Briten-Parlament blockiert
alle Brexit-Alternativen

Das britische Parlament erteilt auch im zweiten Anlauf allen Alternativen zum Brexit-Deal von Premierministerin Theresa May eine Absage. Weder der Verbleib in einer Zollunion mit der EU, die weitere Mitgliedschaft im EU-Binnenmarkt noch der Vorschlag für ein zweites Brexit-Referendum hätten genügend Zustimmung im Unterhaus gefunden, teilte das Parlament am Montagabend in London mit.

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alle Brexit-Alternativen © Bild: imago images / ZUMA Press

Brexit-Minister Steven Barclay sagte danach, dass dem Vereinigten Königreich damit ein harter Brexit mit weitreichenden wirtschaftlichen Folgen drohe, falls man nicht mehr umsteuern kann. Barclay brachte eine erneute Abstimmung über das Abkommen von Premierministerin May ins Spiel. Es sei möglich, noch in dieser Woche einen Deal zu erreichen und eine Teilnahme an der Europawahl im Mai zu verhindern, sagte Barclay nach Bekanntwerden der Abstimmungsergebnisse. Gesundheitsminister Matt Hancock twitterte: "Können wir jetzt bitte alle für den Deal stimmen und den Brexit durchführen?"

Wie soll es weitergehen?

Der britische Finanzminister Philip Hammond wird einer Twitter-Mitteilung der "Times" zufolge dem Kabinett am Dienstag mitteilen, dass die Konservativen möglicherweise ein Referendum in Betracht ziehen müssen, da sich weder die Partei noch das Land eine Wahl leisten könne. In dem Tweet eines Politikredakteurs hieß es, Hammond werde sagen, dass die Regierung einen eigenen Kompromissvorschlag machen oder zugeben müsse, dass das Parlament gescheitert sei und daher das Volk in einem Referendum abstimmen müsse.

Frustration bei vielen Abgeordneten

Labour-Chef Jeremy Corbyn schlug vor, die Alternativen am Mittwoch abermals in Erwägung zu ziehen. Viele britische Abgeordnete waren nach Bekanntgabe des Ergebnisses völlig frustriert. Nick Boles, der einen der Alternativvorschläge eingebracht hatte, trat unter Tränen umgehend aus der regierenden Konservativen Partei aus. "Ich habe alles gegeben, um einen Kompromiss zu finden, um unser Land aus der EU zu bringen und trotzdem unsere wirtschaftliche Stärke und unseren politischen Zusammenhalt zu bewahren. ... Ich habe versagt."

»Ein harter Brexit wird nun fast unausweichlich«

"Ein harter Brexit wird nun fast unausweichlich", schrieb der Brexit-Beauftragte des Europaparlaments, Guy Verhofstadt, am späten Montagabend auf Twitter. "Am Mittwoch hat Großbritannien die letzte Chance, die Blockade zu durchbrechen oder in den Abgrund zu blicken."

Das Parlament spielte wie in der Vorwoche in einer Reihe von Testabstimmungen verschiedene Brexit-Szenarien durch. Der Schritt wurde ergriffen, nachdem Mays mit der EU ausgehandelter Plan für den Abschied drei Mal von den Abgeordneten abgelehnt worden war. Deshalb war der ursprünglich geplante Termin für den EU-Ausstieg Großbritanniens am 29. März nicht mehr zu halten. Neues Datum ist nach derzeitigem Stand der 12. April. Würde das Haus zustimmen, könnte die Frist auf den 22. Mai verlängert werden. Daran zweifeln in Brüssel immer mehr Politiker. Die EU setzte stattdessen einen Sondergipfel für den 10. April an. Wichtig ist dabei, Folgen für die Europawahl zu verhindern, die vom 23. bis zum 26. Mai angesetzt ist. Bei einer Zustimmung diese Woche könnte man eine Teilnahme daran vermeiden, sagte Barclay dem Parlament.

Antrag auf Verbleib in Zollunion scheitert knapp

Allerdings schrumpften die Abstände bei der Abstimmung. Für den ersten Antrag zum Verbleib in der Zollunion stimmten 273 Abgeordnete, 276 lehnten ihn ab. Es fehlten nur noch drei Stimmen, nach sechs beim ersten Votum vorige Woche. Auch bei anderen Anträgen wurde die Lücke kleiner. Der Vorschlag, dass das Land nach dem Brexit im EU-Binnenmarkt verharrt und gleichzeitig Zollvereinbarungen mit der EU schließt, wurde mit 282 zu 261 Voten abgelehnt. Die nordirische Regionalpartei DUP, die Mays Regierung stützt, stimmte aber komplett mit Nein.

Der Fraktionschef der konservativen Tories im Unterhaus, Julian Smith, hatte vor der Abstimmung der BBC gesagt, ein "sanfterer Brexit" und eine weiterhin enge Anbindung an die EU seien inzwischen wohl "unvermeidbar". Er kritisierte zudem den fehlenden Zusammenhalt im Kabinett. In der Geschichte Großbritanniens habe es noch nie so wenig Disziplin wie in Mays Kabinett gegeben.

Mays Kabinett ist tief gespalten

Mays Kabinett ist im Brexit-Streit tief gespalten: Pro-europäische Minister sind für den Verbleib in einer Zollunion mit der EU. May lehnt diese Idee bisher ab. Sollte sie sich trotzdem darauf einlassen, droht ein Rücktritt der Brexit-Befürworter im Kabinett.

Die Bemühungen der Parlamentarier, nach dem Brexit noch eng mit der EU verbunden zu sein, laufen den Plänen von May zuwider. Sie legte sich in den Verhandlungen mit Brüssel über den Ausstiegsvertrag sehr früh fest, auf keinen Fall in der Zollunion und dem EU-Binnenmarkt zu bleiben. Um bei letzterem drinbleiben zu dürfen, verlangt die EU kategorisch auch die Einhaltung ihrer anderen Grundregeln, also vor allem die Möglichkeit für alle Bürger, sich in jedem anderen Staat niederzulassen. Die Zuwanderung aus der Staatengemeinschaft ist für die ehemalige Innenministerin ein rotes Tuch.

Ebenso hätte der Verbleib in der Zollunion aus Sicht der Brexit-Verfechter Nachteile. Eines der größten Versprechen ihrer damaligen Abstimmungskampagne, nämlich das Abschließen von neuen Handelsverträgen an der EU-Kommission vorbei, wäre damit wesentlich schwieriger umzusetzen. London dürfte dann nur Verträge über Güter abschließen, die nicht Teil der Zollunion mit der EU sind. Das Pfund verlor nach der Abstimmung knapp ein Prozent auf 1,3048 Dollar.

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