Krampuslauf: Die Teufel sind los

Zwischen Brauchtum und Kommerz: Teufel, Hexen und Perchten

Mitten im Weinviertel geben sich Perchtenläufer aus ganz Österreich zum Krampustag ein Stelldichein. Echtes Brauchtum oder Grusel-Firlefanz? Der Verein Dionysos Pass mobilisiert bei seinem jährlichen Teufellauf jedenfalls die Massen. Eine Tradition wird heute neu interpretiert

von Brauchtum - Krampuslauf: Die Teufel sind los © Bild: Copyright 2017 Matt Observe - all rights reserved.

Aus den Lautsprecherboxen dröhnt Heavy-Metal-Musik, die Flammenwerfer und Bengalen auf dem Hauptplatz von Hollabrunn geben ihr Bestes: It 's Showtime in der Weinviertelmetropole! Rund 6.000 Zuschauer drängen sich an diesem Samstagabend hinter den Absperrgittern und warten auf den Beginn des Teufellaufs 2017 unter dem Motto: "Wild Eyes - Your Nightmare before X-Mas". Und dann tauchen sie auch schon auf, eine Gruppe nach der anderen, vorneweg die Gastgeber vom örtlichen Krampusverein Dionysos Pass, dahinter "teuflische Gäste aus Tirol, der Steiermark, aus Kärnten, Salzburg und Oberösterreich - ein buntes Gemisch aus traditionellen Perchtenläufern und neuzeitlichen Horrorclowns. Die Grenze zwischen Brauchtum und Halloween-Party ist fließend.

© News Matt Observe

Vor 20 Jahren hat Alex Rausch mit ein paar Freunden den schon fast ausgestorbenen Brauch der Krampus-und Nikolaus-Umzüge in Hollabrunn wiederbelebt - damals noch mit einfachen Plastikmasken aus dem Papiergeschäft. Bald darauf besorgte sich die Gruppe echte Perchtenkostüme und organisierte im Jahr 2000 mit tatkräftiger Unterstützung der Stadtgemeinde den ersten Teufellauf. Mittlerweile zählt die Veranstaltung zu den größten und bekanntesten ihrer Art in Ostösterreich, mit bis zu 150 Teufeln, Hexen und Perchten sowie Zuschauern aus nah und fern. Gut ein Drittel der Besucher reisen für dieses Spektakel sogar aus dem benachbarten Tschechien an.

© News Matt Observe

Von einer aggressiven Stimmung zwischen Perchtenläufern und Publikum, wie sie in den vergangenen Wochen von anderen Krampusumzügen in Österreich berichtet wird, ist in Hollabrunn nichts zu spüren. Im Gegenteil: Eindringlich verweist der Platzsprecher vor Beginn des Teufellaufs auf die strengen Benimmregeln. Wechselseitige Übergriffe würden streng geahndet, im direkten Kontakt zwischen Teufel und Zuschauer ist ein Nein bedingungslos zu respektieren. Niemand soll in seinem wohligen Schauer persönlich verletzt werden, so die verbindliche Grusel-Etikette. Wer ein paar blaue Flecken will, kriegt sie, wer nicht, eben nicht.

Rote Karte für Randalierer

Dementsprechend zufrieden zieht der Obmann des Hollabrunner Krampusvereins am Tag danach Bilanz. "Wir haben sowohl von der Bezirkshauptmannschaft wie von der Polizeibehörde großes Lob für den reibungslosen Verlauf der Veranstaltung bekommen", sagt Alex Rausch. "Aber wir tun auch einiges dafür. Allein unser Verein stellt 70 Ordner. Und jeder Maskenträger muss vor dem Lauf seine Identität preisgeben, bekommt eine Nummer zugeteilt, die er am Kostüm sichtbar tragen muss und dadurch jederzeit identifiziert werden kann." Weil das auch in den letzten Jahren so reibungslos funktioniert hat, ist ein generelles Alkoholverbot vor und während des Teufellaufs in Hollabrunn kein Thema - ganz im Gegensatz zu anderen Bundesländern. Rausch: "Wir suchen uns unsere Gäste, mit denen uns oft eine jahrelange Freundschaft verbindet, ganz genau aus. Und dabei haben notorische Randalierer und Krawallmacher keine Chance."

Keine reine Männersache

Während immer mehr Menschen auf den Hauptplatz und in die angrenzende Fußgängerzone strömen, steigt in der nahen Jahn-Turnhalle eineinhalb Stunden vor dem Teufellauf die Stimmung von Minute zu Minute. Einer nach dem andern zwängt sich in sein Teufel-oder Perchtenkostüm aus meist hochwertigem Naturfell. Mindestens tausend Euro kostet das maßgeschneiderte Outfit, nach oben sind preislich fast keine Grenzen gesetzt. Die holzgeschnitzten Masken gibt es ab 800 Euro bei einschlägigen Herstellern in der Steiermark oder in Kärnten zu kaufen. Dazu kommen Butten, Ketten, Stöcke, Gerten und anderes Teufelszeugs. Die teuersten Perchtenausrüstungen schlagen schon einmal mit bis zu 5.000 Euro zu Buche. Ein ziemlich teures Hobby, wenn man bedenkt, dass die "Saison" nur knapp einen Monat lang dauert.

© News Matt Observe

Was in der Umkleidehalle auffällt: Unter die Burschen und Männer zwischen 18 und 50 mischen sich immer mehr junge Frauen, die meist als Hexen verkleidet beim Teufellauf mitmachen. Gastgeber Dionysos Pass zählt mittlerweile sechs aktive Hexen, eine von ihnen ist die angehende Kindergartenpädagogin Angelika Gruber. Als kleines Kind habe sie fast panische Angst vor den Teufeln gehabt, erzählt die 22-Jährige aus der Nähe von Hollabrunn. Später habe sie dann die Freundschaft und das Zusammengehörigkeitsgefühl im Krampusverein schätzen gelernt. Schließlich sei sie selbst in die Rolle der Hexe geschlüpft und habe so die nach wie vor vorhandene Angst vor den Umtrieben der Teufel abgelegt.

Behutsam versucht Angelika Gruber heute im Kindergarten, ihren Schützlingen die Angst vor den Teufeln zu nehmen, zeigt auf, dass sich hinter den hässlichen Masken ganz normale Menschen verstecken: "Man darf Kinder mit dem Besuch solcher Veranstaltungen nicht überfordern. Da wird leider auch viel Schindluder getrieben." Auch deshalb veranstaltet der Hollabrunner Krampusverein einen eigenen "Kinderlauf", bei dem altersgerecht für spätere "echte" Teufelläufe geprobt wird.

© News Matt Observe

Ähnlich wie in Hollabrunn wurden seit der Jahrtausendwende österreichweit Hunderte Krampusvereine neu gegründet. Und in den Alpentälern, wo das Perchtenwesen bis ins 8. Jahrhundert nachgewiesen werden kann, erlebt dieses Brauchtum eine regelrechte Renaissance. Für Hartmut Prasch, Direktor des Museums für Volkskultur in Spittal an der Drau, eine Entwicklung, die auch mit der zunehmenden Differenzierung in der Gesellschaft zu tun hat: "Wir erleben unsere Welt zunehmend multikulturell. Als Reaktion darauf besinnt man sich gern auf die eigenen Wurzeln. Die unterschiedlichen Brauchtumstraditionen werden zusammengeführt und bei diesen Krampusläufen neu interpretiert."

Hollywood in Hollabrunn

Zwischen 10.000 und 15.000 Euro muss der 150 Mitglieder starke Krampusverein Hollabrunn allein für die Durchführung des jährlichen Teufellaufs aufbringen. Das Geld holt man sich von Sponsoren, aber auch die Stadtgemeinde trägt ein Scherflein bei. Immerhin kratzt der Tagesumsatz der Zuschauer und Akteure an der 500.000-Euro-Marke, wird geschätzt. Da kann überregionale Publicity nicht schaden. Vor ein paar Jahren brachte der US-amerikanische TV-Sender NBC einen mehrminütigen Bericht über den Hollabrunner Teufellauf. Brian Welsh aus Los Angeles war davon dermaßen angetan, dass er sich mit einem Freund auf den Weg ins Weinviertel gemacht hat, um endlich live dabei zu sein. Und er hat seinen Besuch beim Teufellauf 2017 nicht bereut: "Das schlägt alles in Hollywood. Die Hollabrunner zeigen uns, wie man so ein Spektakel wirklich inszenieren kann."

© News Matt Observe

Was ist der Krampus? Christoph Waltz hat die Antwort

In der "Tonight Show" von Jimmy Fallon schildert der zweifache Oscarpreisträger Christoph Waltz die Spezifika der "mittelalterlichen" Krampus-Tradition in Österreich.