Besuch bei Mr. Oscar Stefan Ruzowitzky

"Freu mich, wenn jemand meine Filme mag"

Besuch bei Mr. Oscar Stefan Ruzowitzky © Bild: Ricardo Herrgott

Stellt man sich so den Empfang bei einem Oscar-Preisträger vor? Ein unauffälliges Grundstück am Wiener Stadtrandluxus in Klosterneuburg, hoch umrandet mit einer weißen Mauer, am Namensschild steht nichts. Der Türöffner schnarrt. Man tritt ein und befindet sich in einer Garage. Gemeinsam mit einem Moun­tainbike, einem verstaubten Lancia, Baujahr 2000, wie später zu erfahren ist. Dann ein Stück Wiese, ein Pool, ­dahinter das Haus. Beton, Stahl, viel Design. Stefan ­Ruzowitzky tritt aus dem ­Schatten der Tür. „Kommen Sie nur weiter.“

Forschungspremiere. „Ruzo“, wie ihn seine Freunde nennen,
die wirklichen, die seit der Oscar-Verleihung dieselben geblieben sind, führt uns in die offene Wohnküche. In der Hand einen Bund Schalotten, die er schneidet und samt Karotten und Gurken auf einen Teller legt. Da­neben, am Herd, brutzelt eine Bratwurst. Es ist 14 Uhr.

Er sei zu spät zum Kochen gekommen , meint der Gastgeber, man möge ihm ver­zeihen. Dann deutet er auf ­einen Stapel von Drehbüchern, die auf dem Tisch in seinem Wohnzimmer liegen. Stoffe für irgendwelche Filme, die man ihm angedient hätte, meint „Mr. Oscar“, beißt in eine rohe Karotte und fragt: „Wissen Sie, wie viele selbst ernannte Produzenten in Hollywood herumlaufen?“ Ruzowitzky schiebt ein Stück Bratwurst nach: „Tausende! Jeder daherge­laufene Agent hat eine Visitenkarte, auf der ,Producer‘ steht.“
Zehn Minuten später, auf der Terrasse hinter dem Haus. Eine uralte Mauer begrenzt das Grundstück, wilder Wein rankt sich in die Höhe, eine Katze kreuzt den Weg. „Das ist Fidibus“, erläutert Ruzowitzky. Zwei Hasen gäbe es auch noch, lebende Kuscheltiere für seine Töchter: Speedy und Fluffy. Und einen Kirschbaum. Ruzowitzky krallt sich eine Leiter und steigt hoch. „Die entwickeln sich prächtig.“

Danach setzt er sich zum Gespräch über fast alles, was sein Leben vor und nach dem Oscar ausmacht.
NEWS: Wie hat sich Ihr privates Leben seit dem Oscar verändert?
Ruzowitzky: Sobald ich nachhause komme, hat sich überhaupt nichts verändert, was ja auch der Sinn einer Familie ist. Verändert hat sich, dass ich eine öffentliche Person geworden bin und, sobald ich die eigenen vier Wände verlasse, erkannt wer­de, egal ob im Supermarkt oder auf der Straße.

NEWS: Sie verstecken sich ja nun auch nicht, waren auch am Life Ball …
Ruzowitzky: Nein, natürlich nicht. Aber ist schon gewöhnungsbedürftig, wenn man seine Anonymität verliert. Ständig hagelt es Anfragen, irgendetwas zu machen. Daher muss man schauen, dass man den Beruf nicht aus den Augen verliert und nur noch auf Partys herumrennt.

NEWS: Hat sich unter den Leuten, mit denen Sie zusammenarbeiten, oder auch Freunden und Bekannten etwas ge­ändert? Unter dem Motto: Wenn man schlagartig be­rühmt wird, dann hat man Freunde, die man vorher nicht gehabt hat?
Ruzowitzky: Ich glaube, dass mich der Oscar zu einem sehr günstigen Zeitpunkt in meinem Leben ereilt hat. Nehmen Sie nur den Florian Henckel von Donnersmarck, der mit seinem Erstlingsfilm gewonnen hat: Da ist ein ­Os­car auch eine enorme Bürde. Mich hat es in der Mitte des Lebens, der Karriere erwischt. Ich habe schon erfolgreiche Filme gemacht und auch Misserfolge produ­ziert, ich weiß auch, dass es weiter auf und ab geht, und hin und wieder klappt es nicht so gut oder auch besser.

NEWS: Haben Sie am Anfang gegenüber den Medien ein ­bisschen eine Wand hochziehen müssen?
Ruzowitzky: Ich habe beschlossen, offen gegenüber der Presse zu sein. Schließlich ist der Oscar nicht nur meine Leistung. Er steht für den Film und das Team. Und für die ganze österreichische Film­industrie, denn er wur­de ja auch mit Steuer- und Gebührengeldern gemacht. Man hat Ruhm und Freude mit dem Rest Österreichs zu teilen, und das macht man eben über die Medien.

NEWS: Wo sind dabei Ihre persönlichen Grenzen?
Ruzowitzky: Ich möchte zum Beispiel nicht, dass man meine Kinder fotografiert, lasse nur sehr alte Aufnahmen veröffentlichen. Sie sollen keine öffentlichen Personen werden, sondern eine normale Pubertät haben.

NEWS: Sie versuchen also, Ihre Familie zu schützen?
Ruzowitzky: Nicht ganz. Meine Frau kann es mit der Öffentlichkeit halten, wie sie will. Sie hat in Klosterneuburg ein Secondhandgeschäft und versucht, das auch ein bisschen für ihre Kundenfrequenz zu nutzen.

NEWS: Wie sieht eigentlich Ihr Arbeitstag aus?
Ruzowitzky: Ich bin im Gegensatz zu meiner Jugend ein Früh­aufsteher geworden. Wenn ich um acht Uhr noch im Bett liege, frage ich mich: Was machts du eigentlich da? Am Vormittag schreibe ich Drehbücher oder lese sie. Mit­tags kommen meine Töchter von der Schule, und wenn meine Frau im Geschäft ist, koche ich.

NEWS: Kochen Sie gern?
Ruzowitzky: Ja. Meine Frau hingegen überhaupt nicht. Das gleicht sich gut aus.

NEWS: Klingt ziemlich bieder, Ihr Leben. Waren Sie eigentlich einmal das, was man ­einen „wilden Hund“ nennt?
Ruzowitzky: Ja, bis zu einem gewissen Grad. Ich habe mir lange Zeit ja gar nicht vorstellen können, eine Familie zu haben. Jetzt verläuft mein ­berufliches Leben dermaßen unbeständig, dass ich privat eine feste Basis brauche. Wäre ich pragmatisierter Beamter, vielleicht hätte ich dann ein wildes Privatleben als Ausgleich.

NEWS: Glücklich verheiratet?
Ruzowitzky: Ja. Seit elf Jahren. Vor meiner Frau gab es nie eine Beziehung, die länger als drei Monate gedauert hat.

NEWS: Sie sind seit dem Oscar mit Ehrungen überhäuft worden. Ist Ihnen das unan­ge­nehm?
Ruzowitzky: Ich hab den Ehrenring der Stadt Klosterneuburg, den Wiener Rathausmann, die Kulturmedaille des Landes Oberösterreich und den Billy-Wilder-Preis. Das sind halt Auszeichnungen, die ich bekommen habe für diesen einen Preis, den Oscar. Es ist eine Form der Anerkennung, und natürlich bin ich in Maßen auch ein bisschen ein eitler Mensch. Ich freue mich einfach, wenn jemand meine Filme mag.

NEWS: Wie viele Einladungen zu Veranstaltungen bekommen Sie pro Woche?
Ruzowitzky: Mehrere pro Tag.

NEWS: Nach welchen Kriterien selektieren Sie?
Ruzowitzky: Wenn es Sachen sind, wo es um Film geht, gehe ich eher hin. Einmal war es so, dass die „Seitenblicke“-Redaktion anfragen ließ, ob ich komme, und erst dann ein Kamerateam geschickt hätte. So was finde ich schon ziemlich skurril.

NEWS: Sind Sie eigentlich ein politischer Mensch?
Ruzowitzky: Im Prinzip fände ich es reizvoll, die Welt mitgestalten zu können. Auch die kleine Welt Klosterneuburg. Aber vorläufig finde ich es noch reizvoller, Filme zu machen. Da bin ich momentan dick drinnen.

NEWS: Geht es im Filmgeschäft nicht ähnlich brutal wie in der Politik zu?
Ruzowitzky: Schon. Nur hier gibt es eher eine positive Kon­kurrenz. Man versucht, was zu machen, das besser ist als das der anderen, sowohl am Kinomarkt als auch wenn’s um Fördergelder geht. Man sagt: „Meins ist besser, schaut euch meins an.“ Aber man sagt nicht: „Schaut euch nicht das von anderen an.“

NEWS: Haben Sie Neider?
Ruzowitzky: Wahrscheinlich. Aber die geben sich nicht zu erkennen. Jemand hat mir mal gesagt, dass die Wahrscheinlichkeit, als Österreicher beim Lotto einen richtigen Sechser zu tippen, höher ist, als einen Oscar zu gewinnen. Da lohnt es sich eben kaum mehr, neidig zu sein. Missgünstig sollte man wirklich nicht sein.

NEWS: Wenn Sie Geld ohne Ende hätten, welchen filmischen Wunschtraum würden Sie sich erfüllen?
Ruzowitzky: Keine Ahnung. Ich habe eben nicht Geld ohne Ende. Aber es gibt da so ein uraltes Projekt, das wäre relativ aufwendig. Es ist ein ­historischer Stoff und spielt im Mittelalter, mit Minnesängern und so. Ich bin draufgekommen, dass Themen, wie der Kampf zwischen Idealismus und Pragmatismus, und Helden, die in einem moralischen Dilemma sind, mich sehr ansprechen.

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