Bundespräsidentschaftswahl 2022: Alexander Van der Bellen oder...?

Nur eine große Wahl ist heuer zu schlagen - die aber für ein, wie man bei all den Regierungskrisen sah, sehr wichtiges Amt: Nämlich des Bundespräsidenten - oder der Bundespräsidentin. Wer am Stimmzettel stehen wird, ist derzeit noch unklar. Wie die Chancen stehen, dass der amtierende Präsident Alexander Van der Bellen erneut kandidiert und wer sich sonst als Kandidat:in positioniert, analysiert Politikwissenschaftlerin der Donau Universität Krems und Projektleiterin des Austrian Democracy Lab Katrin Praprotnik.

von Van der Bellen © Bild: Getty/Kronsteiner

Derzeit ist noch unklar, ob Alexander Van der Bellen erneut ins Rennen um das Amt des Bundespräsidenten gehen wird. Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass er für eine zweite Amtszeit kandidieren wird?
Katrin Praprotnik: Das ist schwer zu beurteilen. Die Tatsache, dass er sich bislang nicht geäußert hat, spricht meiner Meinung nach eher dafür, dass er wieder antritt oder zumindest einen Neuantritt für sich bislang nicht ausgeschlossen hat.

Sollte Van der Bellen noch einmal antreten: Wie groß wären die Chancen für andere Mitbewerber:innen auf das Amt?
Ich denke, Van der Bellen hat eine sehr große Chance wiedergewählt zu werden. Auch deshalb, weil andere aussichtsreiche Kandidat:innen, die sich sonst zur Wahl stellen würden, gar nicht antreten würden. Der ehemalige FPÖ-Kandidat Norbert Hofer aus dem letzten Wahlkampf meinte bereits, dass er nicht antreten wird, wenn Van der Bellen erneut antritt.

»Van der Bellen stand für Stabilität, aber ein anderer oder eine andere könnte das ebenfalls.«

In den politisch turbulenten Zeiten der jüngsten Vergangenheit stand Van der Bellen stets für Stabilität. Würden Sie diesbezüglich eine „Gefahr“ sehen, sollte er nicht mehr kandidieren?
Nein. Die turbulenten Zeiten haben gezeigt, dass das Amt des Bundespräsidenten bzw. der Bundespräsidentin wichtig für unsere Demokratie ist. Van der Bellen stand für Stabilität, aber ein anderer oder eine andere könnte das ebenfalls.

Alexander Van der Bellen ist 78 Jahre alt. Ist dieses doch fortgeschrittene Alter ein Risiko in Hinblick auf eine mögliche zweite Amtszeit?
Ein Kandidat oder eine Kandidatin muss das 35. Lebensjahr vollendet haben. Das hat Van der Bellen und ansonsten ist sein Alter kein Risiko, sondern lediglich die Voraussetzung für die Kandidatur. Im Übrigen ist der amtierende US-Präsident Joe Biden 79 Jahre alt.

»Der Grüne Anschober wird wohl kaum gegen den ehemaligen Grünen Alexander Van der Bellen antreten. Tritt Van der Bellen nicht an, sieht es freilich anders aus. «

Was sagen Sie zu den Gerüchten, dass der ehemalige Gesundheitsminister Rudolf Anschober kandidieren wird? Und wenn er das täte – wie groß wären seine Chancen?
Der Grüne Anschober wird wohl kaum gegen den ehemaligen Grünen Alexander Van der Bellen antreten. Tritt Van der Bellen nicht an, sieht es freilich anders aus. Die Wahl Van der Bellens und damit eines Kandidaten, der nicht ursprünglich von ÖVP oder SPÖ unterstützt wurde, war ein Novum. Das könnte die Grünen reizen, es nochmals versuchen zu wollen.

Wer wäre sonst ein/e aussichtsreiche Kandidat:in? Wer positioniert sich?

Namen werden in der medialen Diskussion viele genannt, etwa Othmar Karas (ÖVP) oder Doris Bures (SPÖ). Eine Kandidatur offenlegen wird aber wohl niemand, bevor nicht Van der Bellen seine Entscheidung verkündet hat.

Info: Am 26. Jänner 2023 endet Alexander Van der Bellens Amtszeit. Damit muss im November zur Wahl des Staatsoberhaupts aufgerufen werden. Van de Bellen setzte sich 2016 letztlich in der Stichwahl am 4. Dezember gegen Norbert Hofer durch, womit ein wahrer Wahlmarathon zu Ende ging - mit erstem Wahlgang im April, zweitem im Mai, dessen Aufhebung durch den VfGH und letztlich Kür im Dezember 2016. Durch die nötige Wiederholung der Stichwahl hat sich die Amtszeit des Staatsoberhauptes verschoben. Van der Bellen wurde nicht am 8. Juli 2016 angelobt, sondern erst am 26. Jänner 2017. Somit finden Hofburg-Wahlen jetzt nicht mehr - wie man es seit 1951 gewöhnt ist - im Frühjahr statt. Bleibt es bei den üblichen Fristen, könnte der 13. November 2022 zum Wahlsonntag werden.