"Allgemein lief alles friedlich ab", erzählt Scheipl, "ich war mit sieben anderen Bauern da, gesehen haben wir von den Krawallen nichts. Wir sind weiter hinten gestanden. Ich habe aber gesehen, dass Wasser eingesetzt wurde und Heu gebrannt hat." Scheipl kennt die Probleme der Bauern aus eigener Erfahrung - er ist Bio-Milchbauer in Neumarkt am Wallersse und engagiert sich bei der IG Milch, einem Verein österreichischer Grünland- und Rinderbauern. "Viele Bauern, vor allem die Franzosen, sind in der Zwickmühle", erklärt der 51-Jährige. "Ein Resultat davon, dass sich die Politik nicht bewegt und immer mit denselben Aufschiebungen vertröstet."
Spotted ! Farmers on their way to #Brussels #agriculteurs #Milchkrise #milchbauern pic.twitter.com/THWwZuVrGj
— Özlem Deniz (@odenizEP) 7. September 2015
Die Demonstrationen wurden von dem European Milkboard initiiert, mit deren Forderungen sich auch einige europäische Bauernverbände identifizieren können. "Ich war mittlerweile schon auf mehreren Demonstrationen", so Scheipl, "wir haben die dritte Milchkrise innerhalb von sechs Jahren. Die Agrarpolitik versucht die Bauern immer wieder mit öffentlichen Geldern oder Steuergeldern zu beruhigen, eine dauerhafte, nachhaltige Lösung wird aber nicht gemacht."
Der Hintergrund
Spätestens seit April diesen Jahres sind die Milchpreise im Keller. Der heimische Erzeuger-Milchpreis für einen Liter konventionelle Milch liegt aktuell bei rund 30 Cent, vergangenes Jahr waren es bis zu 40 Cent.. Das ist zu wenig zum Überleben. Die heimische IG Milch*, die zum European Milkboard gehört, warnt vor einem Milchbauernsterben in Österreich.
Wie es dazu kommen konnte: Seit April können die Bauern so viel Milch produzieren, wie sie wollen. Zuvor mussten sich die einzelnen Betriebe an eine bestimmte Richtlinie halten, wie viel Milch sie produzieren dürfen, die sogenannte Milchquote . Wer mehr produzierte, musste eine Strafe an die EU zahlen (genannt "Superabgabe "). Diese wurde von der EU absichtlich zu hoch festgesetzt. Warum? Scheipl: "Zum einen, um die Milchbauern auf den Quotenausstieg vorzubereiten und zum anderen, um Überschüssen von Milch zu haben, um auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig zu sein."
Die Folge: Ein Überangebot an Milch. Das Problem dabei ist aber, dass die Nachfrage auf dem Weltmarkt begrenzt und die Konkurrenz groß ist. In Österreich vor allem deswegen, weil die Produktionskosten aufgrund der höheren Standards höher sind, als in anderen Ländern. Mit Billigproduzenten können Österreichs Bauern einfach nicht mithalten.
Die Lösung der EU
Nach der Demonstration von 7.000 Bauern in Brüssel versprach die EU-Kommission den Bauern Hilfsgelder von 500 Millionen Euro. Bis spätestens Mitte Oktober sollen die Gelder fließen. Die zahlreichen offenen Fragen sollen am Dienstag kommende Woche in Luxemburg beantwortet werden. Zum Beispiel aus welchen Töpfen die 500 Millionen Euro genommen werden sollen.
Blick v Ratsgebäude in #Brüssel v d Agrarministerrat -Versteh den Unmut der Bauern+setzemich für rasche Hilfe ein!ARpic.twitter.com/AYawUyIIh2
— AndräRupprechter(@BMRupprechter) 7. September 2015
Kritik
IG Milch Obmann Ewald Grünzweil bezeichnete das Hilfspaket der EU-Kommission als unzureichend und "als alten Hut". Maßnahmen wie Exportförderung oder Einlagerung würden nicht den Milchmarkt stabilisieren.
Scheipl zu News: "Die Ausrichtung der EU bedeutet für uns Bauern mit großem Kapitaleinsatz Spezialisierung, hohe Mechanisierung, Automatisierung (z.B. Roboter) und billigst für den Weltmarkt produzieren zu können. Das sind typische Kennzeichen einer Agrarindustrie. Und diese bedenkliche Entwicklung wollen wir auch im Sinne unserer Gesellschaft um jeden Preis verhindern. Deshalb waren wir auch in Brüssel, um zu demonstrieren."
Forderung der Bauern
Die IG Milch fordert einen Milchpreis von 50 Cent pro Liter für konventionelle Milch und 60 Cent für Biomilch. Der Preis soll den Milchbauern für die ersten 50.000 Liter gezahlt werden, dann soll es Preisabschläge von mehreren Cent geben. Der Bauernbund hatte kürzlich einen Milchpreis von mindestens 40 Cent und eine "Agrarmarkt-Control" zur Preisüberwachung gefordert.
Auch die Grünen in Österreich forderten eine Milchdrosselung und eine Qualitätsoffensive statt einer Exportförderung. "Wenn zu viel Milch auf dem Markt ist, müssen wir das Angebot verknappen - wir benötigen dringend eine Milchdrosselung" fordert Wolfgang Pirklhuber, Landwirtschaftssprecher der Grünen.
Was sich Stefan Scheipl, Vater von zwei Kindern, für die Zukunft wünscht: "Dass für die Bauern die Arbeitszeit fair entlohnt ist und wir vernünftig leben können. Für einen Bereitschaftsdienst von 24 Stunden an 365 Tagen wäre das nur gerecht. Ich mach das auch alles für meine Kinder: Damit ich mir nicht später anhören muss, warum wir nur zugeschaut und nichts dagegen unternommen haben."
In Österreich gab es 2014 rund 31.500 Milchbauern mit 534.000 Kühen. Sie produzierten 3,06 Mio. Tonnen Milch.Die Gesamterzeugung in der gesamten Europäischen Union beläuft sich nach Schätzungen der Kommission auf 151 Mio. Tonnen jährlich. 90 Prozent davon werden in der EU konsumiert, dieser Anteil sei relativ stabil. Für die EU werde kein Wachstum erwartet, daher will die EU-Kommission neue Märkte außerhalb der EU erschließen. Größtes Problem sei die nachlassende Nachfrage aus China, hieß es in Kommissionskreisen. Obwohl sich die Exporte des EU-Agrarsektor insgesamt seit dem Importverbot Russlands vergrößert haben, leiden etwa die baltischen Staaten massiv an dem Embargo.
* Die IG Milch hat nach eigenen Angaben rund 2.000 Mitglieder. Sie wurde 2004 aus einer Protestbewegung gegen Milchdumping-Preise bei großen Handelsketten gegründet.
Weiterführende Links:
- Aufstand der Bauern auf Twitter verfolgen: #farmaction
- Wie Sie als Milch-Käufer "faire" Milch erkennen
Kommentare
Wem wundert es, die Gurken und Bananen gerade bieger, haben von nichts eine Ahnung - Sie versprechen schon wieder unser Geld - dabei wäre ein wirtschaftlcher Boden für die Bauern wichtiger. Punkt
Eu muss fallen .. sonst ändert sich nie was
Nicht nur die Bauern:
https://www.youtube.com/watch?v=8mJ7qg1zd2c