Breite Kritik
an Regierungsplänen

Behindertenanwalt Hofer zeigt sich "erschüttert" - Liste Pilz "empört"

Die durchgesickerten Überlegungen der Regierung, das In-Kraft-Treten des Erwachsenenschutzgesetzes aus Geldmangel zu verschieben, löste bei den Behindertenvertretern Empörung aus.

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Behinderte - Breite Kritik
an Regierungsplänen

"Es ist erschütternd, welchen Stellenwert die Bundesregierung den Rechten von Menschen mit Behinderung einräumt. Nach der Festlegung zum Ausbau der Sonderschulen und der Beibehaltung des bloßen Taschengeldes in Werkstätten wäre dies ein weiterer massiver Rückschlag in der Behindertenpolitik", kritisierte Behindertenanwalt Hansjörg Hofer. Er hoffe, dass sich die Regierung noch zu einer anderen Entscheidung bewegen lässt. Hofer wies darauf hin, dass die beabsichtigte Verschiebung noch eines Gesetzesbeschlusses bedürfe.

"Ein Schlag ins Gesicht"

Als "empörend" bezeichnete es Liste-Pilz-Klubobmann Peter Kolba, "dass diese Regierung beschlossene Gesetze offenbar reihenweise wieder ändern, abschaffen oder verschieben will". Im konkreten Fall des Erwachsenenschutzgesetzes sei das "ein Schlag ins Gesicht all jener Menschen mit Behinderung, die - entgegen allen Hoffnungen - nun weitere Jahre 'besachwaltet' bleiben sollen".

Griss: Reform muss endlich kommen

NEOS-Justizsprecherin Irmgard Griss übte ebenfalls Kritik: "Das Sachwalterrecht ist mittlerweile über 30 Jahre alt und längst nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Die Reform, die letztes Jahr einstimmig im Nationalrat beschlossen wurde, hätte nun endlich ein flexibles Sachwalterrecht gebracht, das die Freiheit und Selbstbestimmung betroffener Personen bestmöglich schützt. Es ist unverständlich, warum die ÖVP-FPÖ-Regierung nun einen Rückzieher macht." Griss fordert die Regierung auf, die Umsetzung nicht länger hinauszuzögern.

Eine Verschiebung des Gesetzes würde bedeuten, dass eines der Vorzeigeprojekte zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Österreich infrage gestellt würde, sagte Christina Wurzinger, Vorsitzende des Unabhängigen Monitoringausschusses zur Umsetzung der UN-Konvention.

Behindertenrat und Diakonie nicht eingebunden

"Inakzeptabel und ein Schritt in die absolut falsche Richtung" ist die Verschiebung des Erwachsenenschutzgesetzes um zwei Jahre aus Sicht des Österreichischen Behindertenrates. Die gesetzlich anerkannte Interessensvertretung betonte in einer Aussendung, dass sie - obwohl offizielles Beratungsgremium - nicht in diese Entscheidung eingebunden war.

Die Überarbeitung der Sachwalterschaft sei bereits lange überfällig gewesen, um der UN-Behindertenrechtskonvention zu entsprechen. Nun die Umsetzung zu verschieben, sei unvertretbar, erklärte Behindertenrats-Präsident Herbert Pichler.

"Das ist eine falsche Prioritätensetzung" kritisierte der Direktor der Diakonie Österreich, Michael Chalupka, dass "dieses Vorzeigeprojekt nun auf die lange Bank geschoben" werden soll. Auch er trat der Darstellung entgegen, es wären Behindertenvertreter in die Entscheidung eingebunden gewesen: "Dies wäre uns neu. Wir haben die Neuigkeiten leider aus den Medien erfahren."

Lebenshilfe-Generalsekretär Albert Brandstätter verwies darauf, dass das neue Gesetz - nach den nötigen Anfangsinvestitionen - Kosten verringern werde. Schließlich habe die bisherige Rechtslage in der Hälfte der Fälle zu einer - aufwändigen - Sachwalterschaft für alle Anliegen geführt.

Erwachsenenschutzgesetz Teil der Budgetverhandlungen

Das Erwachsenenschutzgesetz, das mit 1. Juli in Kraft treten und Menschen mit Behinderung mehr Autonomie und Selbstbestimmung bringen sollte, ist tatsächlich infrage gestellt. Das Gesetz sei "Verhandlungsgegenstand der laufenden Budgetverhandlungen". Mehr könne man dazu nicht sagen, hieß es aus dem zuständigen Justizministerium auf Anfrage.

Das Gesetz, das im Vorjahr von allen Parteien im Parlament einstimmig beschlossen wurde, sollte das 30 Jahre alte Sachwalterrecht ablösen. Damit sollte die Handlungsfähigkeit von Menschen mit Behinderung nicht mehr pauschal eingeschränkt werden. Es sind abgestuft Formen der Vertretung vorgesehen, je nachdem, in welchem Ausmaß ein Mensch Unterstützung benötigt.

Die Kosten dafür hätten heuer 9,5 Mio. Euro betragen und wären in den nächsten Jahren kontinuierlich gesunken, 2019 auf acht Mio., 2020 auf sieben und 2021 auf nur mehr zwei Mio. Euro. Die Anfangskosten ergeben sich durch den Personalmehrbedarf, der allerdings bis 2022 durch den Abbau von gerichtlichen Erwachsenenvertretungen weitgehend zurückgehen wird, heißt es im Vorblatt zum Gesetz. Die Finanzierung wurde vor einem Jahr noch zugesichert.

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