Bilanzieren mit der ÖVP

von Stefan Melichar © Bild: News/Ian Ehm

Die Politik liebt den sprichwörtlichen kleinen Mann und die kleine Frau. Vor allem, wenn diese brav sind. Wenn sie brav ihre Steuern zahlen. Wenn sie brav im Café die Rechnung mitnehmen. Und falls es sich um einen kleinen Unternehmer oder eine kleine Unternehmerin handeln sollte, muss natürlich auch dort jede Kleinigkeit penibel erfüllt werden. Wehe, man muckt auf.

Dabei sind viele Vorschriften sicherlich richtig und gut. Manchmal nimmt es vielleicht unbeabsichtigte Ausmaße an. Aber Regeln sind Regeln, und wenn sie für alle gelten, wird es im Großen und Ganzen schon passen.


Wie brav ist aber nun die Politik selbst? Natürlich darf man hier nicht verallgemeinern. Aber einen seltenen Einblick ermöglicht der Ermittlungsakt zur ÖVP-Parteifinanzierungsaffäre rund um die Agentur Mediaselect. Darin findet sich ein wahres Kleinod der Buchhaltungskunst, das jedem Unternehmer, der auf Heller und Pfennig genau abrechnen muss, die Zornesröte ins Gesicht treiben würde. Zum Hintergrund: Die ÖVP schaltete über die Mediaselect in großem Stil Inserate. Bei der Agentur gab es ein Buchhaltungskonto für Geschäfte mit der ÖVP, bei der ÖVP eines für Geschäfte mit der Agentur. Und eigentlich müssten die vermerkten Geldbewegungen einigermaßen korrespondieren. Ein Sachverständiger hat die Bücher nebeneinandergelegt. Und siehe da: Laut "vorläufiger Befundaufnahme" stimmen von 2005 bis 2010 mehr als 40 Buchungen zu Ausgangsrechnungen, Gutschriftbelegen und dergleichen nicht überein. Ein "nicht unbeträchtlicher Teil" langte bei der ÖVP nicht im Rechnungswesen ein, formulierten es Ermittler. Die Differenz bei Rechnungen beläuft sich auf rund 600.000 Euro, die bei Gutschriften auf 800.000 Euro. Wie kann das gehen? Laut Verdachtslage gab es bei der Agentur einen Geldtopf für die ÖVP, aus dem Zahlungen abseits der Parteikasse getätigt werden konnten. Das erinnert an das legendäre Schwarzgeld-Sparbuch mancher Gewerbetreibenden. Mit dem Unterschied, dass Letzteres nicht über mutmaßliche illegale Parteispenden gespeist wurde. Alle bestreiten sämtliche Vorwürfe.

Kein Wunder jedenfalls, dass in der Causa Mediaselect die Finanz auf den Plan trat - wegen des Verdachts zu niedriger Steuererklärungen durch die Agentur. Diese strafrechtlichen Ermittlungen wurden zuletzt aber eingestellt, auch gegen mutmaßliche Beitragstäter und die ÖVP. Eine angeblich unscharfe Formulierung im Verfahren führte zur Verjährung.


Bitte, kleine Leute, machen Sie das trotzdem lieber nicht nach!