Nach einem Jahr Vorbereitung geht unser Traum endlich in Erfüllung: Wir brechen mit unseren Motorrädern nach Afrika auf. Unser Plan: eine Durchquerung von Nord nach Süd, immer die Westküste entlang.
Wir nehmen zunächst die Fähre vom italienischen Genua nach Tanger in Marokko. Es folgen Anreisetage auf Asphalt. Als wir endlich in Marrakesch ankommen, schlagen unsere Herzen höher. Nun beginnt das Abenteuer, auf das wir uns so lange vorbereitet haben, für das wir monatelang im Fitnesscenter trainiert und unsere Maschinen auf Vordermann gebracht haben.
Wir stehen am Eingang zu einem Offroad-Paradies. Vor uns Hunderte Kilometer Schotter, Steine, Sand - und Freiheit. Nach den kurvenreichen Kilometern im Hohen Atlas zweigen wir auf einen Karrenweg ab. Es ist ein wenig befahrener Trail mit fantastischem Panorama auf gut 2.000 Metern - ein gewaltiger Einstieg in das Abenteuer Afrika.
Langsam kommen wir auch mental in Afrika an. Wir sind da, wo die Hauptverkehrsrouten aus Pisten bestehen und Frauen riesige Lasten auf ihren Häuptern schleppen. Durch den abenteuerlichen Canyon Tazougart erreichen wir Assa, wo das Wadi Draa beginnt. Es bildet im Osten die Grenze zu Algerien und im Westen trennt es das touristisch erschlossene Marokko von der Westsahara.
Mehrfach wurden wir gewarnt, wie gefährlich es dort sei. Doch unser Entschluss steht fest: Wir bleiben auf der geplanten Route und merken sofort, dass die Menschen härter, die Stimmung rauer und der Mangel größer werden. Das Straßenbild ist geprägt von Nomaden mit Pick-ups, Armeefahrzeugen und der Gendarmerie Royale, die streng, aber korrekt für Ordnung sorgt.
Paprika für den Kühler
Das verminte Gebiet beginnt. Wer hier unterwegs ist, sollte genaue Daten über die befahrbaren - meist durch Steinmännchen oder Ölfässer markierten - Pisten haben. Vorsicht ist in Wadis geboten, da die starken Regenfälle der vergangenen Jahre die Minen weggeschwemmt haben können. Daher ist es am besten, nur jene Strecken zu befahren, die auch Rallyes wie das Africa Race benützen.
Zum Ausgleich erleben wir hier eine Region von einzigartiger Schönheit. Regen und Sonne haben in diesem Winter dafür gesorgt, dass die Steppe grün ist und Tausende Kamele weiden können.
Wir erleben drei intensive Tage in der Wüste. Das erste Mal spüren wir diese absolute Stille und Ausgesetztheit in der Wüste. Hier ist man auf sich selbst gestellt.
Manchmal kommen wir an fahrtechnische Grenzen. Der weiche Sand löst Angst aus. In 20-Kilometer-Schritten arbeiten wir uns konzentriert über die Distanzen, bekommen kaum etwas von der Landschaft mit. Denn in dieser einsamen Region dürfen wir uns keinen Fehler erlauben und auf keinen Fall stürzen.
Doch dann leckt der Kühler von Toms KTM. Es fehlt bereits ein halber Liter Flüssigkeit. Kein Loch, kein äußerer Schaden. Es ist offenbar ein Haarriss, der durch die Vibrationen entstanden sein muss. Wir müssen so schnell wie möglich raus aus der Wüste. Wir halten bei einem kleinen Café und erzählen dem Besitzer von unserem Problem. Er deutet auf die vor sich stehenden Tiegel mit Gewürzen, füllt Paprika in eine Papiertüte und begleitet uns zum Motorrad.
Im Vertrauen auf die Erfahrungen der Menschen in der Wüste lassen wir ihn mit einem Löffel Paprika in den Kühler der KTM füllen. Das Gewürz wirkt Wunder. Die feinen Fasern verkleben tatsächlich den Riss, und der Kühler bleibt ab nun dicht.
Einige Tage später erreichen wir nachmittags die Grenze. Über einen drei Kilometer langen Streifen Niemandsland holpern wir über Stock und Stein langsam dem Grenzposten entgegen, vorbei an Autowracks samt dubiosen Gestalten und Lkw im Kriechgang. Schließlich gelangen wir zu einem Tor mit vermummten, schwer bewaffneten Uniformierten mit Suchhunden. Wir sind augenblicklich in einer anderen, respekteinflößenden Welt.
Vom ersten Beamten in einer baufälligen Hütte werden wir an einen "Transiteur“ weitergereicht, einen Schlepper, der die Grenzformalitäten gegen Bares abwickelt. Er heißt Cheikh und erledigt alles prompt und zu unserer Zufriedenheit für insgesamt 100 Euro. Anteile davon verschwinden offen in Beamtenhänden und Tischladen. Nach uns schließt der Grenzübergang für diesen Tag. Glück gehabt. Nun sind wir also in Mauretanien.
Dakar - die legendäre Stadt
Bou Lanouar-Atar: Die Strecke von der Küste in die Wüste entlang der Bahnlinie des Eisenerzzuges sollte die Königsetappe unserer Reise werden. Wir haben dafür zwei bis drei Tage geplant. Doch bald schon rutscht Rudis Vorderrad im knöcheltiefen Sand weg. Alleine geht hier gar nichts mehr. Gemeinsam arbeiten wir uns aus der Sandfalle. Nach einer Stunde sind wir gerade einen Kilometer weit. Der Schweiß rinnt, der Wüstenwind bläst unerbittlich sengende Luft in den Helm. Wie sollen wir auf diese Weise 400 Kilometer schaffen? Wir entscheiden uns für die Alternative am Asphalt.
Früher als geplant erreichen wir daher den Senegal. Das Asphaltband in Richtung Dakar ist von zahlreichen Ortschaften gesäumt, mal muslimisch, mal christlich geprägt, oft auch gemischt. Wir hören von überall her Lachen, spüren eine Offenheit und lebensbejahendes Treiben trotz Müll, Gestank und bitterer Armut.
Die Vororte von Dakar sind Straßenverkehr für Fortgeschrittene. Alles, was Räder und Beine hat, bewegt sich oder steht auf einer Länge von 15 Kilometern im Endlosstau. Dennoch erreichen wir Dakar mit einem Glücksgefühl: der westlichste Punkt Afrikas, eine legendäre Stadt. Wir haben ein schönes Stück des Weges geschafft.
Mittags um halb eins lassen wir die letzten Häuser und den schwefelfarbenen Smog hinter uns. In Erinnerung bleiben mir uralte, bunt bemalte Mercedes-Kleinbusse ohne Fenster, schwer bewachte Luxusvillen in bettelarmem Umfeld, unzählige Straßenhändlerinnen und -händler, Straßenkinder und Bettler - ein selbstbewusstes Denkmal auf stolzer Anhöhe und der atemberaubende Blick auf den Ozean.
Ankunft in Banjul
Der letzte Fahrtag bricht an. Konzentriert durchstreifen wir den dichten Busch. Sobald wir anhalten, werden wir augenblicklich von Fliegen und Stechmücken attackiert. Die Landschaft wirkt vertrocknet und ausgedörrt, wartet auf die Regenzeit. Irgendwann erreichen wir dann die Grenze zur islamischen Republik Gambia. Wir sind diese Art Grenzübergänge bereits gewohnt: den Schmäh parat, Snacks für die Kinder, kleine Scheine griffbereit im Hosensack.
Auf den ersten 15 Kilometern passieren wir fünf Kontrollen: Polizei, Militär, Forstbehörde. Alle wollen ins Gespräch kommen, manche alles kontrollieren, manche einfach wichtig sein. Wir nehmen es entspannt und mit Humor. Zeit haben wir ja jetzt. Optisch hat sich am Straßenrand nicht viel verändert: einfaches Hüttenleben, winkende Kinder, vermüllte Dorfränder, versengtes Land, ungewohnte Gerüche.
Beim Gambia River haben wir wieder einmal Glück und erwischen gerade noch die letzte Fähre an diesem Tag. Außer uns sind Kleinbusse mit Schweinen am Dach, in Kartons eingepferchte Hühner, Schotter-Lkw, Händlerinnen mit ihren Lasten am Haupt, betende Männer und westliche Touristinnen in Hotpants und Spaghettileiberln an Bord.
Am Horizont, dem gegenüberliegenden Ufer des trägen, brackigen Stromes, liegt Banjul. Es ist der Endpunkt unserer Reise. Zumindest für dieses Mal. Denn nächsten Winter werden wir wieder aufbrechen, um unseren Traum, unsere Reise durch Afrika, weiter fortzusetzen.