Brexit: May warnt vor
zweitem Referendum

Theresa May will erst im neuen Jahr über das umstrittene Brexit-Abkommen im Unterhaus abstimmen lassen. Unterdessen warnt die britische Premierministerin eindringlich vor einem zweiten Referendum über den Brexit.

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Brexit-Deal - Brexit: May warnt vor
zweitem Referendum

Die Abstimmung wird in der dritten Januarwoche (vom 14.01. an) stattfinden, wie May ankündigte. Die Debatte werde bereits in der Woche davor fortgesetzt. May hofft nach wie vor darauf, dass sie sich mit ihrem Brexit-Deal im Parlament durchsetzen kann. Doch das scheint inzwischen mehr als zweifelhaft. Eine Vertrauensabstimmung vergangene Woche in ihrer eigenen Fraktion gewann May zwar, doch mehr als ein Drittel der konservativen Abgeordneten sprach ihr das Misstrauen aus.

Chaos bei ungeregeltem Brexit

Sollte das mit Brüssel ausgehandelte Abkommen vom Parlament abgelehnt werden, droht am 29. März 2019 ein ungeregelter Brexit mit unabsehbaren Folgen für die Wirtschaft und Chaos in vielen Lebensbereichen. Die britischen Wähler hatten im Juni 2016 mit knapper Mehrheit für den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU gestimmt.

Wegen des massiven Widerstands gegen das Abkommen bemüht sich die konservative Premierministerin, weitere Zugeständnisse der EU-Partner zu bekommen. Diese lehnten aber bei ihrem Gipfeltreffen am vergangenen Donnerstag ein Aufschnüren des Pakets ab. In London mehren sich angesichts der Pattsituation die Forderungen nach einem zweiten Referendum, bei dem die Bürger über Mays Deal befinden sollen.

May warnt vor zweitem Referendum

May hat indes eindringlich vor einem zweiten Referendum über den Brexit gewarnt. "Lasst uns nicht wortbrüchig gegenüber dem britischen Volk werden, indem wir versuchen, ein neues Referendum anzusetzen", so May. "Eine weitere Abstimmung würde unserer Politik einen irreparablen Schaden zufügen, denn es würde den Millionen, die unserer Demokratie vertrauten, sagen, dass die Demokratie nicht Wort hält", sagte May laut im Voraus verbreiteten Auszügen einer für heute geplanten Rede im Unterhaus.

»Eine weitere Abstimmung würde unserer Politik einen irreparablen Schaden zufügen«

Scharfe Kritik an der Forderung nach einem zweiten Referendum übte auch Ex-Außenminister Boris Johnson. Wer eine Wiederholung der Abstimmung fordere, sei "verrückt" geworden, schrieb der Brexit-Hardliner in seiner am Montag veröffentlichten wöchentlichen Kolumne für die Zeitung "Daily Telegraph". Ein zweites Votum würde "sofortige, tiefe und unauslöschliche Gefühle von Betrug" nach sich ziehen.

Tony Blair für zweites Votum

Verfechter eines zweiten Votums ist auch der ehemalige Premierminister Tony Blair, mit dem sich May am Wochenende einen außergewöhnlichen öffentlichen Streit geliefert hatte. Blairs Forderung nach einem zweiten Referendum sei "eine Beleidigung des Amtes, das er einst bekleidete und des Volkes, dem er einst diente", erklärte May. Blair konterte, indem er es als "unverantwortlich" bezeichnete, die Unterhausabgeordnete dazu zwingen zu wollen, den Brexit-Deal anzunehmen. "Vernünftig wäre es, das Parlament über alle angebotenen Formen des Brexit abstimmen zu lassen." Gebe es keine Einigung, sollte erneut das Volk befragt werden, so Blair.

Die Regierungschefin wollte die Abgeordneten am Montag über den EU-Gipfel in der vergangenen Woche informieren. May hatte versprochen, sich dort um "Zusicherungen" hinsichtlich der in London umstrittenen Garantie für eine offene Grenze zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland im Brexit-Vertrag zu bemühen. Der sogenannte Backstop sieht vor, dass Großbritannien notfalls als Ganzes in einer Zollunion mit der EU bleibt, sollte keine bessere Lösung gefunden werden. Die Gipfelerklärung blieb aber weit hinter den Erwartungen aus London zurück.

"Keine Neuverhandlungen"

Ein Sprecher der EU-Kommission zeigte sich bedeckt. Es gebe "absolut keinen Kommentar" zu einem möglichen zweiten Referendum, für das sich zuvor auch mehrere EU-Spitzenpolitiker wie etwa der luxemburgische Premier Xavier Bettel stark gemacht hatten. Zugleich schloss der Kommissionssprecher Nachbesserungen für London aus. "Es wird keine Neuverhandlungen geben", sagte er.

May setzt offenbar darauf, dass die Zustimmung zu ihrem Deal mit dem Näherrücken des Austrittstermins - und der realen Gefahr eines "Hard Brexit" - steigen wird. Allerdings regt sich auch im Kabinett Kritik am sturen Kurs der Regierungschefin. Wirtschaftsminister Greg Clark sprach sich am Montag dafür aus, den Abgeordneten die Wahl zu lassen, wie es weitergehen soll, wenn das Abkommen im Parlament abgelehnt wird.

Labour-Chef kündigt Misstrauensantrag an

Labour-Chef Jeremy Corbyn hat ein Misstrauensantrag gegen May angekündigt, weil sie erst im Jänner über den Brexit-Vertrag abstimmen lassen will. May habe das Land in eine Verfassungskrise gestürzt, sagte Corbyn am Montag im Unterhaus. Daher werde er einen Antrag einbringen, dass das Parlament kein Vertrauen mehr in die Premierministerin habe und umgehend eine Abstimmung über den Brexit-Vertrag abhalten solle.

Nach britischem Recht muss ein Misstrauensantrag gegen die komplette Regierung gestellt werden, damit darüber abgestimmt werden kann. Ein Misstrauensantrag gegen einen Regierungschef hat nur symbolischen Charakter und keine verfahrensrechtliche Konsequenzen.

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