Jeder sechste
Jugendliche hat Leseprobleme

Schüler mit niedrig gebildeten Eltern und Migrationshintergrund besonders schlecht

17 Prozent der Jugendlichen in Österreich haben nach acht Jahren Schule Probleme beim Lesen einfacher Texte. Besonders schlecht schneiden Schüler der NMS/Hauptschulen, mit niedrig gebildeten Eltern und mit Migrationshintergrund ab. Das zeigen die heute, Dienstag, präsentierten Ergebnisse der Bildungsstandardtestungen unter den 73.000 Schülern der achten Schulstufe.

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Für die Standarderhebung wurden im Frühjahr 2016 alle 73.000 Schüler der vierten Klasse Neuer Mittelschule (NMS), Hauptschule und AHS-Unterstufe zwei Stunden lang in den Kompetenzbereichen Lesen, Schreiben, Sprachbewusstsein und (als Stichprobenerhebung unter rund 2.800 Schülern) Zuhören getestet. Heute erhalten die Schüler, ihre 4.100 Deutschlehrer und 1.400 Direktoren die Ergebnisse der Tests. Die Bildungsstandards sind seit 2009 verpflichtend und legen zusätzlich zum Lehrplan fest, was Schüler der vierten Klasse Volksschule bzw. achten Schulstufe in Deutsch, Mathematik bzw. zusätzlich Englisch beherrschen sollen. Die vom Bundesinstitut für Bildungsforschung (Bifie) durchgeführten Tests sollen Mängel aufzeigen, auf die dann etwa durch Änderungen der Lehreraus- und -fortbildung, der Lehrpläne, Bücher etc. reagiert werden kann. In Deutsch wurden die Standards in der achten Schulstufe zum ersten Mal erhoben.

Im wichtigsten Testbereich Lesen haben die Schüler diesmal 537 Punkte erreicht. Der Ausgangswert bei der sogenannten "Baselinetestung" 2009 war mit 500 Punkten festgelegt worden, die Leistungen haben sich seither also verbessert. Die Steigerung entspricht laut Bifie-Chefin Claudia Schreiner etwa einem Lernjahr, wobei allerdings die Schüler bisher bei allen Standardüberprüfungen besser abgeschnitten haben als bei der Ausgangstestung. Schreiner vermutet als Hintergrund die höhere Verbindlichkeit, indem erstmals Lernziele festgelegt und dann deren Erreichung auch systematisch überprüft wurde.

Insgesamt hat die Hälfte der Schüler 2016 beim Lesen die Bildungsstandards erreicht, weitere sieben Prozent schneiden sogar exzellent ab. Allerdings erreicht jeder Sechste das erforderliche Niveau nicht, diese insgesamt 12.700 Jugendlichen haben Mühe mit den einfachsten Leseaufgaben und sind dadurch laut Bifie in ihrer weiteren persönlichen und schulischen Entwicklung "ernsthaft gefährdet". Weitere 28 Prozent erreichen die Standards nur teilweise, sie verstehen also kurze, inhaltlich, strukturell und sprachlich nicht komplexe Texte.

Den stärksten Einfluss auf die Leistungen hat der Bildungsabschluss der Eltern: Kinder, deren Eltern maximal die Pflichtschule abgeschlossen haben, erreichen beim Lesen im Schnitt 113 Punkte weniger als Akademikerkinder. Das sind Unterschiede von bis zu drei Lernjahren. Während unter Akademikerkindern nur neun Prozent die Bildungsstandards nicht erreichen, sind es unter Jugendlichen mit gering gebildeten Eltern 38 Prozent.

Bildung der Eltern hat großen Einfluss

Die Bildung der Eltern hat damit auch mehr Einfluss als Migrationsstatus und Erstsprache. Jugendliche mit Migrationshintergrund - diese machen ein Fünftel der getesteten Schüler aus - liegen beim Lesen aber noch immer 75 Punkte zurück, der Anteil der Risikoleser ist hier drei Mal so hoch wie unter Jugendlichen ohne Migrationshintergrund: 35 Prozent der Jugendlichen mit Migrationshintergrund erreichen nicht die Bildungsstandards im Lesen, unter Kindern Einheimischer sind es 12 Prozent. In absoluten Zahlen sind damit aber immer noch deutlich mehr Jugendliche ohne Migrationshintergrund Risikoleser (7.300 vs. 5.400 mit Migrationshintergrund). Leseförderung, die nur auf Schüler mit ausländischen Wurzeln zielt, würde deshalb laut Schreiner auch "zu kurz greifen". Dazu kommt, dass ein Drittel der Leistungsunterschiede sich durch soziale Unterschiede erklären lassen, also nicht direkt mit der Herkunft der Schüler zusammenhängt.

Extrem fallen auch die Unterschiede nach Schultypen aus: Schüler mit schwacher Leseleistungen sitzen fast ausschließlich in den Hauptschulen und NMS, fast ein Viertel erreicht dort nicht die Bildungsstandards. An den AHS sind es gerade einmal zwei Prozent. Das entspricht in etwa den Leistungsunterschieden vom Ende der Volksschule: Während jeder Fünfte beim Übergang in NMS oder Hauptschule Leseprobleme hat, sind es unter den AHS-Anwärtern drei Prozent.

Wie bei allen nationalen und internationalen Vergleichsstudien haben die Mädchen beim Lesen die Nase vorne: Zwei Drittel von ihnen erreichen oder übertreffen die Bildungsstandards, bei den Burschen sind es 49 Prozent. 21 Prozent der Buben fallen hingegen in die Gruppe der Risikoleser, unter den Mädchen sind es 12 Prozent.

Ein Viertel ist in Deutsch schwach

Insgesamt haben 45 Prozent der Schüler in allen vier bei den Bildungsstandards getesteten Bereichen (Lesen, Schreiben, Sprachbewusstsein, Zuhören) die Bildungsstandards erreicht oder übertroffen, zwei Dritteln gelingt das in drei Bereichen. Allerdings erreicht ein Viertel der Schüler die Standards nicht oder nur teilweise, hat also in mehreren Teilbereichen Probleme.

Beim Schreiben haben die meisten Schüler Probleme beim Ausdruck (Wortschatz, abwechslungsreiche Satzgestaltung etc.), nur 54 Prozent erreichen oder übertreffen hier die Lernziele. In den Kategorien Sprachbewusstsein, Zuhören und Sprechen werden die Standards jeweils von mehr als drei Viertel der Getesteten übertroffen. Interessant: Nur ein Prozent erreicht beim Sprechen die geforderten Kompetenzen nicht, kann also nicht altersadäquat und situationsangemessen in der Standardsprache sprechen. Für Schreiner ist das ein Indiz, dass die Sprachförderungsmaßnahmen "im Bereich der mündlichen Kommunikation bereits Wirkung zeigen".

Unterschiede nach Bundesländern relativ gering

Die Unterschiede nach Bundesländern sind trotz der sehr unterschiedlichen Zusammensetzung der Schüler relativ gering und entsprechen mit maximal 23 Punkten dem Leistungsunterschied von weniger als einem Schuljahr: Im Burgenland, in Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, der Steiermark und Tirol werden die Bildungsstandards von 46 oder 47 Prozent in allen vier Kompetenzbereichen erreicht oder übertroffen. Weniger sind es nur in Kärnten (42 Prozent), Vorarlberg und Wien (je 40 Prozent). Je sieben bis acht Prozent erreichten die Bildungsstandards in allen Bundesländern nicht, nur in Wien haben 15 Prozent in mehreren Deutsch-Bereichen gravierende Mängel.

Das verhältnismäßig schwache Abschneiden Wiens liegt laut Schreiner allerdings an der Zusammensetzung der Schüler: Die verschiedenen Subgruppen (z.B. Schüler mit Migrationshintergrund) würden ähnliche Ergebnisse liefern wie in den anderen Bundesländern. Allerdings gebe es in Wien nicht nur deutlich mehr Jugendliche aus Migrantenfamilien als in anderen Bundesländern (44 vs. maximal 17 Prozent), es gebe auch deutlich mehr Jugendliche mit äußerst gering gebildeten Eltern. Das habe dann auch massiven Einfluss auf den Mittelwert bei der Leistung aller Wiener Schüler.

Extreme Leistungsschwankungen zwischen Schulen

"Extrem groß" (Schreiner) sind die Leistungsschwankungen zwischen den einzelnen Schulen: Über alle Schulen hinweg liegt der Mittelwert beim Lesen beim 537 Punkten. An den schwächsten Standorten wurden beim Lesen im Schnitt allerdings nur 350 Punkte erreicht, dort haben die Schüler im Schnitt also Probleme selbst beim Lösen einfacher Leseaufgaben. An den besten Schulen wurden hingegen 670 Punkte erreicht, hier wurden von einem großen Teil der Schüler die Erwartungen an diese Altersgruppe also zu einem Gutteil sogar übertroffen. Laut Schreiner kann ein gewisser Teil der Schwankungen durch die Rahmenbedingungen (Urbanitätsgrad, soziale Zusammensetzung der Schüler etc.) erklärt werden. Wie der sogenannte "faire Vergleich" zeigt, schnitten allerdings manche Schulen auch deutlich schlechter bzw. besser ab als andere Schulen mit gleichen Rahmenbedingungen. Schreiner berichtet von bis zu 70 Punkten Abweichung, das entspricht etwa zwei Lernjahren. "Das zeigt, dass man mit Unterricht etwas bewirken kann."

Kommentare

higgs70

Naja, altes Lied, Fernseher abdrehen,Computer abschalten, mit Kind reden, hinsetzen und vorlesen, Fragen beantworten, wurscht welchen sozioökonomischen Hintergrund man hat. Der Grundstein wird bereits im Volksschulalter gelegt, aber die Schule allein kann Sprachkompetenz nicht herstellen, wer schlecht versteht, liest auch nicht gerne und das zieht sich dann halt bis in die höheren Schulstufen durch.

Und dass da Gruppenunterschiede bestehen liegt halt daran, dass die Bessergebildeten noch eher darauf darauf Wert legen es zu tun, aber die Zeiten wo sich nur die Betuchten und Akademiker Bücher leisten konnten sind schon lange vorbei.

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