12-Stunden-Tag
bereits ab Herbst

Das Gesetz für den 12-Stunden-Tag soll bereits im September in Kraft treten. Vorgesehen war ursprünglich Jänner 2019.

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"Ich rechne mit dem Schlimmsten und gehe davon aus, dass ÖVP und FPÖ den Geltungsbeginn statt, wie geplant mit 1. 1. 2019, auf den frühestmöglichen Termin, nämlich im Herbst 2018, mittels Abänderungsantrag einbringen werden", so SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch am Donnerstag.

12-Stunden-Tag ab Herbst möglich

Der Oppositionspolitiker befürchte einen "überfallsartigen Abänderungsantrag" der Regierung in der heutigen Sitzung zur Arbeitszeitflexibilisierung."Offenbar hoffen Kurz und Strache damit die geplante Maßnahmen seitens der Opposition und der Gewerkschaften im Herbst abzustellen. Da täuschen sie sich aber gewaltig, genau Gegenteiliges wird der Fall sein."

Die Bundesregierung will die neuen Arbeitszeitregeln, die eine Ausweitung der Höchstarbeitszeit auf 12 Stunden pro Tag oder 60 Stunden pro Woche ermöglichen, bereits früher als geplant einführen. Ursprünglich sollte das neue Arbeitszeitgesetz, das am Donnerstag im Nationalrat beschlossen wird, am 1. Jänner 2019 in Kraft treten, nun soll es bereits am 1. September so weit sein.

Die Parlamentsklubs von ÖVP und FPÖ bestätigten dieses Vorhaben, das mittels Abänderungsantrag umgesetzt werden soll, Donnerstagfrüh gegenüber der APA. Als Grund für das überraschende Vorziehen des Gesetzes wurde die "Diskussion der vergangenen Tage" genannt, die für "viel Verunsicherung und Falschinformation" gesorgt habe.

»Um Klarheit und Sicherheit zu schaffen, wird die Arbeitszeitflexibilisierung mit 1.9.2018 in Kraft treten«

"Um Klarheit und Sicherheit zu schaffen, wird die Arbeitszeitflexibilisierung mit 1.9.2018 in Kraft treten. Die Wirklichkeit wird dann die Wahrheit zeigen, nämlich dass sich für die Masse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nichts ändert. Wenn Arbeitnehmer wollen, können Sie mehr arbeiten und bei vollen Zuschlägen mehr Geld verdienen oder mehr Freizeitblöcke in Anspruch nehmen", hieß es in einer Stellungnahme der beiden Klubs.

Nationalratssitzung live (ab 9 Uhr)

Die Regierungsparteien hatten zuletzt betont, dass die neuen Arbeitszeitregeln auf freiwilliger Basis eingeführt würden. Gewerkschaft und Arbeiterkammer kritisierten die Pläne vehement und warfen der Regierung die Schlechterstellung von Arbeitnehmern zugunsten der Industrie vor. Der ÖGB rief am Wochenende zu einer ersten Großdemonstration auf und stellte der Regierung einen heißen Herbst und den Arbeitgebern harte Kollektivvertragsverhandlungen in Aussicht.

"Keine gesetzlichen Verpflichtungen zur Mehrarbeit"

Dem wollen ÖVP und FPÖ nun offenbar mit einer raschen Umsetzung des Gesetzes zuvorkommen. "Wir wollen, dass unter dem neuen gesetzlichen Umfeld, ungestört die Kollektivverhandlungen im Herbst beginnen können und die Gespräche der Sozialpartner auf Basis des neuen geltenden Arbeitszeitgesetzes und damit voller Rechtssicherheit geführt werden können", teilten die Parlamentsklubs von ÖVP und FPÖ mit. Einmal mehr wurde betont, dass im Arbeitszeitgesetz "keine gesetzlichen Verpflichtungen zur Mehrarbeit" festgeschrieben seien und der bisherige gesetzliche 8-Stunden-Tag "garantiert" bleibe.

Darüber hinaus argumentierten die Koalitionsparteien das Vorziehen des Gesetzes, das unter anderem auch eine Verkürzung von Ruhenszeiten im Tourismus vorsieht, mit den Bedürfnissen der Tourismuswirtschaft. "Eine Umstellung im Herbst und damit vor Beginn der Wintersaison erscheint gerade mit Rücksichtnahme auf den Tourismusbereich sinnvoller."

Gerüchte über ein schnelleres Inkrafttreten des Gesetzesvorhaben machten bereits in der Nacht auf Donnerstag die Runde. Von ÖGB und SPÖ kam noch vor der offiziellen Bestätigung erste Kritik. "Wer glaubt, damit die Aktivitäten der Gewerkschaft zu stoppen, ist am Holzweg", erklärte ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian via Twitter.

Opposition über Vorgehen bei Arbeitszeit empört

Das Vorgehen der Regierungsfraktionen, die Ausweitung der Höchstarbeitszeit nun überraschend bereits per 1. September einzuführen, hat gleich zu Beginn der Nationalratssitzung am Donnerstag empörte Reaktionen der Oppositionsfraktionen ausgelöst. SPÖ-Klubchef Andreas Schieder beklagte, dass die Abgeordneten davon erst heute aus den Medien erfahren mussten. ÖVP und FPÖ wiesen die Kritik zurück.

Mit dem Vorgehen werde vorbei an allen parlamentarischen Usancen "der ganze parlamentarische Prozess schlecht gemacht", sagte Schieder in einer zu Sitzungsbeginn eigens einberufenen Geschäftsordnungsdebatte. Niemandem im Hohen Haus sei der abgeänderte Abänderungsantrag zugegangen, mit dem noch am Donnerstag das Vorhaben beschlossen werden soll. "Es wäre doch durchaus sinnführend, den Abänderungsantrag den Fraktionen in der Version zuzuführen, die stimmt", so der Abgeordnete. Er kenne das Vorhaben, die Änderung schon per 1. September in Kraft treten zu lassen, nur aus den Medien.

An Parlamentspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) richtete der SPÖ-Klubobmann die Bitte, "dass Sie eine ordnungsgemäße Vorgangsweise sicherstellen", denn sonst sei ein geordnetes Behandeln der Materie nicht möglich. Dies sei "nicht im Sinne des Parlamentarismus und des Hohen Hauses".

»Sie gehen bewusst den Weg der Ignoranz«

NEOS-Klubobmann Matthias Strolz schloss sich der Kritik Schieders an. Er betonte, dass seine Fraktion ja grundsätzlich für das Vorhaben der Arbeitszeitflexibilisierung eintrete. Das Vorgehen von ÖVP und FPÖ sei aber "keine Art des Zusammenarbeitens", so seine Kritik. Auch er richtete sich an den Nationalratspräsidenten: "Ich möchte Sie bitten, auf die Mehrheitsfraktionen einzuwirken, dass diese Ignoranz ein Ende hat." Auch verwies Strolz wie zuvor schon Schieder darauf, dass er mit dem gesamten Umgang der Regierungsfraktionen mit dem Thema nicht einverstanden ist: "Sie gehen bewusst den Weg der Ignoranz", verwies er darauf, dass FPÖ und ÖVP das Gesetz als Initiativantrag eingebracht haben - und ohne Begutachtung über die Bühne bringen wird. "Ich erwarte von Ihnen, Herr Präsident, dass sie hier (...) entschlossener, klarer und überparteilich Partei ergreifen", sagte er in Richtung Sobotka.

Klubchefs weisen Kritik lautstark zurück

FPÖ-Kubchef Walter Rosenkranz und ÖVP-Klubobmann August Wöginger wiesen die Kritik lautstark zurück. Man mache die Arbeit entlang der Geschäftsordnung des Nationalrates, sagte Wöginger - und werde den aktuellen Antrag nun ohnehin an die Fraktionen übermitteln. Man habe den Abänderungsantrag ja bereits letzten Freitag vorgelegt, nun ändere sich ja nur wenig, meinte er: "Was sich jetzt ändert, ist die Frist des Inkrafttretens", so der VP-Klubchef. Auch Rosenkranz pochte darauf, dass die Regierungsfraktionen entlang der Geschäftsordnung agierten: "Ich konnte nicht entnehmen, dass irgendein Vorgang geschäftsordnungswidrig gewesen wäre".

Schieder entgegnete, Wöginger sitze hier einem "Irrtum" auf: "Das ist keine kleine Änderung. Und es wäre durchaus angebracht, dass wir - bevor wir in die Tagesordnung eingehen - schriftlich erfahren, was denn hier geplant ist. Es ist nicht OK, dass man sagt, lest die Zeitung, weil dort haben wir es eh schon verlautbart. So wie Sie vorgehen wird der ganze parlamentarische Prozess schlecht gemacht."

Rosenkranz und Wöginger ließ die Kritik unbeeindruckt. Sie warfen vielmehr der Opposition zu harte Protestmaßnahmen gegen einzelne Abgeordnete vor. So seien Protestschreiben gegen den 12-Stunden-Tag und Pflastersteine vor Büros und Häusern von Abgeordneten gefunden worden, beklagten sie: "Was wollen sie uns mit Pflastersteinen mitteilen, die sie vor Firmen und Häuser unserer Abgeordneten legen?", fragte Wöginger. "Fliegen sie das nächst Mal beim Fenster rein? Ich weise diese Vorgangsweise entschieden zurück."

Liste Pilz-Klubchef Wolfgang Zinggl betonte, dass diese "Vorgänge außerhalb des Hauses" nichts mit der Geschäftsordnung zu tun haben. Zum Vorgehen der Regierungsfraktionen sagte er: "Ja, es entspricht der Geschäftsordnung, aber nicht den Usancen des Hauses". Die Fraktionen hätten ein Recht darauf, von Abänderungsanträge rechtzeitig zu erfahren, damit man auch innerhalb der Fraktionen zeitgerecht darüber diskutieren kann. An Sobotka stellte er die Frage, wie er die Wertschätzung des Hohen Hauses angesichts dieses Vorgehens sieht. Nach einer kurzen Stehpräsidiale wurde dann die Sitzung mit dem ersten Tagesordnungspunkt - der Fragestunde an Sportminister Heinz-Christian Strache fortgesetzt.

Demonstration gegen 12-Stunden-Tag

Vor dem Parlaments-Ausweichquartier in der Hofburg waren unterdessen in der Früh rund 200 Demonstranten dem Aufruf der Jungen Generation der SPÖ gefolgt und demonstrierten lautstark gegen den 12-Stunden-Tag. Unter den Teilnehmern waren auch mehrere Oppositionsabgeordnete, darunter etwa SP-Klubchef Schieder, der gemeinsam mit dem Protestierenden die "Internationale" zum Besten gab.

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