Stillen: Was dafür &
was dagegen spricht

Wann frau nicht stillen sollte - Und aus welchen Gründen Stillen besser fürs Baby ist

Stillen führt über kurz oder lang zu Hängebrüsten, schränkt die Autonomie der Mutter ein und ist möglicherweise auch unsexy für den Partner - so viel zu den Vorurteilen über das Stillen. Anlässlich der "World Breastfeeding Week" gingen wir der Frage auf den Grund, was wirklich gegen das Nähren des Babys mit Muttermilch spricht. Und welche Argumente klar und deutlich für das Stillen stehen.

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Pro & Contra - Stillen: Was dafür &
was dagegen spricht

AUS DIESEN GRÜNDEN SOLLTEN SIE NICHT STILLEN

Auf das Stillen verzichten sollte eine Mutter dann, wenn sie an einer schweren Erkrankung leidet, die mit der Muttermilch auf das Kind übertragen werden kann. So zum Beispiel bei einer HIV-Infektion. Auch Abstand vom Stillen nehmen sollte frau, wenn sie Medikamente einnimmt, die den Organismus des Kindes schädigen können. Dasselbe gilt für Mütter, die alkohol- oder drogenkrank sind, weiß Prof. Dr. Nadja Haiden von der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde.

Hängebrüste? Nicht unbedingt

Oft wird Stillen als Beschränkung der mütterlichen Autonomie gesehen: Die Mutter müsse für das Kind verfügbar sein, könne nicht unmittelbar nach der Geburt in das Berufsleben zurückkehren und habe mitunter wenig Lust auf Sex. Zudem werden gerne kosmetische Nachteile - Stichwort Hängebrüste - mit dem Stillen in Verbindung gebracht. Wissenschaftliche Daten gibt es laut Haiden hierzu aber keine. Vielmehr sei die optische Veränderung der Brüste Folge allgemeiner Veränderungen in der Schwangerschaft: Das Bindegewebe lockert sich durch die hormonelle Umstellung.

DARUM IST MUTTERMILCH DAS BESTE FÜR IHR KIND

Kinder, die gestillt werden, sind gesünder

Die gesundheitlichen Vorteile des Stillens für das Kind sind vielfältig. Bei Kindern, die gestillt werden, reduziert sich das Risiko von Infektionen. "Muttermilch ist wie eine erste Impfung für das Kind, sie schützt das Baby vor möglicherweise tödlichen Infektionen und gibt ihm all die Nahrung, die es braucht, um zu überleben und zu gedeihen", betont der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus.

Im Speziellen leiden gestillte Kinder laut Haiden seltener an einer Mittelohrentzündung, an Infekten des Magen-Darm-Trakts sowie an Atemwegsinfektionen. Darüber hinaus reichen die positiven Folgen des Stillens bis ins Erwachsenenalter: Still-Kinder leiden später seltener an Fettleibigkeit, an zu Bluthochdruck sowie an Diabetes Typ 1 und Typ 2, wie die Expertin erklärt.

Muttermilch als Medizin

Gestillte Kinder erkranken später seltener an Zöliakie, also an der Glutenunverträglichkeit - vor allem dann, wenn die Getreideprodukte unter dem Schutz des Stillens in die Nahrungsmittelpalette des Kindes eingeführt werden. Es gibt auch wissenschaftliche Hinweise darauf, dass Stillen das Risiko entzündlicher Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa reduziert. Möglicherweise steuert es auch dem Entstehen von Asthma und Tumorerkrankungen entgegen. "Für Frühgeborene ist Muttermilch aufgrund dieser Effekte schon eher als Medikament, denn als Ernährung zu sehen", betont die Expertin.

Gestillte Kinder sind klügere Kinder

Und ob Sie's glauben oder nicht: Es gibt Studien, die belegen, dass Stillen den IQ des Kindes fördert. So viel zu den Vorteilen, die Stillen für das Kind bringt. Doch auch die Mutter profitiert vom Geben der Brust: Mit dem Stillen sinkt bei ihr die Wahrscheinlichkeit, an Eierstock- oder Brustkrebs zu erkranken.

KANN MILCHPULVER MUTTERMILCH 1:1 ERSETZEN?

Auf diese Frage antwortet Haiden mit einem entschiedenen Nein: "Zusätzlich zu den Nährstoffen, die Säuglingsmilch enthält, besitzt Muttermilch eine Vielzahl an weiteren Nährstoffen, aus denen sich unter anderem die gesundheitlichen Vorteile ableiten lassen." Mitunter handelt es sich um Abwehrstoffe zur Stärkung des Immunsystems - genauer gesagt um lebende Abwehrzellen, die Viren und Bakterien attackieren, Botenstoffe und Immunglobuline -, um Wachstumsstoffe für verschiedene Gewebe, um spezielle Fettsäuren, die das Gehirn und die Netzhautentwicklung fördern, sowie um unterschiedliche Prä- und Probiotika für die Darmflora und das Immunsystem.

"Säuglingsmilch ist daher ein Ersatz. Und wir sind froh, diesen zu haben. Aber man muss sich bewusst sein, dass ein Ersatz nie die volle Wirkung des Originals hat", unterstreicht Haiden.

WIE LANGE SOLLTE GESTILLT WERDEN?

Die WHO empfiehlt, Babys in den ersten sechs Lebensmonaten voll und bis zum Ende des 2. Lebensjahres oder darüber hinaus zusätzlich zu der ihrem Alter entsprechenden Kost zu stillen. "Im Prinzip kann man stillen, so lange Mutter und Kind es möchten", wobei Haiden auf einen klaren Zusammenhang zwischen der Stilldauer und den gesundheitlichen Vorteilen für das Kind verweist: "Je länger die Mutter stillt, umso geringer ist zum Beispiel die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind an einer Mittelohrentzündung erkrankt."

Zeitlich begrenzt sei das Stillen durch die körperliche Entwicklung und die zunehmende Autonomie des Kindes: Die Häufigkeit der Stillmahlzeiten nimmt sukzessive ab. Am Ende des 1. Lebensjahres wird meist nur mehr ein bis zwei Mal täglich (morgens und abends oder in der Nacht) gestillt. Ende des 2. Lebensjahres ist das Milchgebiss bereits voll entwickelt, sprich die Möglichkeit, feste Nahrung aufzunehmen, ist uneingeschränkt vorhanden. So viel zur Theorie. Und wie lange wird tatsächlich gestillt? "Hier gibt es große individuelle Unterschiede", sagt Haiden, ohne eine konkrete Dauer zu nennen.

FAZIT

Selbstverständlich muss jede Mutter für sich entscheiden, ob und wie lange sie stillt. Die gesundheitlichen Vorteile, die die Muttermilch für den Srpössling mit sich bringen, lassen sich aber nicht von der Hand weisen.

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