Arbeiten für nur "Gottes Lohn": 18 Prozent der Überstunden werden nicht bezahlt

AK-Experte warnt vor Fallen in Arbeitsverträgen 750.000 Personen machten 9,4 Überstunden/Woche

18,3 Prozent der Überstunden werden nicht bezahlt. Die letzten Aufzeichnungen der Statistik Austria vom dritten Quartal 2005 zeigen, dass in Österreich 748.500 Personen regelmäßig Überstunden geleistet haben - und zwar 508.000 Männer und 239.000 Frauen. Die wöchentlich im Durchschnitt pro Person geleistete Überstundenzahl belief sich dabei auf 9,4. Das bedeutet, dass in Summe 7.035.900 Überstunden pro Woche anfielen, auf eine 40-Stunden-Woche umgerechnet würde dies einem Arbeitskräftepotenzial von fast 175.900 Personen entsprechen.

Im Jahr 2004 hatten insgesamt 658.600 Personen regelmäßig Überstunden geleistet. Die durchschnittliche wöchentliche Überstundenzahl lag damals bei 9,5 geleisteten Mehrstunden.

Laut AK-Sozialexperten Christoph Klein hatte sich bei der jüngsten Untersuchung darüber, ob die Überstunden bezahlt worden sind oder nicht, laut Mikrozensus 2001 ergeben, dass 57,2 Prozent eine Abgeltung zur Gänze erhielten, 5,8 Prozent hätten eine teilweise Abgeltung erhalten und 37 Prozent entweder einen zeitlichen Ausgleich oder gar keine Abgeltung. Eine Differenzierung beim letzten Punkt habe zuletzt nicht mehr stattgefunden - bei der 2001-er Befragung, die genauer gewesen sei, habe man eruieren können, dass eben 18,3 Prozent überhaupt keine Vergütung - weder Überstunden noch Zeitausgleich - erhalten hätten. "Das heißt, jeder fünfte Arbeitnehmer macht Überstunden um Gottes Lohn", so der AK-Sozialexperte.

Und es sei ein "Irrsinn, wenn so eine Menge an Überstunden geleistet wird, bei insgesamt fast 400.000 Beschäftigungslosen in Österreich. Da wäre doch ein Ausgleich zwischen jenen, die durch ein Unmaß an unfreiwilligen Überstunden an Überlastung und Stress leiden, und jenen, die überhaupt keine Arbeit haben, mehr als überlegenswert".

Zur Aussage von Arbeitsminister Martin Bartenstein (V) im Sozialausschuss des Nationalrates, der sich dazu bekannte, dass "Arbeit, die geleistet wird, auch bezahlt wird" und unbezahlte Mehrstunden aufgezeigt und abgestellt gehörten, merkte Klein an, die Voraussetzungen dafür wären, "unfaire Vertragspraktiken abzustellen" und die Unternehmer dazu anzuhalten, ihrer Aufzeichnungspflicht von Arbeitszeiten nachzukommen. Werde die Aufzeichnungspflicht nicht geführt, sei dies nicht nur eine fahrlässige Unterlassung, "sondern da wird vorsätzlich die gesetzliche Pflicht verletzt".

Klein ist es vor allem ein Anliegen, die "ärgerlichen Vertragsklauseln" mit Verfallsbestimmungen für Überstunden abzustellen. "Das ist der Versuch der Arbeitgeber, sich aus der Bezahlung herauszuwinden. Unser Wunsch ist: Gibt es Verfallsklauseln im Vertrag und hält sich der Arbeitgeber nicht an die Aufzeichnungspflicht, gilt die Verfallsklausel nicht". Als zweiten Knackpunkt sieht der AK-Sozialexperte die "All-inclusive"-Verträge. Das klinge für junge Leute oft ganz gut, aber "die leisten Überstunden en masse. Die kriegen dann keine Stunde extra bezahlt. Und wenn man dann wirklich nachrechnet, liegt das tatsächliche Gehalt manchmal sogar unter dem Kollektivvertrag. Diese Praktiken gehören abgestellt".
(apa)