Milliarden-Monopol der
heimischen Apotheken

Die Bundeswettbewerbsbehörde kritisiert, dass Österreichs Apotheken ihre Geschäfte quasi als Monopolisten durchführen - zum Nachteil der Konsumenten. Sie tritt für eine Liberalisierung der viel zu restriktiven Marktbedingungen ein und sieht den Gesetzgeber gefordert.

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Wirtschaft - Milliarden-Monopol der
heimischen Apotheken

Die allseits gerne verwendete Bezeichnung "Apothekerpreise" als Synonym für auf den Cent genaue bzw. teure Preise kommt nicht von ungefähr. Jeder, der einmal eine nicht verschreibungspflichtige Arznei oder ein Gesundheitsprodukt woanders als in der Apotheke gekauft hat, kennt den preislichen Unterschied.

Seit mehr als einem Jahr hat die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) daher die Marktsituation bei Österreichs Apotheken unter die Lupe genommen, und das Ergebnis fällt ausgesprochen ernüchternd aus: "Es gibt hier einen großen Nachholbedarf, was den Wettbewerb betrifft", bringt es BWB-Chef Theodor Thanner auf den Punkt, "und das wirkt sich nachteilig für die Konsumenten aus."

Der aktuelle BWB-Bericht zu den österreichischen Apotheken ist Teil einer breit angelegten Analyse des heimischen Gesundheitssektors. News konnte vorab Einsicht nehmen. "In dem Sektor gibt es wettbewerbliche Phänomene, die sonst in der Wirtschaft verpönt und verboten sind", sagt Thanner. Dazu gehörten etwa fixe Preise, Gebietsschutz sowie Ausnahmen für bestimmte Bereiche und Monopole. Dadurch sei der Wettbewerb "eingeschränkt bzw. verfälscht". Bei den Apotheken ist die Situation besonders restriktiv, wie der Bericht zeigt. "Die Bedarfsprüfung zum Beispiel ist Regulierung pur", sagt Thanner. Diese Prüfung regelt, wann und unter welchen Voraussetzungen eine Apotheke aufgesperrt werden darf. Nicht erlaubt ist das laut Apothekengesetz etwa, wenn die nächstgelegene Apotheke weniger als 500 Meter entfernt ist. Oder wenn sich die Zahl der Personen, die von einer der umliegenden Apotheken zu versorgen sind, wegen der Neuerrichtung verringert und folglich unter 5.500 Personen liegt. Eine Konzession erhalten ohnehin nur ausgebildete Apotheker.

Mehr Bedarf

Derzeit gibt es in Österreich 1.357 öffentliche Apotheken sowie 840 Hausapotheken von Ärzten und 43 von Krankenanstalten. Die Zahl der öffentlichen Apotheken hat im vergangenen Jahrzehnt um zehn Prozent zugenommen; im Schnitt gibt es auf 100.000 Einwohner 15,4 Betriebsstätten. Im internationalen Vergleich ist das wenig: Der OECD-Schnitt beträgt 25. Zum Vergleich: In Spanien gibt es 47,2 Apotheken pro 100.000 Einwohner, in Irland 37,5, in Frankreich 34 oder in Italien 29,9. Fazit: "Für neu eröffnete Apotheken ist sowohl ein Bedarf von Seiten der Konsumenten gegeben als auch ein wirtschaftlicher Anreiz für Apotheker, solche zu betreiben", heißt es im Bericht.

Durch die Bedarfsprüfung sei der "freie Wettbewerb zwischen den Apotheken eingeschränkt". Eine Liberalisierung hätte eine "Steigerung des Qualitätswettbewerbs" gegenüber den Konsumenten zur Folge. "Eine Erhöhung der Apothekendichte würde zu besseren Preisen führen und vor allem für die Bevölkerung am Land den Zugang zu Medikamenten erleichtern", sagt Thanner. Solange Umsätze generiert werden können, würden neue Apotheken auf den Markt drängen, so der BWB-Chef: "Wettbewerb kann sich daher auf unsere Gesundheit positiv auswirken."

Restriktive Grenzen

Auch bei Filialbetrieben ist das Gesetz sehr streng: Demnach darf der Inhaber einer öffentlichen Apotheke lediglich eine Zweigstelle aufsperren. Und dies auch nur dann, wenn der Standort dieser Zweigstelle nicht mehr als vier Kilometer vom Mutterbetrieb entfernt ist.

Die Öffnungszeiten hat sich die BWB ebenfalls angesehen: Maximal dürfen Apotheken 48 Stunden pro Woche offen halten; mittags muss für ungefähr zwei Stunden geschlossen werden. Befinden sich an einem Ort mehrere öffentliche Apotheken, so sind für sie gleiche Betriebszeiten festzulegen. Für Mittags und Randzeiten bestehe ein "komplexes, intransparentes System an Sonderregelungen", stellt der Bericht fest. Und weiter: "Obwohl der Handel mit Arzneimitteln grundsätzlich mit dem Einzelhandel zu vergleichen ist, verhindern die derzeitigen Regelungen, dass die Apotheker von ihrer unternehmerischen Freiheit Gebrauch machen und mit erweiterten Öffnungszeiten in den Wettbewerb mit anderen Apotheken treten."

Eine Liberalisierung würde die Heilmittelversorgung nicht gefährden, sagt Thanner: "Die Öffnungszeiten könnte man an die des Lebensmittelhandels anpassen. In Deutschland oder in der Schweiz haben Apotheken mehr als zehn Stunden oder teilweise sogar rund um die Uhr offen."

Mehr Freiheiten mittels gesetzlicher Maßnahmen empfiehlt die BWB auch für zusätzliche Services und Dienstleistungen, Zustelleinrichtungen, den Onlinehandel und den Verkauf von rezeptfreien Medikamenten (siehe Kasten). Nur Letztere dürfen auch online vertrieben werden - und zwar von Versandapotheken, die sich in einer verpflichtenden Liste registrieren müssen. Bislang haben das 52 Apotheken gemacht. Diesen wiederum ist die Bewerbung von Preisen verboten -im Gegensatz zu ausländischen Onlineapotheken.

Mächtige Großhändler

Auch was den Handel mit pharmazeutischen Produkten betrifft, ist von Wettbewerb nicht sonderlich viel zu bemerken: Derzeit sind am heimischen Markt sechs vollsortierte Großhändler tätig. Laut dem BWB verfügen die drei größten über einen "Marktanteil von 75 bis 85 Prozent". Um Zusatzerträge zu lukrieren, hätten diese in der Vergangenheit immer wieder versucht, sich an Apotheken zu beteiligen. Zudem würden "weitergehende vertragliche Beziehungen wie Warenkredite, Kaufpreisstundungen oder sonstige Finanzierungshilfe" zwischen Großhändlern und Apotheken bestehen. Die BWB tritt hier daher für eine Beibehaltung des Ketten-und Fremdbesitzverbots ein: Eine Änderung würde "die Wahrscheinlichkeit von negativen Folgen wie Marktzutrittsbarrieren, die Abschottung fremder Apotheken und das Verschieben der Sortimentsbreite und -tiefe zu Gunsten der vom Großhändler angebotenen Waren massiv erhöhen".

Dieser Punkt ist auch so ziemlich der einzige, den auch die Apothekerkammer so sieht: Denn eine Marktöffnung weg von der eigentümergeführten Apotheke hin zu Oligopolen würde weitreichende negative Konsequenzen nach sich ziehen. Ansonsten verteidigt die Kammer den Status quo: Die Erwartungen, die an eine Liberalisierung im Apothekenwesen geknüpft werden, seien "in anderen Ländern in keinem Bereich erfüllt" worden, heißt es.

Eine Unterversorgung gebe es nicht. Apotheken seien 365 Tage im Jahr verfügbar, teilweise rund um die Uhr. "95 Prozent der Österreicher können die nächste Apotheke im Schnitt innerhalb von zehn Minuten erreichen", erklärt Apothekerkammer-Präsidentin Ulrike Mursch-Edlmayr, die auch an der Bedarfsprüfung festhält: "Der Fortbestand der bewährten Regelung ist zur Sicherstellung der guten und flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln absolut notwendig", erklärt sie. Womit auch der Fortbestand der Apothekerpreise gesichert wäre.

Ein riesiger Markt

Für die Gesundheit der Österreicher werden enorme Summen aufgewendet: Die öffentlichen Ausgaben dafür betrugen 2016 (laut letzten vorliegenden Zahlen) 27,3 Milliarden Euro. Davon entfallen 3,7 Milliarden Euro auf pharmazeutische Erzeugnisse. Hier kommen die öffentlichen Apotheken ins Spiel, die neben Medikamenten auch Nahrungsergänzungsmittel oder Kosmetika verkaufen: Sie setzten zuletzt 3,98 Milliarden Euro um - davon 2,69 Milliarden Euro mit Krankenkassen, 1,29 Milliarden mit Privatpersonen. Im Vergleich zu 2013 stieg der Gesamtumsatz immerhin um 600 Millionen Euro.

Kampf um Rezeptfreie

821 Millionen Euro der Apothekenumsätze entfallen auf rezeptfreie (sogenannte OTC-)Medikamente. Diese gewinnen zunehmend an Bedeutung. Die Drogeriekette DM streitet etwa schon seit Jahren vor Gericht darum, rezeptfreie Medikamente zu günstigen Preisen in ihre Regale stellen zu dürfen. Bislang ohne Erfolg. Die BWB ortet auch hier eine Monopolisierung. Die Apotheken hätten dadurch keine Veranlassung, in einen Qualitäts-oder Preiswettbewerb zu treten. Die Wettbewerbshüter empfehlen eine maßvolle Liberalisierung mit verpflichtender Beratungsleistung. Eine durchschnittliche Apotheke setzt rund 2,9 Millionen Euro um. Die höchste Dichte an Apotheken gibt es mit 325 in Wien, die geringste mit 38 im Burgenland. In der Regel haben Apotheken 6.000 unterschiedliche Arzneimittel lagernd.

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der News-Printausgabe 20/2018.