Atomwaffentests:
Wie gefährlich ist Nordkorea?

So weit ist das Atomwaffenprogramm des Landes entwickelt

Nordkorea soll laut Beobachtern kurz vor seinem sechsten Atomwaffentest stehen. Zuletzt ist ein derartiger Test im September 2016 durchgeführt worden. Seither hat sich die Situation zwischen dem von Machthaber Kim Jong-un regierten Land und den USA noch zugespitzt. Aber wie gefährlich sind die Drohungen Nordkoreas und wie weit ist das Atomwaffenprogramm bereits entwickelt?

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Konflikt - Atomwaffentests:
Wie gefährlich ist Nordkorea?

Am Samstag feiert Nordkorea den 105. Geburtstag des Staatsgründers Kim Il-sung. Experten spekulieren, ob an diesem Tag eine Machtdemonstration im Sinne eines weiteren Nuklearwaffentests stattfinden könnte. Laut dem US-Korea-Institut der Johns-Hopkins-Universität zeigen Satellitenbilder des Testgeländes anhaltende und neue Aktivitäten. Die Rede ist von Punggye-ri, einer militärischen Anlage im gebirgigen Nordosten des Landes. Hier sollen die geheimen Atomwaffentests stattfinden.

Hier liegt Punggye-ri:

Welche Tests hat es bisher gegeben?

Insgesamt hat Nordkorea bisher fünf Atomwaffentests durchgeführt, den letzten im September 2016. Kurz davor, im Jänner 2016, soll das Land nach eigenen Angaben erstmals erfolgreich eine Wasserstoffbombe gezündet haben. Experten bestätigten zwar einen Nuklearwaffentest, bezweifeln aber, dass es sich dabei um eine Wasserstoffbombe gehandelt hat, deren Sprengkraft noch wesentlich größer ist als jene einer Atombombe.

Angefangen haben die Tests im Oktober 2006. Damals führte Nordkorea einen unterirdischen Atomtest durch. Es folgten Sanktionen der Vereinten Nationen. Der zweite Test fand im Mai 2009 statt, ein dritter im Februar 2013. Auffällig dabei ist, dass die US-Behörde "United States Geological Survey" (USGS) jedes Mal einen Anstieg der Sprengkraft verzeichnete. Während 2006 durch die Detonation noch ein Erdbeben der Stärke 4,3 gemessen wurde, betrug die Stärke beim letzten Test 5,3. Die Bombe soll eine Sprengkraft von bis zu 30 Kilotonnen gehabt haben - das ist laut Experten rund doppelt so viel wie die Bombe, die damals über Hiroshima abgeworfen wurde.

Mit welchen Materialien wird getestet?

Experten haben sich auch die Frage gestellt, mit welchen Stoffen, die nuklearen Tests durchgeführt werden: Bei den ersten beiden Tests soll Plutonium zum Einsatz gekommen sein, wie die "BBC" berichtete. Was 2013 verwendet wurde, ist ungewiss. Es könnte theoretisch auch Uran gewesen sein. Ein erfolgreicher Uran-Test wäre ein Fortschritt für Nordkoreas Atomprogramm, denn Plutonium als Ressource ist begrenzt. Wenn es jedoch gelingt, Uran anzureichern, könnte Nordkorea sich nukleare Vorräte anlegen.

Wie weit ist das Atomwaffenprogramm fortgeschritten?

Im Frühjahr 2016 hat Kim Jong-un der Welt propagandawirksam einen kompakten Nuklearsprengkopf neben einer modernen, wiedereintrittsfähigen Rakete gezeigt. Bis jetzt gibt es noch keine eindeutigen Beweise dafür, dass Nordkorea in der Lage ist, einen Atomsprengkopf auf einer Interkontinentalrakete beziehungsweise einer Langstreckenrakete anbringen zu können. Davon geht derzeit auch das US-Verteidigungsministerium aus.

Die militärische Herausforderung für Nordkorea wird es also sein, eine Langstreckenrakete mit Nuklearsprengkopf zu entwickeln. Derzeit "kann Nordkorea wahrscheinlich eine (Rakete, Anm. der Red.) nach Japan oder Südkorea schicken, aber nicht weiter als das", sagte Nordkorea-Experte Robert E. Kelly im März 2017 in einem Interview mit "Bild". Das Worst-Case-Szenario wäre, wenn Nordkorea Langstreckenraketen mit Nuklearsprengköpfen entwickeln und sie als Schutzschild gegen die USA verwenden würde, um letztendlich Südkorea anzugreifen, wie Kelly mitteilte. Realistischer sei allerdings, dass Nordkorea im Zuge einer Eskalation des Konflikts irgendwann Atomwaffen gegen Südkorea einsetzen könnte.

Professor Siegfried S. Hecker von der Stanford Universität in Kalifornien hate Nordkoreas kerntechnische Anlagen in der Vergangenheit immer wieder besucht. Von 1986 bis 1997 leitete er zudem das Atomforschungszentrum "Los Alamos National Laboratory". Im Gespräch mit "BBC" sagte er 2016: "Wir müssen annehmen, dass Nordkorea nukleare Sprengköpfe entwickelt und gezeigt hat, die auf manche seiner Kurzstreckenraketen und möglicherweise auf Mittelstreckenraketen angebracht werden können." Bis das auch mit Langstreckenraketen möglich ist, würde es aber schätzungsweise noch 5 bis 10 Jahre dauern, prognostizierte Hecker.

Derzeit soll Nordkorea knapp 10 nukleare Waffen besitzen und dazu genug nukleares Material, um noch 100 weitere dieser Waffen zu produzieren, wie Experten annehmen.

Was denken Nordkoreaner über die Nukleartests?

Die US-Website "NK News" (North Korea News) veröffentlicht regelmäßig Fragen zu Nordkorea, die von Nordkoreanern, die mittlerweile im Ausland leben, beantwortet werden. Darunter befindet sich auch die Frage: Was denkt der Durchschnitts-Nordkoreaner über die Atomwaffentests des Regimes und den Besitz von nuklearen Waffen? Spielen die Bürger ihre Zustimmung nur vor und missbilligen das Vorgehen insgeheim? "Nein, meines Wissens nach denken die meisten Nordkoreaner nicht schlecht über das Nuklearprogramm des Regimes", schreibt ein Nordkoreaner.

Es herrsche sogar ein gewisser Stolz auf Nordkoreas Atomwaffen, wie der Schreiber erklärt. Als er noch in dem Land gelebt habe, seien die Menschen erfreut darüber gewesen, wenn ein Nukleartest erfolgreich war. "Wir haben einmal ein Treffen im Gemeindehaus gehabt, auf dem Nachbarn darüber geredet haben, dass die USA sie nun nicht mehr herumkommandieren könnte", heißt es in der Antwort des Exil-Nordkoreaners. Viele Nordkoreaner seien sich der Tatsache bewusst, dass andere Länder sich über Nordkorea lustig machen und auf das Land herabschauen. Nordkoreaner, die einige Zeit im Ausland verbracht haben, würden das bestätigen. Den Grund für dieses Verhalten sehen die Bürger in ihrer Armut.

Nordkoreaner, die nach China gereist sind, seien nicht selten Diskriminierungen ausgesetzt worden. So habe man sie mit Essen beworfen, weil die "armen" Nordkoreaner ihrer Ansicht nach ständig hungern müssen. Daher, schreibt der Autor, sind "die Nordkoreaner sehr stolz, wenn sie hören, dass Nordkorea de facto ein Nuklearstaat geworden ist. Sie tendieren dann dazu, zu denken: 'Unsere Nation mag zwar arm sein. Aber wir können eine der mächtigsten und einflussreichsten Nationen in Bezug auf die nationale Verteidigung sein.'"