Atomkraft durch Klimawandel im Aufwind: Laut EU-Definition 'klimafreundliche Energie'

Klima-Ziele: CO2-Emissionen um 20% reduzieren Gusenbauer feiert Gipfel als Erfolg: "Kein Atombonus"<br>Chirac sieht hingegen "alle Forderung" verwirklicht

Die EU-Staats- und Regierungschefs haben sich auf verbindliche Ziele zum Klimaschutz geeinigt. So werde die EU ihren Anteil an CO2-Emissionen bis 2020 um 20 Prozent reduzieren, sagte die deutsche Ratsvorsitzende Merkel. Weiters gebe es ein bindendes Ziel, den Anteil erneuerbarer Energien bis 2020 um 20 Prozent zu erhöhen. Zugleich fällt Atomkraft künftig unter die Definition "klimafreundliche Energie". Damit sieht der französische Präsident Chirac alle seine Forderungen erfüllt an. Kanzler Gusenbauer sieht das anders. Er spricht von "keinem Atombonus" für Paris.

Als "großen Erfolg" hat Bundeskanzler Alfred Gusenbauer die Klima- und Energiebeschlüsse des EU-Gipfels bezeichnet. Der Klimaschutz sei nun Teil einer wirtschaftlichen und technologischen Innovationsoffensive, die einen Beschäftigungseffekt auslösen werde, sagte der Kanzler nach Ende des Gipfels. Zufrieden zeigte sich Gusenbauer auch mit der Debatte um Atomenergie. "Es wurde die Pro-Atom-Offensive Frankreichs verhindert, das unbedingt wollte, dass die Kernenergie als wesentlicher Beitrag zum Klimaschutzziel gewertet wird."

Gusenbauer betonte, es sei gelungen sich auf erneuerbare Energiequellen als verbindliches Ziel zu fokussieren. Wenn schon viele Staaten die Kernenergie nutzten, würden nun auch die Sicherheitsaspekte und Risiken auf die Tagesordnung gebracht. Es gebe aber die Gefahr, dass es zu einer "Renaissance der Atomenergie" in Europa komme, sagte Gusenbauer. "Die Anzahl der Mitgliedstaaten, die ihr Heil in der Atomenergie sieht, wächst von Tag zu Tag." Gleichzeitig sei Österreich ein "echter Durchbruch" gelungen, indem die mögliche Einbeziehung externer Kosten wie Umweltbelastung, Staus, Lärm und Unfälle im Verkehr erstmals in einer Gipfelerklärung verankert wurde.

Er habe Unterstützung von den Regierungschefs Italiens und Irlands, Romano Prodi und Bertie Ahern, bei seiner Anti-Atomhaltung bekommen, sagte Gusenbauer. Es sei keine neue Bewertung der Atomenergie erfolgt.

Das Gipfeldokument verweist jedoch auf die Einschätzung der EU-Kommission, wonach Atomenergie einen Beitrag zum CO2-Abbau leisten könne. Auch bezüglich der Lastenteilung für die erneuerbaren Energieziele sollen nationale Energie-Eigenheiten berücksichtigt werden. Ein entsprechender Verweis beziehe sich aber nicht mehr ausschließlich auf die Kernkraft, sondern auch auf andere Energieformen, sagte Gusenbauer. Für Frankreich gebe es "keinen Atombonus". Gusenbauer erwartet, dass die Kommission den EU-Staaten noch heuer einen Vorschlag zur Verteilung der Ziele für Erneuerbaren vorlegt.

Vizekanzler Wilhelm Molterer (V) versicherte, die österreichischen Klein- und Mittelunternehmen würden den Auftrag des Gipfels zu Investitionen in neue umweltfreundliche Technologien aufgreifen "und daraus ein Geschäft machen". Bei den erneuerbaren Energien, deren Anteil bis 2020 von derzeit 6 auf 20 Prozent im EU-Schnitt steigen soll, sei ein "Durchbruch" gelungen. Außerdem habe Österreich gemeinsam mit Luxemburg in der Gipfelerklärung durchgesetzt, dass die EU der sozialen Dimension höhere Aufmerksamkeit schenke. "Das ist ein Europa, wie es die Menschen zu Recht erwarten", sagte Molterer. Österreich hat bereits heute einen Anteil von 23 Prozent.

Außenministerin Ursula Plassnik sagte, der Gipfel bringe eine völlige Neuausrichtung und eine Energiewende in der EU. Dies werde sich auch auf die EU-Außenpolitik niederschlagen. "Wir haben verhindert, dass eine gemeinsame Positivbewertung der Atomenergie vorgenommen wird", so Plassnik.

Chirac sieht bei EU-Gipfel "alle Forderung" verwirklicht
Der französische Staatspräsident Jacques Chriac sieht sich in der Debatte um eine stärkere Berücksichtigung der Atomenergie in der EU-Klimaschutz- und Energiepolitik in jeder Hinsicht als Sieger. In dem ambitionierten Aktionsplan den die EU verabschiedet hat, seien quasi alle französischen Forderungen berücksichtigt worden, sagte er nach dem Gipfeltreffen in Brüssel.

Chirac unterstrich, Frankreich unterstütze als "größter Produzent von erneuerbarer Energie in Europa" das verbindliche Ziel, ab 2020 ein Fünftel der Energie aus erneuerbaren Energiequellen zu beziehen und zehn Prozent Biosprit beizumischen. "Aber die Erneuerbaren sind nur ein Teil der Antwort und reichen nicht aus, um die Klimaziele zu erreichen," sagte Chirac. Daher habe Frankreich darauf bestanden, "die Erneuerbaren in den größeren Rahmen der CO2-armen Energieformen einzubauen, darunter natürlich saubere Kohlekraftwerke und Atomkraft", sagte der französische Staatspräsident.

"Europa bekräftig damit seine Führungsrolle im Kampf gegen die Klimaveränderung", sagte Chirac. Gemeinsam mit der Einführung des Euro und der sei die Ökologisierung Europas ein wichtiger Schritt und "einer der großen Momente Europas", der im Leben unseres Planeten spuren hinterlassen werde". (apa/red)