlagen, hofften aber, sofern wir nur daran arbeiteten, dass unsere kaputten Teile vielleicht auf irgendeine Weise doch zueinander passen könnten…dass daraus etwas Funktionierendes, Wundervolles entstehen könnte. Und genau das passierte.“

…seine Hochzeit

Auch am Tag der Trauung zweifelte Springsteen immer noch an seiner Partnerschafts-Fähigkeit: „Ich hatte zugelassen, dass Patti mehr über mich wusste, als je ein Mensch zuvor. Das machte mir Angst, weil es einiges an mir gab, was ich selbst nicht prickelnd fand: meine Selbstzentriertheit, meinen Narzissmus und dass ich mich immer wieder aus allem zurückzog.“ Doch der 8. Juni 1991 wurde im Rahmen von Freunden und enger Familie zu einem großen Tag und der Zweifler war „endlich dort angekommen, wo ich immer hatte sein wollen.“

...seine Rolle als Vater

Drei Kinder hat Bruce Springsteen gemeinsam mit Patti Scialfa: Evan, Jessica und Sam Springsteen. Es ist auch seine Familie, der das Buch gewidmet ist. Doch als Musiker, der ständig auf Tour ist und überhaupt vor vier Uhr nachts selten ins Bett geht, dafür nicht vor mittags aufsteht, gleichzeitig auch Vater zu sein, der sich geschworen hat „nie den Draht zu meinen Kindern verlieren zu wollen, so wie mein Vater ihn zu mir verloren hatte“, war kein einfaches Unterfangen. So schreibt er über seinen jüngsten Sohn, Sam: „Er ignorierte mich, gehorchte mir nicht und behandelte mich im Allgemeinen wie einen herrschsüchtigen Fremden, der auf seine kleine heranreifende Seele nur sehr geringen Einfluss hatte.“ Sam habe ihm dadurch jedoch beigebracht, dass man Kindern seinen Respekt durch Liebe erweise und dadurch, dass man sich „selbst für die kleinsten Kleinigkeiten in ihrem Leben interessiert.“ Und das war auch oder gerade für Bruce Springsteen nicht immer einfach, denn „wenn man auf Tour geht, ist man der König. Wenn man zu Hause ist, ist man es nicht. Man muss sein Verhalten entsprechend anpassen, damit die eigene ‚Königlichkeit‘ nicht alles zerstört.“ Um die Musik des Vaters, die Millionen Menschen verehrten, wurde im Hause Springsteen in den jungen Jahren der Kinder übrigens wenig Aufsehen gemacht: „Meine Kinder hätten ‚Badlands‘ nicht mal von einem Loch in der Wand unterscheiden können.“

…das Altern

Mit seinen 67 Jahren würde man meinen, auch ein innerlich ständig getriebener Bruce Springsteen sei angekommen, doch „in psychischer Hinsicht waren meine Sechziger bislang ein schwerer Ritt“, so der Künstler. Grund dafür ist vor allem eine ausgedehnte Post-Tour-Depression im Jahr 2014: „Diesmal erlebte ich einen regelrechten Absturz.“ Seine sogenannte „gehetzten Depression“ beschreibt er so: „Bei allem was ich tat, fühlte ich mich unwohl. Stehen…gehen…hinsetzen…Immerzu brandete eine gehetzte Nervosität über mich hinweg, und ich versuchte alles, um sie wieder loszuwerden. Tod und Verderben waren alles, was mich zu erwarten schien, und meine einzigen Ruhepausen fand ich im Schlaf.“ Nach sechs Wochen wurde der Zustand jedoch wieder besser. „Das Einzige, was dagegen geholfen hat, war die Liebe."

Springsteen - Born to Run
© (c) Verlagsgruppe Random House GmbH, Muenchen

Fazit:


„Born To Run“ ist eine überaus mitreißende Autobiografie, die nicht nur die eingefleischten Fans von Bruce Springsteen lieben werden. Der Musiker schreibt in einem flüssigen Tempo, das ein flottes und amüsantes Lesen ermöglicht. Das Leben eines Mannes, das mit zahlreichen Höhen aber auch Tiefen gespickt ist, ist auch ohne ein großer Fan zu sein, eine aufregende Geschichte. Die Sprache mag vielleicht ein klein wenig zu einfach geraten sein (zumindest in der deutschen Übersetzung), doch die pointierte Art, Dinge zu erzählen, wie sie ein perfekter Entertainer der Marke Springsteen beherrscht, ist schlicht und einfach gute Unterhaltung. Für Fans ist es natürlich zusätzlich ein Genuss, die Lebensgeschichte ihres Idols nach zahlreichen Biografien endlich in dessen eigenen Worten erzählt zu bekommen. Und auch wenn Springsteen selbst findet „über sich selbst zu schreiben ist eine merkwürdige Sache“, macht er es wie alles, was er anfasst: Mit einem Sog, dem man sich einfach nicht entziehen kann.

Info:
Bruce Springsteen - Born To Run
Verlag: Heyne, Originalverlag: Simon & Schuster
Aus dem Amerikanischen von Teja Schwaner, Alexander Wagner, Urban Hofstetter, Daniel Müller
Deutsche Erstausgabe
Veröffentlichung: 27. September 2016
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 672 Seiten
ISBN: 978-3-453-20131-6
Preis: € 27,99
Als Soundtrack zur Autobiografie erschien auch die von Springsteen selbst zusammengestellte Compilation "Chapter And Verse".

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