Im Zentrum des ukrainisch-russischen Informationskrieges

Für die einen sind sie Neonazis, für die anderen ukrainische Nationalhelden: Die Kämpfer des berüchtigten Asow-Regiments sind ins Zentrum des Informationskrieges zwischen Moskau und Kiew gerückt. Während Russland die Kampftruppe als "faschistisch" brandmarkt, werden die Mitglieder des Regiments seit Beginn der russischen Ukraine-Invasion von vielen Ukrainern gefeiert. Experten warnen vor einem Schwarz-Weiß-Denken mit Blick auf das Regiment.

von Asow © Bild: Getty/Pierre Crom

Verwurzelt ist das früher als Asow-Bataillon bekannte Regiment in der seit Wochen von der russischen Armee belagerten Hafenstadt Mariupol am Asowschen Meer. Als Russland zwei Wochen nach Beginn seines Überfalls auf die Ukraine am 24. Februar eine Geburtsklinik in Mariupol bombardierte, begründete der Kreml dies damit, dass sich Mitglieder des Asow-Regiments "und andere Extremisten" in dem Gebäude verschanzt hätten.

Dies passt zur russischen Erzählung, wonach der Angriffskrieg in der Ukraine der "Entnazifizierung" des Nachbarlandes diene - eine Darstellung, die Kiew und der Westen als grotesk bezeichnen. So steht an der Staatsspitze der Ukraine nicht nur der demokratisch gewählte Jude Wolodymyr Selenskyj - auch in der übrigen politischen Landschaft der Ukraine spielt die äußerste Rechte heute nur noch eine marginale Rolle, wie Anna Colin Lebedev von der Universität Paris-Nanterre feststellt.

Das Asow-Regiment

Komplizierter verhält es sich mit dem Asow-Regiment. Kurz nach Beginn des Ostukraine-Konflikts 2014 als Freiwilligenbataillon gegründet, sorgten seine Kämpfer in der Vergangenheit mit Neonazi-Symbolen wie der Wolfsangel für Aufsehen. Zu den Gründern des Bataillons gehörte der bekannte Rechtsextreme Andrij Bilezkyj.

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2.000 bis 3.000 Kämpfer

Inzwischen wurde das Asow-Regiment mit seinen aktuell 2.000 bis 3.000 Kämpfern wie andere paramilitärische Verbände in die ukrainische Nationalgarde integriert. Es befindet sich damit unter dem Kommando des ukrainischen Innenministeriums.

Entideologisiertes Regiment?

Zum Zeitpunkt seiner Gründung 2014 habe das Asow-Bataillon tatsächlich einen "rechtsextremen Hintergrund" gehabt, sagt der Experte Andreas Umland vom Stockholm-Zentrum für Osteuropastudien der Nachrichtenagentur AFP. Mittlerweile habe sich das Regiment aber "entideologisiert" und zu einer normalen Kampfeinheit entwickelt.

Viele Rekruten schlössen sich der Einheit nicht mehr aus ideologischen Gründen, sondern wegen seines Rufs an, "besonders hart" zu kämpfen, sagt Umland. Auch das nach wie vor vom Asow-Regiment verwendete Wolfsangel-Symbol habe in der Ukraine keine faschistische "Konnotation" mehr.

Dass sich die russische Propaganda gegen die Ukraine nach wie vor in hohem Maße auf das Asow-Regiment und seinen angeblich rechtsextremen Charakter konzentriert, hat nach Experten-Angaben mit der kollektiven russischen Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg zu tun, die sich damit beschwören lasse.

»Die Begriffe 'Nazismus' und 'Faschismus' meinen im russischen Kontext das absolut Böse, mit dem sich nicht verhandeln lässt«

"Die Begriffe 'Nazismus' und 'Faschismus' meinen im russischen Kontext das absolut Böse, mit dem sich nicht verhandeln lässt: Man kann es nur bekämpfen und versuchen, es auszurotten", sagt der Politikwissenschaftler Sergei Fediunin vom französischen Nationalinstitut für orientalische Sprachen und Gesellschaften.

Erinnert wird in der russischen und prorussischen Propaganda derzeit auch immer wieder an den ukrainischen NS-Kollaborateur Stepan Bandera sowie an dessen noch nach 1945 aktive nationalistische Anhänger.

In dem Informationskrieg mit Russland mischt unterdessen auch das Asow-Regiment selbst kräftig mit. Im Messengerdienst Telegram veröffentlichen seine Mitglieder regelmäßig Erklärungen über angebliche Teilsiege über die russische Armee. Die "wahren Faschisten" seien die Russen, heißt es darin.

"Bessere PR"

Das Asow-Regiment unterscheide sich kaum noch von anderen ukrainischen Kampfeinheiten, sagt Wjatscheslaw Lichatschew von der in Kiew ansässigen Menschenrechtsorganisation Zmina. Allerdings verfüge das Regiment über "bessere PR" und ziehe zudem besonders viele Kämpfer an. Es könne sich daher "die Besten" aussuchen.