"Beim Sparen darf es kein Tabu geben":
Pröll über neue Steuern und Spekulationen

FORMAT-Talk: Schwerpunkt bei Ausgaben setzen "Mittelstand stöhnt weiter unter hohen Steuerlast"

Vizekanzler Josef Pröll hat ein bewegtes Jahr hinter sich. Der Rückblick auf das vergangene Jahr müsste Josef Pröll eigentlich ein Lächeln entlocken. Vor einem Jahr noch als ÖVP-Kronprinz hinter Wilhelm Molterer gehandelt, übernahm der 40-Jährige nach der Wahlniederlage der ÖVP bei der Nationalratswahl Ende September zwei Monate später die Volkspartei. Wenige Tage später führte er als Finanzminister die ÖVP in eine Regierung mit der SPÖ unter Kanzler Faymann. In der Krise entwickelte der Niederösterreicher als Finanzminister das Profil des Machers in der Regierung, was sich auch in aktuell etwas besseren Umfragewerten als jenen des Bundeskanzlers niederschlägt. In der ÖVP gilt Pröll als derzeit völlig unumstritten. Im Interview mit FORMAT spricht Pröll jetzt über neue Steuern, das Geld für die Budget-Konsolidierung und die verspekulierten Gelder des Bundes.

"Beim Sparen darf es kein Tabu geben":
Pröll über neue Steuern und Spekulationen

FORMAT: Herr Finanzminister, wir haben hier den Konzernabschluss-Bericht 2008 der Raiffeisenlandesbank Wien-Niederösterreich. Darin ist zu lesen, dass der Gewinn vor Steuern 2,6 Millionen Euro betrug, nach Steuern 29 Millionen Euro Überschuss. Finden Sie das eine faire Besteuerung?
Pröll: Ich kann einen Konzernabschluss nicht in dieser Kürze interpretieren. Aber unser Steuersystem ist bei der Lohn- und Einkommenssteuer und bei der Körperschaftssteuer ausgewogen.

FORMAT: Was müsste ein Kleinunternehmer tun, damit er in schwierigen Zeiten nach Steuern mehr erhält als vor Steuern?
Pröll: Ich kann dieses Beispiel jetzt nicht konkret beurteilen. Es gibt auch für Kleinunternehmer sehr viele steuerliche Absetzmöglichkeiten.

FORMAT: Wie viel Prozent vom Einkommen oder vom Gewinn halten Sie für einen fairen Steuersatz?
Pröll: Wir sind bei der Lohnsteuer und bei den Unternehmen an einer Belastungsgrenze angelangt. Wir haben zwar zuletzt die Tarife gesenkt, aber keine Strukturreform vollzogen. Der Mittelstand stöhnt weiter unter einer hohen Steuerlast.

FORMAT: Woher soll denn das Geld dann für die Budgeterholung kommen?
Pröll: Es wird die Zeit der Konsolidierung kommen müssen, allerdings nicht jetzt, wo wir an einem kritischen Punkt angekommen sind.

FORMAT: Sondern wann?
Pröll: Wenn wir einen genauen Überblick darüber haben, wie sich die Ausgabenstruktur in der Krise entwickelt hat, und wir den Konsolidierungsbedarf kennen. Und es ist wichtig, dann zu reagieren, wenn der Aufschwung nachhaltig und gestärkt abgesichert ist.

FORMAT: Wenn konsolidiert wird, trifft es dann wieder die breite Mittelschicht? Oder gibt es andere Einnahmemöglichkeiten?
Pröll: Wenn es ums Sparen geht, darf es kein Tabu geben. Vor der Konsolidierung kann sich niemand drücken. Man muss aber genau ausloten, wer überhaupt noch wie viel leisten kann. Ansonsten bekommen wir auch psychologisch ein Problem, dass Leute, die hart arbeiten und hohe Abgaben zahlen, irgendwann die Nase voll haben.

FORMAT: Schließt das nun neue Steuern aus?
Pröll: Ich sehe keinen Ansatz für neue Steuern.

FORMAT: Auch keine Art von Vermögenssteuern?
Pröll: Jeder, der neue oder höhere Steuern fordert, nimmt den zentralen Druck, den wir aus der Krise lernen sollten, in der Verwaltung und bei uns selbst anzusetzen. Es ist das Einfachste für einen Finanzminister, an der Steuerschraube zu drehen. Das wäre aber ein fatales Signal. Steuern erhöhen oder neue Steuern einführen wird es mit der ÖVP nicht spielen.

FORMAT: Woher soll aber letztlich das Geld kommen: Die Mittelschicht wollen Sie nicht belasten, neue Steuern gibt es auch keine. Also einzig Ausgaben kürzen?
Pröll: Es wird einen absoluten Schwerpunkt bei den Ausgaben geben müssen. Das wirkt auch nachhaltiger.

FORMAT: Sie geben derzeit viel für die Banken aus. Aktuell verhandeln Sie mit der Bawag und der Bank Austria. Welche Auflagen wird es da geben?
Pröll: Es ist richtig, wir verhandeln sehr intensiv mit den beiden Banken. Aber ich werde niemandem über die Medien etwas über Auflagen ausrichten. Beide Banken sind in ausländischem Besitz und haben damit eine andere Problemlage. Aber Sie können sicher sein, dass wir hart verhandeln. Das Steuergeld und das Partizipationskapital soll so angelegt werden, dass es Erträge abwirft und wir es wieder zurückbekommen.

FORMAT: Und es ist in Ordnung, dass die mit Steuergeld geretteten Banken jetzt wieder hohe Gewinne einfahren?
Pröll: Sie müssen die Dramatik der Stunden und Tage nach der Lehman-Pleite am 15. September vergangenen Jahres erkennen. Es stand die Frage des Zusammenbruchs der globalen Finanzwelt im Raum. Ein Beispiel aus Österreich: Hätte die Republik die Kommunalkredit nicht aufgefangen, wären viele österreichische Gemeinden vor dem Kollaps gestanden. Das kann niemand wollen. Darum ist der Staat unter schwierigen Konditionen und mit ungewöhnlichen Maßnahmen eingeschritten.

FORMAT: Die Kommunalkredit ist ein gutes Beispiel für eine Bank mit öffentlichen Aufgaben, die sich, in einer Steueroase sitzend, verspekuliert hat.
Pröll: Da bin ich für volle Aufklärung.

FORMAT: Die ÖBFA, die Österreichische Bundesfinanzierungsagentur, hat das auch gemacht. Wissen Sie schon, auf welchen Papieren die Republik noch sitzt?
Pröll: Es ist ein merkwürdiger Vorwurf, es sei Steuergeld verspekuliert worden. Es ist umgekehrt: Die ÖBFA nimmt auf dem Kapitalmarkt Geld auf, um das Budgetdefizit zu finanzieren. Es fließt kein Steuergeld an die ÖBFA zu Spekulationszwecken. Die einzige Frage, die legitim auf dem Tisch liegt und von einer Expertengruppe gerade diskutiert wird, ist: Welche Veranlagungsstrategie soll es in Zukunft in einem öffentlichen Unternehmen geben?

C. Milborn, M. Pühringer

Was Josef Pröll über die mögliche Kandidatur seines Onkels Erwin zum Bundespräsidenten sagt, lesen Sie im FORMAT 35/09!