Wiener Staatsoper: Donizettis „Anna Bolena“ mit Diana Damrau

Lohnt sich der Besuch des Geschichtsunterrichts bei Donizettis „Anna Bolena“ mit Diana Damrau?

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AnnaBolena_D5A2531_BROWNLEE_DAMRAU.jpg © Bild: Michael Poehn

Als die Wiener Staatsoper 2011 Gaetano Donizettis „Anna Bolena“ auf den Spielplan rückte, gab es dafür einen Grund. Die beiden größten Sängerinnen gemeinsam auf die Bühne zu bringen. Anna Netrebko und Elina Garanca. Unvergesslich bleibt, wie intensiv, wie überwältigend La Netrebko die Bolena sang und Garanca, ihr ebenbürtig, die verletzliche, anmutige Jane Seymour zeigte. Diese Sängerinnen ließen Eric Genoveses belanglose Behübschung in opulenten Kostümen zum dem verkommen, was es war, nebensächliches Stehtheater. Der englische König Heinrich VIII, der seine Ehefrauen enthaupten lässt, wenn er genug von ihnen hat, tritt da auf, als wäre er einem der historischen Porträts entstiegen.

Doch um noch einmal auf die Besetzungen der Titeldarstellerin zurückzukommen, nach Anna Netrebko war Edita Gruberova als Anna Bolena an der Wiener Staatsoper zu erleben. Das war im Herbst 2015. Die Grande Dame des Belcanto trumpfte da mit famosen Koloraturen auf. Und das mit 69 Jahren! Eine echte Diva, die Produktionen wie diese rechtfertigt. 2021 verstarb die Gru, wie sie von ihren Anhängern liebevoll genannt wurde.

Wie groß die Lücke ist, die sie hinterlässt, manifestiert sich bei der aktuellen Aufführungsserie dieser Oper. Die Sopranistin Diana Damrau ist Anna Bolena. Eine ehrliche, sympathische Sängerin gibt da ihr Möglichstes. Das ist nicht wenig. Alles passt, die Koloraturen spult sie mustergültig ab, gibt sich im Finale mit Verve dem Wahn hin und wird vom Publikum bejubelt. Ekaterina Semenchuk ist eine bewährte Jane Seymour. Nicholas Brownlee, der für Erwin Schrott als Heinrich VIII eingesprungen ist, besticht mit Charisma und seinem noblen Bass-Bariton. Szilvia Vörös ergänzt tapfer als Smeton. Pene Pati müht sich vergeblich als Percy, Dan Paul Dumitrescu ist ein solider Rochefort. Giacomo Sagripanti stört am Pult des Staatsopernorchesters nicht, aber sonst auch nichts. Lehrreich sind Opernabende wie diese, eine Art Geschichtsunterricht, denn sie lassen auf Zeiten zurückblicken, wo Grandezza den Ton angab.