Mafia-Methoden?

Ehemaliger Mitarbeiter der AWD berichtet von "körperlicher Gewalt"

Die AWD arbeitet mit "mafiösen Methoden" um ihre Vermittler am Ausstieg zu hindern. Auch körperliche Gewalt und andere Drohungen seien im Spiel. Die Arbeiter würden in eine Schuldenspirale gedrängt, was einen Ausstieg de facto unmöglich mache. Das berichtet ein Ex-Manager im Gespräch mit dem Verein für Konsumenteninformation (VKI). Auch die Anleger sind stinksauer: Der Konzern muss sich derzeit mit tausenden Klagen herumschlagen, die dem Unternehmen systematische Fehlberatung vorwerfen.

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AWD-Skandal - Mafia-Methoden?

Die aggressiven Verkaufsmethoden von Finanzvertrieben haben in den vergangenen Jahren immer für Negativschlagzeilen gesorgt. Ein ehemaliger hochrangiger Manager des AWD sieht aber nicht nur die Kunden als Opfer von Strukturvertrieben, sondern auch die einfachen Vermittler. Neben "mafiösen Methoden", sollen auch "psychologisches Infiltrieren" und undurchsichtigen Provisonsflüssen auf der Tagesordnung stehen. Der Ex-Manager wirft dem Konzern ein "System" vor.

AWD dementiert
Bei AWD Österreich wurden derartige Vorwürfe am Freitag zurückgewiesen: "Aus unserer Sicht haben diese Geschichten mit der Realität von heute nichts zu tun", sagte ein Unternehmenssprecher auf APA-Anfrage.

Angstzustände, körperliche Gewalt und Drohungen
Seinen echten Namen wollte der ehemalige AWD-Manager nicht preisgeben, aus Angst vor Repressalien, wie er sagt. "Meine gesamte Familie ist geschädigt worden", teilweise sei es sogar zur Anwendung von körperlicher Gewalt gekommen. Er nennt sich "Maximilian von Ah" und hat seine Geschichte in einem Roman namens "Geld fressen Seele auf" (eine Anlehnung an Rainer Werner Fassbinders Film "Angst essen Seele auf") niedergeschrieben. Der Deutsche hat 1989 beim ein Jahr zuvor von Carsten Maschmeyer gegründeten AWD angeheuert und dort eine steile Karriere hingelegt. Kurz nach seinem Einstieg wurde er gemeinsam mit vier ebenso erfolgreichen AWD-Mitarbeitern in die Schweiz geschickt, um dort ein Vertriebsnetz aufzubauen. "Binnen der ersten 14 Monate hat AWD ein vermitteltes Kapitalvolumen von einer Milliarde Franken geschafft", erzählt von Ah.

Verwirrungstaktik
Wer wieviel verdient respektive bei wem mitschneidet, sei aber nicht das einzige, worüber die Strukturmitglieder im Dunkeln gelassen würden. Die Verwirrung fange schon beim Status der Vermittler an. Nach außen hin werde suggeriert, es handle sich dabei um "Mitarbeiter", in Wahrheit seien die "Agenten", wie von Ah sie nennt, aber selbstständig. Will heißen, sie erhalten kein Fixeinkommen mehr, sondern müssen nun selbst Erträge generieren, von denen dann noch diverse Kosten abgezogen würden. Den meisten Agenten werde dies aber erst bewusst, wenn sie schon in der "Schuldenspirale" gefangen seien: Zu Beginn gewährten Strukturvertriebe ihren Vermittlern Vorschüsse. Wenn ein Agent ein Geschäft abgeschlossen hat, müsse er nämlich in der Regel sechs Wochen bis sechs Monate warten, ehe er seine Provision sieht. So lange daure es, bis die Banken, Versicherungen etc. die entsprechenden Anträge der Finanzvermittler bearbeiten. "Es gibt keine Möglichkeit auszusteigen, sonst wird der Kredit fällig", schildert von Ah.

Und da taucht schon das nächste Problem auf: "Sie sagen: 'Bleib noch dabei. Aber um es dir einfacher zu machen, schau dich in seinem sozialen Umfeld um.'" Im Familien- und Freundeskreis sei es natürlich ungleich leichter, Versicherungsprodukte und Co. zu verkaufen, denn "da vertraut man Ihnen".

Bauernfänger auf den Straßen
Aber auch bei der sogenannten Kaltakquisition auf der Straße scheinen die Finanzvermittler mit allen Wassern gewaschen zu sein. Gearbeitet wird laut von Ah mit Suggestivfragen, verkauft würden Visionen, nicht Produkte. Ein typisches Eingangsgespräch laufe folgendermaßen ab: Vermittler: "Mal angenommen, Sie sind in Pension. Wird die Miete bis dahin eher steigen oder sinken?" Kunde: "Steigen." Der Vermittler zeige dem Kunden eine Tabelle, wonach er bis zur Pension noch insgesamt 1,5 Mio. Euro an Miete zahlen müsse, und sage: "Mal angenommen, wir könnten erreichen, dass Sie im Alter keine Miete mehr zahlen müssten ..." Und schon, so von Ah, sei eine Lebensversicherung als Tilgungsträger verklopft worden, ohne dass sie als solche verkauft worden sei. Dem Kunden sei nämlich suggeriert worden, er kaufe seine eigene schuldenfreie Immobilie.

Maschmeyer ein Blender?
Die Berechnungen und Bilder, mit denen in Strukturvertrieben gearbeitet werde, kämen "von oben". AWD-Gründer Maschmeyer habe sich zum Beispiel "bewusst" mit öffentlichen Personen - etwa dem ehemaligen deutschen SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder - ablichten lassen, um Seriosität zu suggerieren. Für Diskussionen gesorgt haben in Deutschland auch Maschmeyers geschäftliche Verbindungen zu Ex-Arbeitsminister Walter Riester (SPD) und dem früheren Politikberater und Wirtschaftsweisen Bert Rürup. Im Jahr 2000 hat die SPD unter Schröder die Pensionsvorsorge teils privatisiert und staatlich gefördert; die Riester-Rente eröffnete Strukturvertrieben einen Milliardenmarkt mit Millionen von Neukunden.

Rüstzeugs auf österreichischen Schulungen erhalten
In Österreich, berichtete VKI-Chefjurist Peter Kolba, hätten die AWD-Mitarbeiter "das wirkliche Rüstzeug für die Praxis" in sogenannten Motivationsschulungen bekommen. Diese hätten, zusätzlich zu den Produktschulungen, die im Falle der Immofinanz-Aktien von einem Constantia-Privatbank-Mitarbeiter durchgeführt worden seien, einmal wöchentlich stattgefunden.

Druck für die einen, Goldschmuck für die anderen
In den Schulungen dürfte es mitunter heiß hergehen. Agenten, die weniger potenzielle Kunden angerufen haben als angegeben, müssen sich laut von Ah vor versammelter Mannschaft rechtfertigen. Es würden Wettbewerbe um Beratergespräche und Abschlüsse geführt. Jene, deren Stornoquote höher als 5 Prozent ist, bekämen "Druck von oben" und müssten ihrem "Coach" vorführen, wie sie beraten. Die "Guten" hingegen würden belohnt, zum Beispiel mit Goldschmuck oder einer Spritztour mit einem Ferrari.

"Wie bei Sekten"
Zwischendurch rufe auch schon mal der Chef an und erkundige sich, wie viele Kontakte man abgearbeitet hat, so von Ah. "Die Leute werden angefixt, Termine zu klopfen, zu keilen. Es ist ein psychologisches Suggerieren und Infiltrieren über das Helfersyndrom, das man auslöst. Wie das bei Sekten der Fall ist: Sie merken das gar nicht."

Nachdem seinen Mitarbeitern aufgefallen sei, dass "die Provisionen bei uns unten nicht ankommen", habe er die AWD-Führung zur Rede gestellt. Ein "Maschmeyer-Adlatus" habe ihm dann schnell klargemacht, dass seine Aufenthaltsgenehmigung für die Schweiz über AWD laufe und er, der für 500 Vermittler verantwortlich gewesen sei und Büros in mehreren Städten zu finanzieren gehabt habe, eine Menge an Vorschüssen von der Firma bekommen habe. "Was meinen Sie, wenn man jetzt Ihren Faden abschneidet?", sei er gefragt worden. Da es auch bei seinem Managementvertrag Unregelmäßigkeiten gegeben habe und er die obligatorische Schweigeklausel nicht unterschrieben habe, habe er sich gewehrt. Mit angeblich drastischen Folgen. "Meine gesamte Familie wurde geschädigt von diesen mafiösen Methoden", behauptet von Ah. Vor Gericht konnte er dies jedoch nicht beweisen, denn "das lief derart im Hintergrund ab". Auch das habe System, so von Ah. Mitarbeiter, die "auspacken" wollen, würden "kaltgestellt": "Zum Schluss steht ein Vergleich im Raum: Wenn du den Mund hältst, erlassen wir dir einen Teil der Schulden." Hinzu komme, dass die Manager eine Menge an Zusatzverträgen unterschreiben müssten, die auch Konventionalstrafen von teils einigen hunderttausend Euro enthielten, sollte jemand plaudern.

Sammelklagen liegen auf Eis
Der VKI hat ja vor nunmehr zwei Jahren im Namen von rund 2.500 mutmaßlich geschädigten Immofinanz-/Immoeast-Anlegern fünf Sammelklagen gegen den AWD mit einem Gesamtstreitwert von 40 Mio. Euro eingebracht. Weitergegangen ist noch nicht viel, da sich die Gerichte nach einigen AWD-Einsprüchen immer noch mit Vorfragen herumschlagen müssen. Momentan, so Kolba, sind alle Verfahren ruhend gestellt, bis der Oberste Gerichtshof (OGH) anhand eines Musterfalls entschieden hat, ob in Österreich Prozesskostenfinanzierung gegen eine Quote anbieten darf.

Maschmeyer "Entfant terrible"?
Dass die - im Gefolge der Finanzkrise gehäuften - Negativberichte über derartige Anlegerskandale Strukturvertrieben auf die Dauer wirklich schaden, glaubt von Ah nicht. Es kämen eben neue Produkte und neue Vokabeln. "Da wird dann gesagt: 'Wir haben was verändert und starten eine Qualitätsoffensive", so von Ah. Auch wirkliche Nachwuchsprobleme hätten AWD und Co. nicht, so von Ah. Seinen ehemaligen Chef Maschmeyer, der seine AWD-Anteile vor rund drei Jahren an den Schweizer Versicherungskonzern Swiss Life abgegeben hat und mit der Schauspielerin Veronica Ferres liiert ist, bezeichnete von Ah als "Enfant terrible". "Das ist jemand, der auf Knopfdruck weinen kann."

Kommentare

GENAU SO IST ES UND TEILWEISE NOCH VIEL SCHLIMMER ! Ich war auch dabei und habe sehr schnell erkannt daß es um einfache Abzocke der sog. Mitarbeiter und der Kunden geht ! Sie sind nicht bereit, bekanntzugeben, wieviel Provision man für einen bestimmten Vertrag erhalten hat. Stattdessen gibt es Verwirrtaktik und Kosten ohne Ende, sodaß am Ende vom Lied alle Mitarbeiter Schulden haben, die eigentlich keine sind ! Man sollte gemeinsam gegen diese Methoden, die System haben, vorgehen, um diesem mafiösen Spiel ein Ende zu bereiten.

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genau so ist es und nicht anders. Aber wer glaubt den bitte daran, dass der kleine Mitarbeiter - egal in welcher Firma - gut aussteigt. Besonders die Strukturvertriebe sind besondere Kandidaten. Ich hab mir auch vor vielen Jahren einmal die OVB und die Deutsche Vermögensberatung angesehen. Die sind aus demselben Holz geschnitzt wie der AWD. Bei der OVB habe ich mir einmal einen Vortrag angehört wie das so abläuft und bereits am Gang sind die Gehaltszettel der besserverdienenden gehangen. Da wurden teilweise 400.000,-- ATS monatlich ausgewiesen. Ich konnte erst wieder nach einen halben Tag aus dem Büro flüchten, weil einem suggeriert wurde, dass jeder der jetzt geht ein Verlierer ist. Das war schon echt heftig und ich bin nicht gerade ein sensibler Mensch.

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Re: genau so ist es Auch ich habe Erfahrungen mit solch "seriösen" Beratern gemacht. Es war die typische Leier, "wir planen in xyz einen neuen Standort und benötigen Sie als örtlichen Mitarbeiter" der so zu sagen Versicherungen verkauft. ZUM GLÜCK (!!!) hat mich, damals 18-jährigen unentschlossenen Mann, mein Vater eindringlich davor gewarnt!!!!
Heute sehe ich zu, wie Leute die dem Geschäft zugestimmt haben, von ihrer ganzen Stadt gehasst werden, kein Scherz!!
Diese Leute stecken nun massiv in der Klemme, kein Zufall dass ich Jahre später noch angerufen und gefragt werde ob noch Interesse an einer Mitarbeit besteht. Und wie aufdringlich der am Telefon war, echt schlimm.

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