Frankreichs bezaubernder Westen

Frische Delikatessen, die wilde, 1.200 Kilometer lange Atlantikküste, historische Schlösser und Klöster sowie die dynamische Stadt Rennes: Auf eine Reise durch die Bretagne sollten Besucher Appetit und viel Zeit zum Genießen und Entdecken mitbringen.

von Reisen - Frankreichs bezaubernder Westen © Bild: Getty Images/Mathieu Rivrin

Rund eine halbe Stunde dauert es zu Fuß vom Parkplatz zum berühmten Mont-Saint-Michel. Zwar fährt hier ein Shuttlebus, diesen zu nehmen wäre aber schade, ist doch bereits der Weg hin zum Klosterberg überaus eindrucksvoll. Ist der 157 Meter hohe Mont-Saint-Michel zunächst nur am Horizont sichtbar, kommt das mystische Kloster mit jedem Schritt näher. Schließlich führt noch ein langer Steg über das Wattenmeer zum Fuße des Berges. Die Gezeiten hier sind die stärksten Europas. Bis zu 15 Kilometer zieht sich das Meer bei Ebbe zurück. An einigen Tagen im Jahr - das nächste Mal am 13. und 14. August - sind die Gezeiten sogar so stark, dass der Mont-Saint-Michel komplett vom Meer umspült wird.

In dem kleinen, mittelalterlichen Dorf am Steilhang leben noch rund 40 Menschen, davon rund ein Dutzend Mönche und Nonnen. Die Gassen sind touristisch und meist ziemlich voll, schließlich zählt der Klosterberg mit 2,5 Millionen Besuchern jährlich zu den meistbesuchten Orten Frankreichs.

Austern und Galettes

In der Bucht des Mont-Saint-Michel, an der Smaragdküste, liegt das kleine Hafenstädtchen Cancale, das für seine Austern berühmt ist. Rund 6.000 Tonnen produzieren die 50 Betriebe der Region jedes Jahr. Der direkt am Meer gelegene Austernmarkt ist täglich geöffnet. Hier können die absolut frischen Delikatessen zu günstigen Preisen erworben und gleich genossen werden. Die Schale wird anschließend einfach zurück ins Meer geworfen.

Einen Einblick in die harte Arbeit der Austernzüchter gewährt das bretonische Familienunternehmen La Ferme Marine. Zunächst wachsen die Larven vier bis sechs Monate lang auf einem Stock. Anschließend werden sie in spezielle Taschen gegeben, die aufgrund der starken Gezeiten ständig von frischem Meerwasser durchgespült werden. Drei bis vier Jahre dauere es, bis die Austern groß genug für den Verkauf sind, erklärt Fara Nouvel, die Besucher durch den Betrieb führt.

© Getty Images Im Meer rund um Cancale züchten 50 großteils familiengeführte Betriebe Austern. Einer davon ist La Ferme Marine. Besucher können diese Farm im Rahmen einer Führung besichtigen

Der Großteil der Austern geht in den Export. Aber natürlich dürfen die berühmten Austern von Cancale auch am Markt "les halles centrales" in Rennes nicht fehlen. Jeden Tag bieten 28 Händler in der Markthalle frische Spezialitäten der Bretagne an: neben Muscheln, Fisch und Schnecken auch Käse und die außergewöhnliche Butter von Jean-Yves Bordier, die zu den besten der Welt zählt.

Diese Delikatessen und bretonisches Streetfood, wie Galette-saucisse, salzige Crêpes aus Buchweizenmehl, mit einem Würstel gefüllt, können mitgenommen oder zusammen mit einem Glas Wein gleich vor Ort verkostet werden.

Fachwerkhäuser und Street-Art

Rennes, das als Tor zur Bretagne bezeichnet wird, wurde von Touristen lange Zeit kaum wahrgenommen. Zu Unrecht. Die Hauptstadt der Bretagne ist eine lebendige und farbenfrohe Stadt. Von den 250.000 Einwohnern sind mehr als 60.000 Studenten. Und die kleinen, idyllischen Plätze der Altstadt sind voller Bistros, Cafés und kleiner Lokale, in denen hervorragende frische Gerichte aus regionalen und saisonalen Zutaten zu fairen Preisen angeboten werden.

Die 286 alten Fachwerkhäuser in der historischen Altstadt von Rennes bilden das Zentrum der Stadt. Mehr als 1.000 der kunstvoll geschmückten Häuser sind leider einem verheerenden Brand im Jahr 1720 zum Opfer gefallen. Sehenswert ist außerdem die Kathedrale Saint-Pierre, in der die bretonischen Herzöge gekrönt wurden. Der prunkvolle Parlamentspalast der Bretagne zählt ebenfalls zu den bedeutendsten Gebäuden der Stadt. Er wurde 1655 eingeweiht, heute befinden sich hier das Berufungs- und das Strafgericht.

© Shutterstock.com In der farbenfrohen Altstadt von Rennes reihen sich Boutiquen und kleine Lokale aneinander

Neben der historischen hat Rennes eine junge, moderne Seite. Street-Art ist in der Stadt allgegenwärtig. Dazu werden Street-Artisten eingeladen, Kunstwerke zu gestalten. Und wer genau schaut, findet Skulpturen, Malereien und Mosaike in der gesamten Stadt verteilt.

Zeitgenössische Kunst in Form von Installationen findet sich entlang der Vilaine, die durch Rennes fließt und an deren Ufern entlang es möglich ist, 84 Kilometer mit dem Rad bis an den Atlantik zu fahren.

Pflanzenkosmetik und Fotofestival

Rennes ist gleichzeitig ein perfekter Ausgangspunkt, um die Bretagne zu entdecken. So sind es bis zum Meer gerade einmal 50 Minuten. Ebenso gut erreichbar sind Ziele am Land, wie beispielsweise das Château Bois Cornillé. Schlossherrin Pauline de Malartic empfängt Gäste nach Voranmeldung persönlich, um ihnen die Gartenanlage zu präsentieren.

Etwa eine Stunde von Rennes entfernt und ebenfalls einen Besuch wert ist der kleine Ort La Gacilly. Bekanntheit erlangte er durch Yves Rocher, der in seiner Heimat 1950 sein Kosmetikunternehmen gründete. Die ersten Cremen aus Heilkräutern mischte er noch am Dachboden seines Hauses. Heute ist es ein internationales Unternehmen, dessen Sitz aber nach wie vor in La Gacilly ist. Rund um den Ort werden einige Zutaten für die Produkte angebaut und Besucher können in einer Multimediashow in die Welt der Pflanzenkosmetik eintauchen, im "Végétarium" vegetarisch essen und sich im Shop beraten lassen.

© Shutterstock.com Während des Fotofestivals sind in ganz La Gacilly Hunderte Werke ausgestellt

Seit 2003 findet zudem von Juni bis September das größte Open-Air-Fotofestival Frankreichs, das jährlich mehr als 300.000 Besucher anzieht, in La Gacilly statt. Heuer lautet der Titel des Festivals "Visions d'Orient".

Bei der Festivaleröffnung Anfang Juni war auch Lois Lammerhuber unter den Gästen. Der bekannte österreichische Fotograf und Verleger ist schließlich der Gründer des Fotofestivals La Gacilly-Baden. "Wir übernehmen die Fotos und ergänzen sie noch um österreichische Produktion", erklärt er. Das beutetet: Jene Werke, die vergangenen Sommer in La Gacilly zu sehen waren, sind heuer in Baden ausgestellt.

Ein Herzensprojekt

Auf dem Weg zurück nach Rennes bietet sich noch ein Abstecher zum Château des Pères in Piré-Chancé an. Die Bauunternehmerfamilie Legendre kaufte das ehemalige Kloster und funktioniert es zu einem Seminarzentrum um. Mitte Juli folgt dann die Eröffnung eines extravaganten Hotels in den Gärten des historischen Anwesens. "Es ist das Herzensprojekt meines Vaters", sagt Julien Legendre. Und das merkt man. Denn der bereits pensionierte Vater packt auf der Baustelle selbst mit an, um einen weiteren spannenden Ort in der Bretagne zu schaffen, an dem die Menschen das Leben genießen können.

ESSEN UND ÜBERNACHTEN

Ausgefallen und exklusiv

In der Bretagne und vor allem in Rennes gibt es eine Vielzahl an kleinen, erstklassigen Restaurants, in denen Gerichte aus frischen, regionalen Produkten serviert werden. Im Le 2 rue des Dames in Rennes gibt es täglich wechselnde dreigängige Menüs. Die extravagantesten Crêpes der Stadt erhält man in der Crêperie La Saint-Georges. Liebhaber von Meeresfrüchten und Austern sollten unbedingt das Restaurant L'Aviron in Cancale aufsuchen.

© Christine Lugmayr Hotel EssenCiel

Übernachten. Das elegante Boutiquehotel Balthazar Hôtel & Spa liegt in unmittelbarer Nähe zu Rennes' Altstadt. Ebenfalls sehr zentral in Rennes liegt das Hotel Saint-Antoine. Mitte Juni eröffnet in Piré-sur-Seiche das Hotel EssenCiel. Es besteht aus 42 kokonartigen Zimmern und dem Gourmetlokal La Table des Pères. Einzigartig ist nicht nur die Form des Hotels, sondern auch die Lage. Denn es befindet sich auf dem Gelände des ehemaligen Klosters Château des Pères, das heute Tagungszentrum inklusive Zimmern und Brasserie ist.

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Der Beitrag erschien ursprünglich im News 24/2022.