Apropos Armin Wolf

Knapp 700.000 Menschen schauen allabendlich live die ZiB 2. Und je kürzer die Tage, desto mehr Zuschauer werden es. Fast 600.000 Menschen folgen Armin Wolf auf Twitter. Und je vielfältiger er dort agiert, desto mehr Follower werden es. Mister ORF ist der Herr im Ring.

von Medien & Menschen - Apropos Armin Wolf © Bild: Gleissfoto

Das Unternehmen ORF wirkt anders als seine Programme, deren Anmutungen sehr unterschiedlich von Personen geprägt sind. Es ist schade, dass Verhaltensökonomen noch in der Ära von Alexander Wrabetz lediglich die ersten beiden Indikatoren untersucht haben. Die Experten von FehrAdvice ermittelten damals bedenklich niedrige Identifikationswerte der Bevölkerung mit der Firma, aber beruhigend hohe mit ihren Kanälen. Das galt gleichermaßen für Radio, Fernsehen und Online.

Es wäre spannend zu erfahren, mit welchen Galionsfiguren des ORF die Österreicher am ehesten etwas anfangen können. Eingeschränkt auf den Nachrichtenbereich war in früheren Zeiten Hugo Portisch immerhin so populär, dass er als chancenreicher Präsidentschaftskandidat gehandelt wurde (und geschmeichelt, aber entschieden ablehnte). Seine Rolle des Welterklärers kommt heute wohl eher dem Politikwissenschaftler Peter Filzmaier als einem Journalisten zu. Die Verkörperung der ORF-Information aus Publikumsperspektive ist hingegen zweifelsohne die ZiB 2-Ikone Armin Wolf.

Die Domänen des stellvertretenden TV-Chefredakteurs sind das Interview und die Moderation. Diese stark personalisierten Formen stellen viele andere Spielarten von Journalismus in den Schatten, ohne deren Grundlage die Bildschirm-Kür oft nicht möglich wäre. Das reicht von der Investigation bis zur Beitragsgestaltung. Wolfs Stärke basiert auf konsequenter Vorbereitung, der akribischen Recherche. Sie bildet das Fundament jener gnadenlosen Konfrontation, für die er gerühmt wird. Das aber ist kein guter Sockel für allseitige Beliebtheit. Er polarisiert. Im Fernsehen wie auf Twitter. Letzteres mag den ganz persönlichen Status sogar überhöhen, zählt aber zu seinen größten Verdiensten für den ORF. Der seit 37 Jahren dort tätige 56-Jährige führt dem Arbeitgeber bereits seit 2009 vor, wie Social Media ein Medienhaus stärken statt schwächen kann. Auf Basis eines Starprinzips mit langer Leine.

Dieser Freiraum lässt Wolf aktuell mehr denn je geradezu als Mister ORF erscheinen. Er reagiert via Twitter sensibel und hart argumentierend auf sachliche Kritik am öffentlich-rechtlichen Medienhaus. Es hat in ihm den in der Öffentlichkeit wirksamsten und vehementesten Verteidiger. Das ist besonders glaubwürdig, weil er auch harte Kritik an den strukturellen Rahmenbedingungen des ORF vor aller Welt äußert. Gemeinsam mit seinem Freund, dem Redakteurssprecher Dieter Bornemann, hat er ein journalistisches Fernsehbollwerk gegen parteipolitische Einflüsse errichtet. Es ist schon zehn Jahre her, dass die beiden federführend den Wechsel von Niko Pelinka verhinderten, der vom Sprecher des SPÖ-Freundeskreises im ORF-Stiftungsrat direkt Büroleiter von Generaldirektor Wrabetz werden sollte -nachdem er zuvor bereits als Generalsekretär des Hauses gehandelt worden war.

Die Ironie dieser Geschichte ist, dass Wolf heute - quasi nebenbei -just eine solche Zusatzfunktion einnimmt, die es offiziell nicht gibt. Neben einer Vielzahl von bloß hilfreichen bis stark pointierten politischen Tweets (re)agiert er via Twitter (ausgewiesen als "Kein ORF-Account") immer wieder auch wie ein umsichtiger Unternehmenssprecher. Klug argumentierend, kenntnisreich, hart in der Sache: Es ist schwer, gegen ihn anzukommen. Loyaler gegenüber dem öffentlichen Auftrag geht es kaum. Es gäbe wohl keinen besseren Außenminister für Österreichs führendes Medienhaus - das aus Gegenperspektive zu stark einen politisch enorm wettbewerbsverzerrten Markt dominiert.

Doch diese Position bringt Wolf auch in eine Zwickmühle: Die offizielle Unternehmenskommunikation, wo sogar jeder Chefredakteur jedes Interview, das er gegeben hat, erst absegnen lässt, kommt weder dem Tempo des Twitter-Gurus mit der 570.000 Accounts starken Gefolgschaft nach, noch verfügt sie über dessen konsequent journalistische Argumentationsweise. Letztlich springt der undiplomatische Info-Star immer wieder in eine Bresche, die nur durch Führungsschwäche - von General Roland Weißmann abwärts -entstehen kann. "Ist da jemand?" fragte einst der ORF für "Licht ins Dunkel". Antwort heute: Ja, Armin Wolf. Das Haus ist ihm und Twitter ausgeliefert.