Gemeinsam alt werden

50.000 feierten Jon & Co. - ein nicht ganz objektiver Bericht aus der Fankurve

Gestern war es wieder einmal soweit: Bon Jovi spielten in Österreich. Genauer gesagt in Wien. Die Helden, die große Liebe der Jugend, das darf man sich nicht entgehen lassen.

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    Totale Begeisterung im Happel Stadion

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    Die 50.000 Fans mussten nicht zu lange warten: Die Rocker starteten ihre Show auf die Minute genau.

Der Freitag beginnt wie ein gewöhnlicher Freitag. Mit in die Arbeit gehen. Doch je später es wird, desto weniger kann man es verbergen: Die Vorfreude steigt. Komisch, ist man ja doch schon aus dem Fan-Alter heraus. Dennoch, das Gefühl ist ein bisschen, wie zu wissen, dass man sich mit alten Bekannten treffen wird, die man immer sehr gern gemocht hat. Also ein wenig früher raus aus dem Büro – ist sowieso Freitag – und ab zum Stadion. Auch hier macht sich ein anderes Gefühl bereit als bei sonstigen Konzerten. Das übliche Genervtsein bei Zufrühdasein und langem Warten auf den Hauptact stellt sich diesmal nicht ein – im Gegenteil, eine innere Unruhe macht sich breit beim Anblick der langen Schlange vor dem „Golden Circle“-Eingang. Schnell soll es reingehen ins Stadion, schnell einen guten Platz ergattern und diesen dann mit allen Mitteln verteidigen. Den Idolen von einst also so nah wie möglich zu sein – vielleicht einfach eine alte Angewohnheit von früher.

Endlich drinnen angekommen, stellt sich ein erleichterndes Gefühl ein: Nicht zu spät, Platz weit vorne mit guter Sicht auf die Bühne ohne großen Kopf im Sichtfeld erkämpft und jetzt nur mehr zwei Stunden warten. Da machen auch irgendwie die paar Tropfen vom oben nichts mehr aus. Viel schlimmer wäre es, jetzt menschlichen Bedürfnissen nachgehen zu müssen und dafür den guten Stand aufgeben. Darum zur Sicherheit lieber nichts mehr trinken. Wie gesagt: Wie in alten Tagen. Zwei Stunden - und ein paar Schmerzen in Füßen und Rücken - später ist es soweit: Nur ein paar Minuten nach acht Uhr betreten Tico, David, Richie und dann Jon die Bühne. Schön! Einerseits weil: Unpünktlichkeit gehört sich nicht und andererseits weil: Der Moment, in dem Musiker die Bühne betreten immer einer der besten ist auf Konzerten.

Also: Sie sind endlich da. Nicht, dass man sich wie früher monatelang auf genau diesen Moment und kaum etwas anderes gefreut oder Stunden gezählt hätte, aber jetzt wo er da ist, der Moment, ist er doch sehr gut. Los geht’s mit „Raise Your Hands“ – ein passender Opener, um die Leute zum Mitklatschen zu bewegen und in Stimmung zu bringen. Funktioniert auch prächtig, alle Hände sind in der Luft – Bon Jovi sind eben Profis, wie man merkt. Eine Band, die eigentlich eine Firma ist (alle sind Angestellte unter Chef Jon Bon Jovi). Dieses irgendwie unsexy Detail ist aber sofort vergessen, denn es folgt „You Give Love A Bad Name“. Das ganze Happel-Stadion grölt mit – ist auch wirklich schwer, zu widerstehen, kennt man doch jede Zeile auswendig. Aber egal wie peinlich, der Abend ist ein Abend um die einstigen Zeiten hochleben zu lassen und da gehört das eben dazu, also wird kräftig mitgesungen. Macht einfach mehr Spaß so. „In These Arms“, „Runaway“, „Someday I’ll be Saturday Night“ oder „I’ll Sleep When I’m Dead“ – viele Songs dabei, die als einstige „Lieblingssongs“ betitelt wurden. Und auch das erhoffte Leonard Cohen-Cover „Hallelujah“ (welches nicht auf jedem Konzert gespielt wird!). Juhu, danke vielmals Mr. Jon. Nach „Keep The Faith“ verabschieden sich die Herren erstmals von der Bühne. Doch als Bon Jovi-Kenner weiß man natürlich: Sie kommen wieder.

Ein paar Minuten lassen sich die Männer (Boys sind sie ja schon länger nicht mehr) bitten, während gerätselt wird: Was fehlt noch? Klar, „Wanted Dead or Alive“ und auch „Livin’ On A Prayer“. Richtig geraten. Danach wären – gefühlsmäßig – zweieinhalb Stunden vorbei. Bon Jovi verabschieden sich ein zweites Mal. Schade, schade, schon wieder vorbei. Doch, was ist das? Sie kommen tatsächlich ein drittes Mal. Damit hat man nicht gerechnet. Die Fans im Stadion sind entzückt und quittieren dieses Engagement mit kräftigem Applaus, Gekreische und Gepfeife. Ach wie schön. Und diesmal wird der Wunsch von einem Plakat aus dem Publikum erfüllt: Der eher unbekannte Song „Wild is the Wind“ von der 88er-Platte „New Jersey“ - Wow, lange nicht und noch nie live gehört. Toll. Gut, jetzt ist aber aus, doch nein, auch die Hit-Schnulze „Always“ kommt noch dran. Und wieder grölen 50.000 Leute. Hat Jon da etwa feuchte Augen? Nein, kann nicht sein. Doch auch das war es nicht. Noch einmal greifen die Herren zu den Instrumenten und es folgt „These Days“ - ein tolles Lied. Dann aber endgültig die letzte Verbeugung, sind auch schon drei Stunden vergangen. Nicht schlecht, muss man sagen.

Während die Massen sich langsam Richtung Ausgang walzen, schwelgt man noch in Erinnerungen, jenen der Jugend, die einem gerade wieder vor Augen geführt wurden, denn irgendwie ist ein Bon Jovi-Konzert zu besuchen wie ein altes Foto anzusehen. Doch auch die jüngsten Erinnerungen, jene an die vergangen drei Stunden sind präsent: Denn man teilt mit den einstigen Helden nicht nur die Vergangenheit, nein auch etwas in der Gegenwart hat man unerwarteterweise gemein: Nicht nur man selbst, auch die Idole werden älter, wie man soeben miterleben durfte – und das ist gut so. Also: Auf die nächsten 20 gemeinsamen Jahre!