André Rettbergs letztes Gefecht: Prozess gegen Ex-Libro-Boss beginnt im April

FORMAT: Erste Details der brisanten Anklageschrift Verteidiger optimistisch: "Rechnen mit Freispruch"

Am Landesgericht Wr. Neustadt ist die Causa des einstigen Libro-Chefs André Rettberg, dem im Zusammenhang mit der Pleite der Buch-und Papierkette im Jahr 2002 versuchte betrügerische Krida vorgeworfen wird, eine heiße Kartoffel: Richter Wolfgang Jedlicka, ursprünglich mit dem Fall betraut, verabschiedete sich rechtzeitig in die Rente, um sich den Fall mit den verzwickten medialen und politischen Implikationen nicht mehr antun zu müssen.

Die heikle Aufgabe fiel nun der Vizepräsidentin des Landesgerichts, Ingeborg Kristen, zu. Doch Kristen erklärte sich befangen, weil sie über ein paar Ecken mit einem von Rettbergs Wirtschaftsanwälten bekannt ist. Jetzt liegt die Causa bei der jungen Richterin Birgit Borns, die in wenigen Tagen zu zwei Verhandlungen in der ersten Aprilwoche bitten wird. Showtime also in Wr. Neustadt.

FORMAT konnte exklusiv Einblick in das gewichtige Dossier nehmen, das die Nebel um Rettbergs umstrittene wirtschaftliche Performance lichtet.

"Wir rechnen mit einem Freispruch"
Die Wr. Neustädter Staatsanwälte Werner Nussbaumer und Johann Fuchs wollen Rettberg, der mit Bankenkrediten Libro-Aktien erworben hatte und nach dem Kollaps der Firma hoch verschuldet war, nachweisen, privates Vermögen über diverse Finanztransaktionen vor seinen Gläubigern versteckt zu haben. Die Staatsanwälte haben rund um diesen Verdacht vier Anklagepunkte gezimmert, mit denen sie den einstigen New-Economy-Star Rettberg nun hinter Gitter bringen könnten. Höchststrafe: zehn Jahre. Rettberg und sein Strafverteidiger Elmar Kresbach geben sich gelassen. "Die Anklage ist dünn. Wir rechnen mit einem Freispruch."

Tatsächlich gemahnt der erste Punkt der Anklage eher an eine Tragikomödie als an einen Wirtschaftskrimi: Rettberg soll am 22. Mai 2001 ein bei der damaligen Creditanstalt AG, Zweigstelle Salzburg, bestehendes Wertpapierdepot mit 13.751,20 Euro Nominalwert auf den Namen seiner Mutter Maria Rettberg-Huysinga überschrieben haben.

Belegt ist die Vorhaltung im Gerichtsakt mit einer Faxmitteilung Rettbergs an die betreffende CA-Filiale, in der er entsprechende Weisungen gibt und für die prompte Erledigung dankt. Eine Stellungnahme des Beschuldigten zu der Transaktion ist im Akt nicht enthalten, denn Rettberg wurde dazu bei den Einvernahmen durch die Kripo Niederösterreich nie befragt. Gegenüber FORMAT wischt er den Vorwurf vom Tisch: "Es handelte sich um Ersparnisse meiner Mutter."

Firmenbeteiligung verheimlicht?
Die betagte Frau, die in Salzburg in bescheidenen Verhältnissen gelebt hatte, hatte das Geld demnach für ihre Beerdigung zur Seite gelegt und es für den Fall der Fälle ihrem Sohn übergeben. Als Rettberg den wirtschaftlichen Boden unter den Füßen verlor, wollte sie die Summe zurück, damit sie nicht im Strudel seiner Kalamitäten verloren ginge. Vor wenigen Wochen verstarb Maria Rettberg-Huysinga. Anwalt Kresbach: "Ein Witz, dass das in der Anklage steht."

Im zweiten Punkt der Anklage wirft die Staatsanwaltschaft Rettberg vor, von Sommer 2001 bis Jänner 2004 "eine Firmenbeteiligung an der VCH Beteiligungs AG im Nominalwert von 4,4 Millionen Euro" verheimlicht zu haben.

Hintergrund: Vor dem Libro-Kollaps wollte Rettberg mit dem Unternehmer August de Roode ein Konsortium zur Übernahme von Libro auf die Beine stellen. Er zeichnete zu diesem Zweck bei der VCH einen Gewinnschein über die besagten 4,4 Millionen - Geld, das er beim Verkauf von Libro-Anteilen an die Telekom Austria kassiert hatte.

Verschleierungstaktik oder simpler Deal?
Das Projekt platzte, und Rettberg saß plötzlich auf einem Schuldenberg aus den Aktienkäufen. Bei den Verhandlungen mit den Banken, so die Sicht der Staatsanwaltschaft, habe er den Gewinnschein in betrügerischer Absicht unerwähnt gelassen.

Laut Punkt drei der Anklage hat Rettberg ab Herbst 2001 "gegenüber Vertretern seiner Gläubiger wiederholt bekundet, vermögenslos zu sein", und erklärt, "von der Esposa Liegenschaftsverwaltung GesmbH teilweise an seine Gläubiger geleistete Zahlungen bei dieser Gesellschaft erst auf Grund eines Dienstvertrages bzw. eines Werkvertrages abarbeiten zu müssen".

Hintergrund der von den Staatsanwälten gemutmaßten Verschleierungstaktik ist ein simpler Deal, den Rettberg mit der im Umfeld des Unternehmers Friedrich Lind angesiedelten Esposa gemacht hatte: Rettberg, der sich nach der Libro-Pleite zusätzlich zu den Bankenforderungen von Ansprüchen der Libro-Aktionäre und der Konkursmasse in unwägbarer Höhe bedroht sah, trat seinen Gewinnschein an die Esposa ab. Die verpflichtete sich im Gegenzug, Rettberg bei allen kommenden Kalamitäten schadlos zu halten und ihm bei der Gestaltung seiner wirtschaftlichen Zukunft behilflich zu sein.

Vermögensverhältnisse in der Kritik
Im vierten und letzten Punkt der Anklage geht es um Rettbergs Eigenheim. Die Staatsanwälte werfen ihm vor, behauptet zu haben, "die auf dem Hälfteanteil der Liegenschaft 23402 Brunn an der Schneebergbahn, EZ 458, zu seinen Lasten verbücherten Pfandrechte der damaligen Bank Austria AG würden noch bestehen". Auch hierdurch habe Rettberg bei den Verhandlungen mit seinen Gläubigerbanken seine wahren Vermögensverhältnisse verschleiert. Rettberg: "Ein formales Versehen. Ich habe ehrlich gesagt nicht gewusst, dass ich mich selbst darum kümmern muss."

Glaubt man Rettberg, kann er von den Millionen, die zur Seite geschafft zu haben ihm unterstellt wird, derzeit nur träumen. Rettberg schlägt sich derzeit als Consulter durch und berät Kleinbetriebe wie die Linzer Roswitha Böhm Naturprodukte GmbH, die in Natursalz macht.

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