"Wenn ich einmal
streng bin, lachen alle"

Kabarettist Andreas Vitásek im offenen Gespräch über das gut funktionierende Patchwork in seinem Frauenhaushalt, ein übel riechendes Hoppala an einem langen Kabarettabend und darüber, wie Mops Oscar sein Leben veränderte

von Kabarett - "Wenn ich einmal
streng bin, lachen alle" © Bild: News Lukas Ilgner

Kabarettisten haben ein schweres Los: Sind sie nicht permanent lustig, spricht man ihnen das Können ab. Wollen sie ernst sein, kassieren sie Lacher, weil Blitzgneißer subtile Ironie wittern. Andreas Vitásek, seit 36 Jahren auf den Kabarettbühnen des Landes zu Hause, sinniert bei einem Kaffee wie auf Freuds Couch: "Manchmal fühl ich mich nicht ernst genommen. Auch daheim. Wenn ich einmal streng bin, lachen alle." Er schmunzelt: "Das ist ein bissl ein Problem. Aber ich kann damit leben." Der Kabarettist lebt in einem Frauenhaushalt und berichtet darüber: "Ich musste mich im Zuge der Veränderung der Geschlechterrollen auch entwickeln."

Das Gendern, vor allem im direkten Gespräch, gestaltet sich für ihn als Modell älteren Baujahrs manchmal schwierig, aber: "Ich habe zwei Töchter und eine Stieftochter, insofern ist es mir ein persönliches Anliegen, dass Gleichberechtigung und die Herr-, also die Frauschaft der Frauen gefragt sind." Naturgemäß wird Vitásek privat sehr schnell überstimmt. "Es gibt nur zwei Männer, das sind ich und mein Hund." Ein geerbter Hund - die Verantwortung für den Mops namens Oscar wurde dem einstigen Hundeverweigerer von einem Familienmitglied quasi "überlassen". Nun sind die beiden ein eingeschworenes Team. "Ich habe mich lange gewehrt, dass er kastriert wird, weil ich dann überhaupt der Einzige mit ..." Pause. Vitásek will den Inhalt eines kleinen Zuckerpäckchens in seinen Kaffee befördern, als er darauf hingewiesen wird, dass ein leeres Sackerl am Tisch liegt und der Kaffee bereits von ihm gesüßt wurde. Vitásek grinst: "So viel zur beginnenden Demenz." Er rührt im großen Braunen und legt nach: "Wer sind Sie? Und was machen wir hier?"

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Na gut, sanfter Einstieg. Reden wir über das Tier. Die Zuneigung zu Mops Oscar hat sich erst langsam manifestiert. Von der Hundeskepsis, wie Vitásek erklärt, zur Hundeliebe, nein, eher einer Mopsliebe. "Ich mag ja nicht alle Hunde. Wobei, es gibt keine unsympathischen Hunde. Es gibt nur unsympathische Herrln oder Besitzer." Wichtiger Nachtrag, weil Vitásek so gewissenhaft gendert: "und Besitzerinnen". Der Trend gehe zum Kleinhund, das bemerke er beim Gassigehen. Und dass Möpse intelligente, empathiefähige Wesen sind, sogar Tröster. "Wenn man krank ist, kommt er und legt sich vors Bett. Katzen würden in dem Fall wahrscheinlich weggehen und sich denken: Jössas, na! Jetzt muss ich mir einen anderen Futterbesorger suchen", beschreibt Vitásek den Alltag.

Rebell gegen Gesetzesirrsinn

Momentan besteht sein Alltag vor allem aus zwei Kabarettprogrammen, "Sekundenschlaf" und "Grünmandl". Außerdem ist er mit den Aufzeichnungen für die Puls-4-Sendungen "Vurschrift is Vurschrift" - ein Satiremagazin, das sich mit Gesetzesirrsinn, Behördenschikane und absurden Vorschriften beschäftigt - und "Die Rechthaberer" - eine Comedy-Show über die skurrilen Auslegungsmöglichkeiten der österreichischen Gesetzgebung - ausgelastet. Vitásek darf da seine rebellische Ader zeigen, die nicht besonders ausgeprägt ist. Nie, sagt er, sei er Ziel amtlicher Frotzelei geworden. "Es ist auch die Polizei immer sehr nett zu mir. Manchmal bin ich allerdings bei Verkehrskontrollen mit Fragen nach dem Verbandskasten gequält worden." Zu Recht, war ja auch abgelaufen. Vitásek irritiert: "Ich frag mich, wie ein Verbandskasten abgelaufen sein kann. Ist ja ka Wurscht." Das lange Leben der Box schildert er so: "Ich hab den Verbandskasten von meinem ersten Auto an immer ins nächste reingelegt, bis der schon zerbröselt ist."

Ein alter Schatz, der an Wert hingegen gewonnen hat, ist ein Programm des 2000 verstorbenen Tiroler Kabarettisten Otto Grünmandl, der einer der ersten Solokabarettisten im Nachkriegsösterreich war. Das Stück spielt der Wiener nun als Hommage an einen fast vergessenen Außenseiter.

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Das retrospektive Programm hat in einem Berg von Projekten geschlummert. "Das ist ja auch das Schöne am Nichtaufräumen", führt der 61-Jährige aus. "Wenn man dann aufräumt, findet man Sachen, wo man sich denkt: 'A jo, des gibt's ja a no!' Vielleicht sind Messies ja geheime Schatzsucher."

Kühne Konfrontationstherapie

Am Messie-Syndrom leidet der Schauspieler wirklich nicht. Er wirkt nicht nur recht aufgeräumt, auch das Besteck vor ihm liegt schön parallel, die kleine Tischvase ist mittig platziert. Kein Hang zum Sammeln und Horten von Ramsch. "Ich bin sehr zenbuddhistisch angehaucht", erklärt der Kabarettist. "Ich könnte auch sehr gut in einer sonst leeren Wohnung mit nur einem Stuhl existieren, leb aber im Verbund mit Frauen. Und da musste ich mich so adaptieren, dass ich es aushalte, wenn Schuhe im Vorzimmer nicht parallel stehen. Mit Frauen zusammenzuleben, denen das wurscht ist, ist deshalb eine gute Therapie für mich."

Hoffnungslose Zwängler verkaufen sich in solchen Diskussionen gerne als Ästheten. Vitásek schätzt als Anhänger des Bauhausstils die Reduktion aufs Wesentliche. "Bis hin zum Langweiligen. Meine Frau ist da das Gegenteil von mir. Sie hat's gern bunt, ich hab's gern monochrom. Was ich heute trage, ist schon sehr bunt für mich." Vitásek deutet auf sein schwarzes Shirt und dunkelblaues Hemd. "Meine Frau würde dazu schon sagen: 'Na, gehst heute auf ein Fest?' Denn Dunkelblau ist für mich das Höchste der Gefühle. Da bin ich schon lustig unterwegs." Einmal wurde Vitásek gefragt, warum Kabarettisten immer Schwarz tragen. "Wengam Existentialismus?", war die Vermutung. Darauf der lustige Herr in Schwarz: "Nein, weil alles in eine Maschine reingeht." Schwarzes Bühnengewand und schwarze Freizeitkleidung, das kann ein desperater Selfman auf Tournee "dann praktischerweise alles in eine Waschmaschine geben".

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Einziger Nachteil: Mops Oscar verleiht dem düsteren Gewand eine gewisse helle Note, Stichwort Hundehaarpanier. Der Künstler erläutert: "Der Mops ist der Grund, warum ich das erste Mal ein Auto mit hellen Sitzen hab, was ich normalerweise furchtbar finde. Aber schwarze Sitze gehen mit dem Mops nicht." Der Mops hat die Macht. "Er hat sehr viel im Leben verändert. Aber das ist auch schön", zieht Vitásek Bilanz.

»Patchwork funktioniert, wenn die Kinder merken, dass sich «

Wie auch die Damen im Haushalt des Kabarettisten, der als Patchworkspezialist durchgeht. "Wir leben in einem großen Beziehungsgeflecht, weil ich ein Kind aus einer anderen Ehe habe. Und meine Frau hat ein Kind aus einer anderen Beziehung." Das funktioniere gut, hänge aber auch essenziell vom Wohlbefinden der Eltern ab. "Wenn die Kinder merken, dass sich die Erwachsenen vertragen, dann ist es gut. Wenn die Kinder merken, dass ein Konflikt da ist, funktioniert's nicht."

Bitte nicht stören

Humor hilft im Familienleben, Humor hilft auf der Bühne. Mit seinen fast vier Jahrzehnten Bühnenerfahrung sind Andreas Vitásek amüsante Zwischenfälle untergekommen, während er spielte. Früher hätten die Leute aber mehr dazwischengerufen. Was über die Jahre gleich bleibt: Provokateure und Betrunkene kann man schwer handeln.

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Wenn Vitásek während eines Kabarettabends merkt, dass einer hinausgeht, hört er gern kurzfristig im Programm auf. "Das ist eben der Unterschied zum Fernsehen. Das läuft weiter, aber ich warte, bis der wieder retour kommt, und improvisiere in der Zwischenzeit mit dem Publikum." Eines Abends in der Kulisse verlässt ein Herr den Saal. Vitásek zum Publikum: "Der geht sicher aufs Klo. Wir warten." Doch der Herr taucht nicht wieder auf. Der Künstler erklärt den Kabarettbesuchern: "Dem hat's wahrscheinlich nicht gefallen und er ist mit dem Taxi zausg'fahren." Zwischenruf aus den hinteren Reihen: "Na! Sei Jacken hängt no do!" Daraufhin macht sich Vitásek auf die Suche nach dem Gast und findet ihn auf der Herrentoilette. "Da hing er speibend über der Muschel." Vitásek: "Entschuldigung, is' so schlecht, das Programm?" Der Herr: "Nein, es tut mir leid. Ich hab z'viel Rotwein getrunken. Mir ist so schlecht!" Vitásek: "Sie müssen jetzt mit mir zurückkommen, sonst ist das eine Niederlage, wenn ich allein komm." Der Herr: "Na, bitte ned!" Vitásek: "Wir kommen bei der Schwingtür rein. Sie kriegen einen Applaus. Und dann ist eh gleich Pause!" Gesagt, getan.

Vitásek kommt zur Pointe dieser Episode: "Wir machen die Schwingtür auf. Die Leute applaudieren. Und er? Er hat nochmal hingekotzt." Und Pause!

Andreas Vitásek

wurde am 1.5.1956 in Wien-Favoriten geboren. Von 1978 bis 1980 besuchte er die Theaterschule von Jacques Lecoq in Paris, daher kommt seine frankophile Ader ("Dieses Flair! Das Leben in den Straßen! Das Essen!"). Vitásek wurde 2014 mit dem Österreichischen Kabarettpreis ausgezeichnet. Lachen kann er über Klassiker wie Farkas und Waldbrunn, auch wenn Kinder die Sprache erforschen und damit hantieren - und über sich.

Vitásek arbeitet als Kabarettist, Schauspieler und Regisseur. Der 61-Jährige spielt derzeit zwei Soloprogramme: "Sekundenschlaf" und "Grünmandl". Termine unter www.vitasek.at. Auf Puls 4 ist Andreas Vitásek dienstags in "Vurschrift is Vurschrift" und "Die Rechthaberer" zu sehen.