1,50 Euro Stundenlohn
für Flüchtlinge zu niedrig?

Asylwerber verdienen zu viel, wenn sie Hilfstätigkeiten während ihrer Grundversorgung erbringen. Diese Meinung vertritt Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) und hat nun einen Entwurf ausgeschickt, der den Stundenlohn mit 1,50 Euro beschränkt. Dieser sorgt erwartungsgemäß für hitzige Debatten und stößt auf starken Widerstand.

von Migration - 1,50 Euro Stundenlohn
für Flüchtlinge zu niedrig? © Bild: iStockphoto.com/Borut Trdina

Der Hintergrund: Zu den insgesamt eher bescheidenen Möglichkeiten für Flüchtlinge, einer Beschäftigung nachzugehen, zählen Hilfstätigkeiten im Auftrag von Bund, Ländern, Gemeinden, Gemeindeverbänden bzw. zu den Kommunen gehörenden Einrichtungen. Das betrifft etwa Garten- und Hausarbeiten oder Transportdienste. Den Stundenlohn legte bisher die beauftragende Körperschaft fest. Maximal konnten monatlich 110 Euro plus 80 Euro für jedes weitere Familienmitglied verdient werden, ohne Einbußen bei der Grundversorgung befürchten zu müssen.

5 Euro pro Stunde und mehr zu viel?

Den Innenminister stört jedoch, dass manche Körperschaften aus seiner Sicht zu viel, nämlich mehr als für Zivil- und Grundwehrdiener, auszahlen - und zwar teils über fünf Euro pro Stunde. Daher sollen Asylwerber für die sogenannten Remunerantentätigkeiten nun 1,50 Euro pro Stunde erhalten, "keinesfalls mehr – und das österreichweit einheitlich", schreibt Kickl in der Begründung der von ihm vorgelegten Verordnungsermächtigung, die am Montag für vier Wochen in Begutachtung geht.

Die Remunerantentätigkeiten haben für Flüchtlinge den Vorteil, dass sie sofort nach Asyl-Antragsstellung möglich sind. Ansonsten muss man drei Monate warten, bis man eine Tätigkeit in einem Mangelberuf annehmen darf, das heißt etwa als Saisonnier im Tourismus oder als Erntehelfer. Gleiches gilt für Tätigkeiten als Haushaltshilfe mit Dienstleistungsscheck oder als Selbstständiger.

Das zahlen die Länder

"Diese Bundesregierung tritt mit großer Lust nach den Armen", kommentierte der Wiener Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) den Vorstoß. Jemandem 1,50 Euro pro Stunde zu bezahlen, sei "unglaublich". Zudem hielt er fest: "Wir haben in Österreich eine einheitliche Vorgangsweise, auch eine Verordnung des Bundes. Da ist festgelegt wir zahlen zwischen drei und fünf Euro pro Stunde. Da gibt es überhaupt keinen Grund zu ändern, denn es funktioniert wunderbar."

Er habe jedoch kein Problem damit, wenn es ein Bundesland gebe, das "exemplarisch" die 1,50 Euro einführe: "Und dann schauen wir nach einem Jahr, wo es besser funktioniert." In Wien werden rund 400 in der Grundversorgung befindliche Personen beschäftigt, die zwischen drei und fünf Euro erhalten.

Kritik an "menschenunwürdigem" Vorstoß

Als "menschenunwürdig" bezeichnet der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) den Vorschlag des Innenministers. Das würde kein Problem lösen, aber dafür neue schaffen, so Kaiser auf APA-Anfrage. Kärnten werde daher eine negative Stellungnahme abgeben.

Mit Aktionen wie der Lohnkürzung werde Sündenbockpolitik betrieben, mit der der soziale Friede in Österreich gefährdet werden könnte. Ehrlicher und verantwortungsvoller wäre es, die Entschädigung für Zivildiener zu erhöhen. Damit würde man auch dem Mangel an Zivildienern wirksam begegnen. In Kärnten sei die Situation so, dass das Land selbst keine Quartiere betreibe. Einsätze von Asylwerbern im Rahmen der Remunerantentätigkeit obliege den Quartiergebern bzw. den Gemeinden. Statistiken, in welchem Ausmaß dies stattfindet, werden vom Land nicht geführt.

Landeshauptfrau Mikl-Leitner relativiert Senkung

"Man muss schon dazusagen, dass es um einen Zuschlag zur Grundversorgung geht", kommentierte Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) den Vorstoß. Sie erinnerte, dass jeder Asylwerber vom Staat eine garantierte Rundum-Versorgung erhalte.

"Dass man sich dann bei der Einstufung zusätzlicher, freiwilliger gemeinnütziger Tätigkeit an Grundwehrdienern und Zivildienern orientiert, ist schlüssig", sagte Mikl-Leitner auf APA-Anfrage. "Andererseits muss auch jedem klar sein, dass man mit 1,50 Euro in der Stunde nicht gerade mehr Menschen zu freiwilliger gemeinnütziger Tätigkeit motivieren wird."

Lohndumping befürchtet

Das niederösterreichische Armutsnetzwerk und der St. Pöltner Bürgermeister Matthias Stadler (SPÖ), Vorsitzender des niederösterreichischen Städtebundes, haben den Vorschlag zur Senkung des Stundenlohns für Asylwerber für gemeinnützige Tätigkeiten auf 1,50 Euro kritisiert. "In Wahrheit schafft man damit Lohndumping", sagte Stadler am Rande eines Pressegesprächs auf Nachfrage.

Mit Verweis auf Initiativen, Lohndumping durch Arbeitskräfte aus dem Ausland zu verhindern, meinte der SPÖ-Politiker zum Vorstoß von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ): "Die Argumentation passt für mich nicht." Mit der Senkung drücke man das Lohnniveau erst recht nach unten, dadurch könnten möglicherweise auch Arbeitsplätze wegfallen. Kritisch zu den Plänen des Innenministers äußerte sich auch Karl Fakler vom niederösterreichischen Armutsnetzwerk, dem 23 Organisationen angehören. Der ehemalige Landesgeschäftsführer des Arbeitsmarktservice (AMS) erklärte weiters, der Begriff "Remunerantentätigkeit" für einen Stundenlohn von 1,50 Euro sei "unanständig".

"Man schafft einen Niedriglohnsektor", meinte Barbara Bühler, Obfrau des niederösterreichischen Armutsnetzwerks. Ein Stundenlohn in Höhe von 1,50 Euro sei "menschenunwürdig": "Das ist keine Anerkennung mehr." Sie befürchtet ebenfalls Auswirkungen auf den gesamten Arbeitsmarkt.

Kritik an der geplanten Senkung hatte zuletzt auch der ÖVP-Bürgermeister von Tulln, Peter Eisenschenk, geübt. "Es ist keinem Menschen zumutbar, um einen Stundenlohn, der in Österreich nichts anderes als entwürdigend ist, zu arbeiten", schrieb Eisenschenk auf seiner Homepage.

Ärger bei Projektbeauftragten

Als eine "politische Bösartigkeit" bezeichnete der Geschäftsführer von Jugend am Werk Steiermark, Walerich Berger, den Vorschlag zur Senkung des Stundenlohns für Asylwerber. Die Organisation vergibt im Auftrag der Holding Graz Aufträge im Bereich der Straßen- und Grünraumpflege an rund 100 Asylwerber, die bei unterschiedlichen Trägern betreut werden.

"Das Ganze ist eine Verächtlichmachung derer, die an gemeinnützigen Tätigkeiten mitarbeiten", wurde Berger deutlich. Mit dem Vorschlag würden ein weiteres mal "Menschenrechte mit den Füßen getreten", sagte Berger. Jugend am Werk vermittelt der Stadt Graz im Rahmen eines Projektes mit der Holding Graz Asylwerber, die gemeinnützige Arbeiten bei der Straßenreinigung und der Grünraumpflege erledigen.

»Man kann auch gleich sagen, wir verpflichten sie zur Zwangsarbeit«

"Das Projekt wurde verlängert, weil es so gut funktioniert. Es hatte eine positive Wirkung für alle Beteiligten, wir haben ganz viel positive Rückmeldungen bekommen. Fünf Euro bekommen die Asylwerber in Grundversorgung, wenn sie beispielsweise Rollsplitt entfernen oder Rad- und Gehwege von Schmutz freihalten und Grünanlagen säubern. Bei einem Stundenlohn von 1,50 Euro kann man auch gleich sagen, wir verpflichten sie zur Zwangsarbeit", zeigte sich Berger verärgert.