Arbeiten bis der Arzt kommt

Ununterbrochene Erreichbarkeit und lange Arbeitszeiten gefährden Mitarbeiter

Investmentbanker haben in der aktuellen Wirtschaftskrise keinen guten Ruf. Unter welch brutalen Arbeitsbedingungen jedoch gerade die Berufseinsteiger und Praktikanten in dieser Branche zu leiden haben, fällt dabei nur allzu leicht unter den Teppich. Der Tod eines Praktikanten von Merrill Lynch rückt nun diese Zustände in den Fokus. Auch in Österreich ist die Lage nicht viel besser.

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Arbeitsbedingungen - Arbeiten bis der Arzt kommt

Früher war Investmentbanking ein eher gemütlicher Job. Es gab lange Mittagspausen, die stark regulierten Märkte bewegten sich nur langsam und es ging vor allem darum Kontakte zu pflegen. Alles änderte sich mit der Liberalisierung der Finanzmärkte. London wurde zu Europas Bankenmekka und plötzlich war es möglich und auch notwendig 24 Stunden am Tag Investmentbanking anzubieten. Denn wenn die Börsen in Europa schließen, sperren sie in den USA erst auf und in der Nacht folgen die Börsen Asiens. Rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr werden so in jedem Augeblick Milliarden bewegt.

Investmentanker wurden und werden bis heute extrem gut bezahlt. Dafür müssen sie ihren Kunden ein 24-Stundenservice anbieten. Im „Guardian“ beschreibt der frühere Investmentbanker und heutige Journalist Seth Freedman diese Zustände. Er erzählte, dass von ihm erwartet wurde 24 Stunden am Tag verfügbar zu sein. Er musste ständig zwei Handys dabei haben um auch mitten in der Nacht Wünsche von Kunden zu erfüllen, die in Asien investieren wollten. Das war der einzige Weg um in der Hierarchie der Bank aufzusteigen. Freedman kündigte schließlich als er merkte, dass Investmentbanking zunehmend sein ganzes Leben auffraß.

Kaum Produktivität

Dem „Businessinsider“ erzählte ein Praktikant einer US-Bank, dass er oft sieben Tage am Stück arbeitete und dabei auf 100 bis 120 Wochenstunden kam. Wach hielt er sich mit Unmengen an XXL-Energy-Drinks. Oft arbeitet er bis in die frühen Morgenstunden und er konnte sich nicht erinnern, jemals vor zehn oder elf Uhr die Firma verlassen zu haben.

Dazu kommt die britische Trinkkultur. In vielen Investmentbanken ist der gemeinsame Pub-Besuch üblich. Nach kurzen aber intensiven Alkoholexzessen und wenig Schlaf folgen extrem lange Arbeitstage. Eine frühere Praktikantin einer Investmentbank erzählte NEWS.AT: „Die Firmenkultur beruht auf dem Prinzip möglichst lange auszuharren. Dass alleine schon wegen des intensiven Alkoholkonsums und der chronischen Übermüdung die Produktivität auf der Strecke bleibt ist kaum ein Thema. Investmentbanking ist eine sehr männlich geprägte Welt. Ein harter Hund zu sein und möglichst lange durchzuhalten, zählt oft mehr als die Resultate der eigenen Arbeit.“

Weniger arbeiten – mehr leisten

Arbeitsmediziner weisen seit langem auf den Zusammenhang von kürzeren Arbeitszeiten und höherer Produktivität hin. Auch die OECD kam in Studien zur Arbeitsproduktivität zum Schluss, dass Franzosen wesentlich produktiver arbeiten würden als Deutsche. Zurückgeführt wird das auf die dortige 35-Stunden-Woche. Diese führt zwar zu kürzeren Arbeitszeiten aber offenbar wird die Zeit produktiver genützt.

Veronika Kronberger, Vorsitzende der Plattform „Generation Praktikum“, erklärte in einem Beitrag für die AK und ÖGB Zeitschrift „Arbeit & Wirtschaft“, dass auch in Österreich die Arbeitsbedingungen der Praktikanten prekär sind. Der Berufseinstieg würde sich immer mehr verschieben und Praktika würden immer häufiger keine Ausbildungsverhältnisse sondern versteckte Arbeitsverhältnisse sein. Sie kritisiert auch eine fehlende Protestkultur der Praktikanten. In Frankreich hätten die Proteste von Jugendlichen beispielsweise bewirkt, dass die unbezahlte Arbeit verboten wurde. Auch in Österreich hätten Klagen vor Arbeitsgerichten gegen unfaire Beschäftigungsverhältnisse gute Chancen. Allerdings sei das Wissen über die eigenen Arbeitsrechte oft schwach ausgeprägt. Beispielsweise sei es wenig bekannt, dass sich derartige Klagen auch drei Jahre im Nachhinein einbringen lassen.

Wenig gesetzliche Verbesserungen

Seth Freedman kommt in seinem Beitrag für den „Guardian“ zu einem ähnlichen Schluss. Praktikanten und Berufseinsteiger fühlen sich fast immer hilflos im Kampf gegen unfaire Arbeitsverhältnisse. Steht doch ein Heer von Freiwilligen bereit, von denen jeder sie sofort ersetzen könnte. Auch Kronberger beklagt in ihrem Artikel, dass die gesetzliche Verbesserung der Praktikumssituation nur langsam vorankommt.

Auch für Firmen und insbesondere Banken würde es sich vermutlich auszahlen, besser auf die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter einzugehen. Im Juni wurde der Fall eines Bankers in Hessen bekannt, der irrtümlich 222,2 Millionen Euro überwies. Er war eingeschlafen und kam dabei aus Versehen an den Tasten an. Statt 62,4 Euro überwies er Millionen. Billiger wäre es für die Bank wohl gewesen den Banker manchmal auch schlafen zu lassen.

Kommentare

kb2013 melden

Soviel zu dem 12 Stunden Arbeitstag

christian95 melden

100% richtig!

Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft sollen, geht es nach der ÖVP 12 Stunden arbeiten. Lehrer dagegen nicht einmal 24 Stunden in der Woche - so zwiespältig ist diese ÖVP.

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