Nach Brexit: Wien will sich die
zweitgrößte EU-Behörde holen

Die EU-Arzneimittelaufsicht EMA muss London verlassen, Wien wirbt mit Standorten

Wien würde gerne vom Brexit profitieren und neuer Standort der Londoner EU-Arzneimittelbehörde EMA werden. Man hofft auf neue Arbeitsplätze und zusätzliche Wertschöpfung von 133 Millionen Euro im Jahr. Dafür hat die Stadt nun eine Charmeoffensive mit eigener Website und acht möglichen Standorten gestartet.

von Pillen © Bild: iStock

Am Mittwoch beantragte Großbritannien offiziell den Austritt aus der Europäischen Union. Der Wettbewerb anderer europäischer Städte um Unternehmen, die das Land nun verlassen wollen, begann allerdings schon kurz nach dem Brexit-Referendum im letzten Juni. Auch Wien erhofft sich beispielsweise einen Zuzug von Banken. Daneben bemüht sich die Stadt aber schon seit Herbst auch um eine große EU-Behörde: Die Arzneimittelaufsicht EMA (European Medicines Agency) sitzt derzeit in London und ist daher bald auf der Suche nach einem neuem Standort. Rund 20 EU-Staaten hätten die Behörde gerne bei sich.

Pharmaunternehmen nach Wien locken

Die EMA ist Zulassungs- und Prüfstelle für alle EU-weit zugelassenen Medikamente. Mit 900 Mitarbeitern und 300 Millionen Euro Jahresbudget ist sie die zweitgrößte selbstständige EU-Behörde. Den Bewerberstädten wie Wien geht es allerdings nicht nur um die Behörde selbst, sondern um Impulse für Forschung und Entwicklung. Die Arzneimittelbehörde würde auch Unternehmen aus der Pharma- und Biotechnikindustrie anlocken, so die Hoffnung. Auch Lobbyisten könnte wegen der EMA verstärkt nach Wien ziehen. Insgesamt schätzt die Wirtschaftskammer die zusätzliche Wertschöpfung für den Standort Wien auf 133 Millionen Euro im Jahr.

Umso intensiver wirft sich die Stadt nun ins Zeug, um die EMA zu bekommen. Am Dienstag wurde die Kampagne "EMAzing Vienna" präsentiert, mit der heftig die Werbetrommel gerührt wird. Eine eigene Website wendet sich direkt an EMA-Mitarbeiter und soll sie von den Vorzügen Wiens überzeugen. Stolz wird auf gute internationale Schulen, die höchste Lebensqualität, ein kosmopolitisches Klima sowie 1.500 Forschungsinstitute, 25.000 Expats und hundert Sprachen hingewiesen. Auf politischer Ebene wird mit qualifizierten Fachkräften, günstigen Mieten, der zentralen Lage in Europa und der bereits vertretenen Pharmabranche argumentiert.

Mailand, Amsterdam und Stockholm als Konkurrenten

Außerdem wurde eine Immobilienfirma damit beauftragt, den Markt nach geeigneten Objekten abzusuchen. Die Anforderungen: Mindestens 26.450 Quadratmeter modernste Bürofläche, "perfekte" Öffi-Anbindung, Hotels in Gehdistanz, eine schnelle Verbindung zum Flughafen und Fertigstellung bis spätestens 2019. Gleich acht geeignete Standorte wurden gefunden, darunter sechs erst geplante Neubauten (VIE26/VIE auf der Erdbergerlände, Austria Campus im zweiten Bezirk, Icon Viennna - Tower 88 in der Nähe des Hauptbahnhofes, Quartier Belvedere Central am Wiedner Gürtel, Square Plus in der Muthgasse, Holzhaus in der Seestadt Aspern) und zwei historische Altbauten (bisherige Bank-Austria-Zentrale am Schottentor und die Postsparkasse am Georg-Coch-Platz).

Obwohl sich Wien selbst relativ gute Chance ausrechnet, ist die Konkurrenz groß und ebenfalls gut aufgestellt. Als stärkste Mitbewerber gelten Mailand, Amsterdam und Stockholm. Amsterdam kommt die Nähe zu London zu gute, Stockholm die ausgebaute Forschungslandschaft und in Italien argumentiert man, dass es dort keine großen Pharmakonzerne gebe und nur das Unabhängigkeit garantiere. Die Entscheidung fällt jedenfalls noch vor dem Sommer im Europäischen Rat, also durch alle 27 Staats- und Regierungschefs.