Weihnachtsgrüße
von der Baumafia

Ermittlungen gegen zahlreiche Baufirmen bringen massive Vorwürfe ans Tageslicht

Schwerer Verdacht: Zahlreiche Baufirmen sollen bei öffentlichen Aufträgen zulasten der Steuerzahler Preise abgesprochen haben. Es geht um Millionen. Außerdem wird wegen möglicher Beamtenbestechung ermittelt. News hat die Akten

von Bagger © Bild: Istockphoto.com/Nooscapes

Alles begann mit einer Razzia der Steuerfahndung bei einem Mitarbeiter einer Kärntner Baufirma vor etwas mehr als einem Jahr. Nun ermittelt die Wirtschafts-und Korruptionsstaatsanwaltschaft in Wien. Und in weiten Teilen der Baubranche in Ost-und Südösterreich ist Feuer am Dach. Es geht um einige der größten Bauunternehmen Österreichs. Es geht laut Verdachtslage um eine -augenscheinlich systematische -Bereicherung auf Kosten der öffentlichen Hand. Und es geht mittlerweile auch um Beamte, die ihre private Hand aufgehalten haben sollen. Zumindest als eine Kärntner Baufirma mit Weihnachtsgrüßen und Tankgutscheinen vorbeikam.

Auslöser der Ermittlungen ist ein roter Aktenordner, den der eingangs erwähnte Mitarbeiter während der Steuerrazzia beiseiteschaffen wollte. Das gelang ihm nicht. Die Beamten fanden -sauber gegliedert mit 54 Registerkarten -Unterlagen und handschriftliche Notizen zu zahlreichen Bauprojekten. Aus diesen ergibt sich ein schwerer Verdacht: der Verdacht, dass zumindest über rund zehn Jahre hinweg in großem Stil Baufirmen Preise untereinander abgesprochen haben. Und dass sie Auftraggebern überhöhte Angebote unterjubelten, um das Geld untereinander aufzuteilen. In vielen Fällen zulasten der Steuerzahler.

Verdächtige Notizen

Wie lief das mutmaßliche Abkassierer-System? Die Antwort auf diese Frage findet man - einem Ermittlerbericht aus dem Februar 2017 zufolge -zum Beispiel bei Registerkarte zehn des roten Ordners. Dort geht es um die Autobahn A9 südlich von Graz. Ein Streckenabschnitt, den erholungsfreudige Wiener eher nur beim Vorbeifahren in Richtung der steirischen Weingegenden kennen, könnte für eine Reihe von Baufirmen eine Goldgrube gewesen sein: Im April 2014 war Abgabetermin für einen Bauauftrag der staatlichen Autobahngesellschaft Asfinag im Bereich "Schwarzlsee-Wildon".

Dazu finden sich im Aktenordner laut Ermittlern mehrere Blätter mit Grobrechnungen, zehn Firmenkürzeln und zum Teil auch Geldbeträgen sowie Hinweisen, die neben Firmennamen eingetragen wurden (siehe Faksimile). Als tatsächliche Bieterfirmen scheinen in den Unterlagen dann nicht zehn, sondern nur fünf Firmen auf. Bei mehreren anderen ist aber handschriftlich vermerkt: "gibt nicht ab","1,0 P". Und auf einem anderen Zettel findet sich neben den Firmenkürzeln wiederum der Betrag "147.800,-". Das entspricht einem Prozent ("1,0 P") der siegreichen Angebotssumme von rund 14,78 Millionen Euro.

Faksimile
© News Projekt A9 Schwarzlsee-Wildon
Faksimile
© News

Schadenersatz geprüft

Kurz gesagt: Die Ermittler hegen den Verdacht, dass sich die Baufirmen vorher abgesprochen haben und das Unternehmen, das den Zuschlag erhielt, dafür den anderen Geld gab. Es werde "davon ausgegangen, dass die Mittel für diese 'Abschlagszahlungen' aus überhöhten Angeboten bzw. Abrechnungen herrühren", heißt es im vorliegenden Bericht. Bezahlt hätte das beim A9-Projekt demnach - ohne ihr Wissen - die Asfinag mit Steuergeld. Auf einem der Papiere aus dem Ordner sind neben der Angebotssumme von rund 14,78 Millionen Euro übrigens "Schätzkosten" von nur 13,16 Millionen Euro angemerkt.

Hinweise auf rund 200 einzelne Bauvorhaben haben die Ermittler im roten Ordner gefunden. Die A9 ist nicht der einzige Fall, in dem die Asfinag als mögliche Geschädigte auftaucht. Die Asfinag schließt sich nun dem Ermittlungsverfahren an, heißt es auf Anfrage. Man habe eine interne Untersuchungsgruppe installiert. "Die Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen wird aktuell geprüft."

Neben der Asfinag gibt es noch eine Reihe anderer potenzieller Geschädigter der öffentlichen Hand: das Land Steiermark, das Land Burgenland, das Land Kärnten und diverse Gemeinden. Auch die Bundesimmobiliengesellschaft könnte betroffen sein -und zwar ausgerechnet in Bezug auf den Bau und die Sanierung des Justizzentrums Eisenstadt (siehe Faksimile).

Faksimile
© News

Suchbegriff "bar"

Gemeinsam mit der Justiz ermittelt auch die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB). Die Kartellwächter sind bekannt dafür, Unternehmen, die Preise absprechen, saftige Geldstrafen aufzubrummen. "Die Republik ist kein Selbstbedienungsladen", sagt BWB-Generaldirektor Theodor Thanner im Gespräch mit News. Schließlich gehe es hier um öffentliche Ausschreibungen. Eine internationale Studie habe ergeben, dass Kartellpreisaufschläge durch Angebotsmanipulationen bei Vergabeverfahren, wie diese allgemein in der Baubranche vorherrschen, deutlich höher seien als in anderen Branchen, erklärt Thanner. Auch aus diesem Grund stehe der Bausektor für die BWB im Zentrum des Interesses.

Thanner lobt die Kooperation mit der Wirtschafts-und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Auch sei positiv, dass die wesentlichen involvierten Unternehmen Zusammenarbeit mit den Behörden angekündigt hätten. "Ob es so sein wird, wird sich noch weisen", meint Thanner, der auch auf die Möglichkeit einer geringeren Strafe für Kronzeugen hinweist: "Diese Möglichkeit gibt es für alle Betroffenen."

Faksimile
© News

Tatsächlich hat die Kronzeugen-Option ein Mann bereits ungenützt gelassen. Er fühlte anonym über einen Anwalt vor, zog den Kronzeugenantrag aber wieder zurück. Trotzdem dürfte er den Ermittlern weitergeholfen haben. In der "Sachverhaltsmitteilung" des Anwalts war davon die Rede, dass es "bei rund 100 Auftragsverhältnissen in der Größenordnung von € 50 Mio. bis €100 Mio. zu Unregelmäßigkeiten bzw. Absprachen gekommen sein soll". In Zusammenhang mit dem roten Ordner ein wichtiger Hinweis.

Doch die Ermittler fanden noch mehr. Bei der Kärntner Baufirma K., deren Mitarbeiter mit dem Ordner erwischt wurde, sicherte die Steuerfahndung Computerdaten. Als die Ermittler den Suchbegriff "bar" eingaben, stießen sie auf Excel-Tabellen mit dem Titel "Weihnachtsliste". Auf diesen Listen sind Namen zahlreicher Beamter angeführt, die Tankgutscheine und "Kuverts" erhalten haben sollen.

Kuvert mit Gutscheinen

Wie News vor einigen Tagen aufdeckte, hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen 27 - teils namentlich bekannte, teils unbekannte - Amtsträger wegen des Verdachts der unerlaubten Vorteilsannahme eingeleitet. Der Großteil davon kommt aus Kärnten. Gegen mehrere Mitarbeiter der Firma K. wird diesbezüglich wegen Bestechungsverdachts ermittelt. Die Höhe der Tankgutscheine beläuft sich laut vorliegenden Listen auf 100 bis 300 Euro pro Jahr und Empfänger. Am meisten bekommen hätte demnach der Bezirkshauptmann von Villach-Land, Bernd Riepan. Er erklärt auf News-Anfrage, weder von der Firma K. noch von sonst jemandem Geld oder geldwerten Vorteil -auch nicht in Form von Gutscheinen -angenommen zu haben. Hintergrund könnte jedoch "eine Begebenheit aus dem Jahr 2013 sein, bei der mir anlässlich eines Weihnachtsbesuches auch ein Kuvert mit Gutscheinen überreicht wurde. Dazu ist festzuhalten, dass ich dieses Kuvert nach Prüfung des Inhaltes mit einer klarstellenden Bemerkung sofort zurückgewiesen habe."

Verdacht gegen Polizisten

Ob alle Beamte auf der Liste so ablehnend waren? Unter den mutmaßlichen Empfängern von Gutscheinen und Kuverts finden sich die Namen teils hochrangiger Landesmitarbeiter aus der Umweltabteilung und aus der Straßenverwaltung, darunter der Ombudsmann für Vergabeverfahren und der Verantwortliche für Controlling und die interne Revision. In der Straßenbauabteilung dürften vor allem Kuverts verteilt worden sein. Deren Inhalt ist unbekannt. Ein Mitarbeiter erklärte auf News-Anfrage, er habe kein Geld und keine Gutscheine entgegengenommen: "Ein Kuvert mit Weihnachtsgrüßen wurde übergeben." Die anderen antworteten nicht. Wer weiß, wie deren Weihnachtsgrüße genau aussahen?

Faksimile
© News

Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) will nun aufräumen. Ausgerechnet die ohnehin berühmt-berüchtigte Umfahrung Bad St. Leonhard scheint im roten Ordner auf (Faksimile oben). Der Kreis der mutmaßlichen Geschädigten dürfte noch größer werden. In den Akten finden sich zum Beispiel auch Hinweise auf Projekte der Städte Klagenfurt oder Villach. Von den Ermittlungen betroffene Baufirmen wie Porr und Strabag erklären, an einer raschen Aufklärung interessiert zu sein und interne Prüfer beauftragt zu haben. Für alle Betroffenen gilt in vollem Umfang die Unschuldsvermutung.

Die Justiz wiederum wird noch einige Zeit brauchen. Erst Anfang Mai gab es Razzien bei einer Vielzahl an Baufirmen. Kopfzerbrechen könnte das Innenministerium bekommen. Es laufen nämlich auch Ermittlungen gegen "unbekannte Täter" der Polizeiinspektion St. Andrä im Lavanttal. Dort sollen laut "Weihnachtslisten" Geldbeträge gelandet sein.