Aus Meisterhand

Von wegen bedrohtes Gewerbe: Handwerker erklären, was es braucht, um in ihrer Branche ein florierendes Geschäft zu führen

von Wirtschaft - Aus Meisterhand © Bild: www.bigshot.at/Christian Jungwirth

Mehlstaub liegt in der Luft, es duftet nach Weizen, die Walzenstühle, in denen das Getreide zerrieben wird, scheppern lautstark. Der Müller Alois Klucsarits öffnet eine Klappe und blickt prüfend in den Mühlkasten. Seit 37 Jahren ist er in der Berghofer Mühle im steirischen Fehring beschäftigt, war schon als Lehrbub hier. "Er kennt jeden Handgriff auswendig. Wir sind praktisch zusammen aufgewachsen“, sagt Liane Berghofer. Sie führt den Betrieb, der fünf Angestellte beschäftigt, gemeinsam mit ihren beiden Schwestern.

Die Berghofer Mühle gehört zu den rund 134.000 Unternehmen in der Sparte Handwerk und Gewerbe in Österreich. Diese Betriebe sind ein wichtiger Wirtschaftsfaktor: Sie geben fast 720.000 Menschen Arbeit und erwirtschaften pro Jahr einen Umsatz von etwa 80,6 Milliarden Euro. Laut einer Studie des Meinungsforschungsinstituts GfK zu den vertrauenswürdigsten Berufen in ganz Europa genießen Handwerker mit einer Zustimmung von 76 Prozent hohes Ansehen.

Besonders das traditionelle Handwerk hat zuletzt wieder verstärkt Aufmerksamkeit erfahren. Statt zur billigen Massenware zu greifen, entscheiden sich viele Kunden für mehr Qualität. Den betreffenden Unternehmen verlangt das aber viel Einsatz und Geschäftssinn ab.

Klein, aber flexibel

Die Berghofer Mühle ist eine der letzten Mühlen im Raabtal und seit sechs Generationen im Familienbesitz. Die Maschinen stammen zum Teil aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs, Touchpads zur Steuerung der Anlage sucht man hier vergebens. "Wir sind eine Handwerksmühle und wollen es auch bleiben“, sagt Berghofer. Damit das möglich war, mussten sie und ihre Schwestern neue Geschäftsfelder eröffnen.

Noch zur Zeit ihrer Eltern brachten Bauern aus der Gegend ihr Getreide zum Mahlen und die kleinen Bäckereien kauften hier ihr Mehl. Doch viele Bauern gaben auf, die großen Industriemühlen übernahmen den Markt, viele Mühlen sperrten zu. Daher begann die Familie Berghofer in den Neunzigerjahren, den Betrieb für Führungen und Schulklassen zu öffnen, stellte die Räume für Konzerte, Lesungen und Vernissagen zur Verfügung. "Man darf nicht jammern, dass es nicht mehr so läuft wie früher, sondern muss sich anpassen“, sagt Berghofer resolut.

Zusätzlich betreibt die Familie wie seit Generationen weiterhin ihre Landwirtschaft, das Kleinwasserkraftwerk und die Öl- und Getreidemühle. Dort können in einer Zehnstundenschicht rund zehn Tonnen Getreide gemahlen werden. Als eine ihrer Stärken beschreibt Liane Berghofer neben der Qualität der Produkte die Flexibilität eines kleinen Betriebs. "Bäckereien am Land benötigen oft nur kleinere Mengen, die können sie bei uns kaufen. Ein Bäcker kann uns in der Früh anrufen und sagen, dass er am Abend Mehl braucht. Wir müssen dann dafür sorgen, dass er es bekommt“, erklärt sie. "Das Wichtigste ist die Orientierung am Kunden.“

Angebot und Nachfrage

Dieser Meinung ist auch Franz Triebl - obwohl er in einer ganz anderen Branche tätig ist und sein Geschäft in Wien statt in einer steirischen Gemeinde hat. Der Schuhmachermeister hat sich auf Reparaturen spezialisiert. "Die Leute kommen mit allem Möglichen zu mir, nicht nur mit Schuhen und Ledertaschen“, sagt Triebl. "Ich habe sogar schon einmal einen Fallschirm geflickt. Flexibilität ist als kleiner Betrieb nötig, man darf sich auf nichts versteifen.“

Triebl hat die Werkstatt von seinem Vater übernommen und das Angebot um einen Schlüsseldienst erweitert. "Wenn in der Woche drei Leute kommen und fragen, ob ich Schlüssel mache, fange ich an, nachzudenken. Ich würde auch Kaffee verkaufen, wenn die Nachfrage da wäre.“ Sein Laden dürfte tatsächlich auf alle Eventualitäten eingestellt sein: Vorne befindet sich das Geschäftslokal, in einem Regal stehen fertige Schuhe mit Abholscheinen, in einem anderen Schuhcremen, Sprays, Bänder und Filzpatschen, hinter dem Ladentisch befindet sich ein Vorhang, durch den man in die Werkstatt gelangt. Dort stehen schwere Maschinen, auf Wandbrettern kleine Plastikdosen mit Ösen, Haken, Schnallen oder Nägeln sowie Flaschen mit Farbe, Werkzeug hängt in Halterungen.

An einem Tisch am Fenster sitzt Franz Triebls Schwester Gerda Manhalter und klebt einen Schuh. Wie ihr Bruder hat sie eine Schuhmacherlehre absolviert und arbeitet nun mit ihm zusammen. "Als Mädchen hätte ich mir zwar eine andere Arbeit gewünscht, eine, bei der ich mir die Fingernägel lackieren kann, aber mittlerweile finde ich, dass Schuhmacher ein toller Beruf ist“, sagt sie. Ein Beruf, den sie und ihr Bruder gut machen dürften; über zu wenig Arbeit können die beiden nicht klagen. Der Zeitgeist kommt den beiden gerade recht. "Das Umweltbewusstsein und das Interesse für Nachhaltigkeit sind gestiegen“, sagt Franz Triebl. "Die Leute schmeißen Dinge nicht mehr sofort weg, sondern lassen sie eher reparieren.“

Sprung ins kalte Wasser

Die Wiener Maß- und Änderungsschneiderin Maria Edlinger teilt diesen Eindruck. Qualitätsbewusstsein führt dazu, dass auch die Achtung für ihr Können gestiegen ist. "Früher haben sich Kunden oft über meine Preise beschwert, heute finden sie das angemessen“, sagt sie. "Es wird wieder mehr auf Qualität geachtet.“

Im vorderen Teil ihres Geschäfts in der Josefstadt hat eine Dirndl-Designerin ihren Bereich, dahinter ist Maria Edlingers Werkstatt. Seit 30 Jahren übt sie den Beruf aus. Schon als Kind hat sie für ihre Puppen Kleider angefertigt, nach Modeschule und Meisterprüfung absolvierte sie die Ausbildung zur Direktrice, arbeitete zwei Jahre in einem größeren Unternehmen, ehe sie sich selbstständig machte. Anders als Franz Triebl hat sie keinen Kundenstock von Eltern oder Vorgängern geerbt, sondern ist ins kalte Wasser gesprungen.

Je etwa zur Hälfte besteht Edlingers Arbeit aus Aufträgen für Maßkleidung und Änderungen. "Um so einen Beruf zu ergreifen, braucht man Begabung, eine gute Ausbildung, viel Geduld und Interesse, Flexibilität, Organisationstalent und ein Gefühl für die Kunden. Das ist besonders wichtig“, sagt sie, während sie die Naht einer bunten Bluse schließt und die Fäden abschneidet. "Man darf zum Beispiel keine Monologe halten, wenn es Kunden eilig haben, oder jemanden nicht einfach warten lassen.“

Weil es immer weniger Betriebe wie den ihren gibt, haben die verbleibenden umso mehr zu tun: Je nach Auftragslage arbeitet Edlinger zwischen 40 und 60 Stunden in der Woche, manchmal ist sie auch am Wochenende in der Werkstatt. Einen Mitarbeiter beschäftigt die Schneiderin trotzdem nicht. "Man weiß nie, wann es viel Arbeit gibt. Einen Mitarbeiter muss ich natürlich auch bezahlen, wenn gerade wenig anfällt.“ Weiterempfehlen würde sie ihren Beruf aber trotzdem - vorausgesetzt, man verfügt über die nötige Geduld und die Liebe zum Handwerk.

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