Europas letzte
Riesen in Gefahr

In Rumänen gibt es - noch - Urwälder wie vor 1.000 Jahren. Doch immer mehr Bäume werden illegal abgeholzt. Umweltschützer fordern das Einschreiten der EU.

von Ausland - Europas letzte
Riesen in Gefahr © Bild: Matthias Schickhofer

Wälder wie diese bedeckten Europa, bevor die Menschen mit Säge und Beton ihre Platz- und Be sitzansprüche geltend machten. Tiefes Grün, keine ausgetretenen Pfade, nur Bären, Wölfe und Luchse ziehen hier ihre Spur. Rumänien beherbergt innerhalb seiner Staatsgrenzen einen Naturschatz, wie es ihn in Europa in dieser Größe kein zweites Mal gibt. 120.000 bis 200.000 Hektar Urwald -in Österreich gibt es weniger als 1.500 Hektar davon - und 300.000 Hektar noch sehr naturnaher Wald wachsen an den Hängen der Karpaten. Das Land hat sogar einen "Waldminister". Doch der verteidige den Wald nicht, beklagen Umweltschützer.

© Matthias Schickhofer

Bis zu fünfzig Meter hoch sind die Buchenriesen in diesen letzten Urwäldern Europas, hunderte Jahre sind sie alt. Und eigentlich wären sie auch vor der wachsenden Gier nach Bau-und Brennholz geschützt. Ein großer Teil der Wälder befindet sich nämlich in Schutzgebieten wie etwa Nationalparks oder europäischen Natura-2000-G e b i e t e n. Und doch fressen riesige Forstmaschinen immer größere Löcher ins Grün. Nur noch etwa die Hälfte der Urwälder ist intakt.

Raubbau am Wald

18 Millionen Kubikmeter Holz betrage der durch Forstmanagementpläne genehmigte Jahreseinschlag. In Wahrheit würden aber 38 Millionen Kubikmeter gefällt, sagt Matthias Schickhofer von Save Paradise Forests. Schickhofer ist Fotograf, hat Bücher über letzte Urwälder (auch in Österreich sind diese in Gefahr) gemacht und ist oft in den rumänischen Wäldern unterwegs. Die Daten einer Waldinventur in den Jahren 2008 bis 2013 würden von den Behörden unter Verschluss gehalten, kritisiert er, wohl auch, weil durch diese das wahre Ausmaß illegaler Schlägerungen leichter nachvollziehbar würde. Als Ursachen für die Missstände nennt er Korruption im Land bis hinauf in die Regierung -und internationale Firmen, die nicht zu genau hinsehen, wenn sie Holz aus Rumänen kaufen. Auch österreichische Firmen sind im Land aktiv. "Die EU-Kommission müsste einschreiten", sagt Schickhofer und verweist darauf, dass aus ähnlichen Gründen ein EU-Verfahren gegen Polen eingeleitet wurde. Und dort nach Androhung massiver Strafzahlungen von 100.000 Euro pro Tag die Rodungen in Urwaldgebieten gestoppt wurden. Rumänen hat derzeit, nach Österreich, die EU-Ratspräsidentschaft inne. Regierungsmitglieder aus ganz Europa sollten wissen, wie es um jene Wälder steht, über die sie zu den EU-Gipfeln und für bunte Gruppenfotos nach Rumänien fliegen, meinen Umweltschützer.

Klimaretter Wald

Schon aus ganz eigennützigen Gründen sollte sich der Rest Europas für die letzten Urwälder des Kontinents interessieren. Denn sie sind nicht nur Zeugnisse ökologischer Vielfalt, die über Jahrhunderte gewachsenen Mischwälder halten auch die Folgen des Klimawandels wesentlich besser aus als die Monokulturen, die sich auf weiten forstwirtschaftlichen Flächen finden. Außerdem speichern die Baumriesen große Mengen Kohlenstoff und helfen damit, das Weltklima zu stabilisieren.

© Matthias Schickhofer

Was man nun in der Praxis tun kann, um die Urwälder zu retten? "Hinfahren!", sagt Matthias Schickhofer. "Je mehr Bilder es von diesen Wäldern auf Instagram und Facebook gibt, je mehr Menschen auf Urlaub in diese letzte Wildnis fahren, desto klarer wird für die Verantwortlichen in Rumänien, dass es auch andere wirtschaftliche Möglichkeiten rund um den Wald gibt, als ihn einfach abzuholzen."

Noch sei der Tourismus rund um die Nationalparks schlecht entwickelt. "Die Leute vor Ort brauchen Unterstützung, man muss Nationalparkranger ausbilden, die Touristen führen können, und man braucht Zeltplätze."

© Matthias Schickhofer

Schickhofer selbst empfiehlt beispielsweise Urwaldwandern im Făgăraș-Gebirge. "Kaum ein Gebirge in Mitteleuropa ist wilder. In den Făgăraș-Bergen gibt es tatsächlich noch Täler ohne jeden Weg - wie in den Alpen vor 5.000 Jahren. Das ist der Urwald-Hotspot in Mitteleuropa schlechthin." Weitere Tipps des Urwaldkenners: der Retezat-Nationalpark (eher etwas für Abenteurer, die auch im Zelt übernachten wollen) oder der Semenic-Cheile-Carașului-Nationalpark. Dieser ist auch UNESCO- Welterbe, weil sich hier der größte Buchenurwald in der EU befindet. Und das soll auch so bleiben.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der Printausgabe von News (18/2019) erschienen.

Weiterführende Links:
saveparadiseforests.eu
euronatur.org