Was den Auftritten von
Ludwig (noch) fehlt

Bürgermeister Michael Ludwig hat mit der bevorstehenden Wien-Wahl die große Chance, aus dem langen Schatten seines Vorgängers Michael Häupl zu treten und sich zu profilieren. Aber reichen seine rhetorischen Fähigkeiten dafür aus? Wie kommt er bei den Wählern an? Ein Gastbeitrag von Thomas W. Albrecht.

von
THEMEN:
Analyse - Was den Auftritten von
Ludwig (noch) fehlt
Thomas Wilhelm Albrecht ist international renommierter Redner und Life-Coach für Rhetorik & Kommunikation. Er entwickelte einen speziellen Blick auf die Kunst der Rede als Ausdruck von Kultur und Wertehaltungen. In seinem Buch "Die Rhetorik des Sebastian Kurz | Was steckt dahinter?" beschreibt er die Wirkkraft von Sprache, Körperbewegung und Emotion. Er wird gerne gebucht, Menschen und Organisationen bei der Lösung kommunikativer Herausforderungen in Veränderungsprozessen zu begleiten. Mehr Infos unter twa.life/hello

In dieser Analyse möchte ich zeigen, wie Michael Ludwigs Rhetorik gestaltet ist und wie der dadurch wahrgenommen wird. Die Art und Weise, wie Menschen sprechen, hat einen wesentlichen Einfluss darauf, ob deren Botschaft ankommen kann oder nicht. Dies ist vollkommen unabhängig von den faktischen Inhalten, ob diese relevant, gut, hilfreich oder falsch, hinderlich bzw. unzutreffend sind.

Michael Ludwig zeigt eine ruhige, gelassene Körperhaltung. Seine Stimme wirkt monoton und sehr sachlich, sein Auftreten ist wenig emotional. Das vermittelt zunächst Vertrauen. Auffällig ist jedoch, dass seine Haltung, aus Zuseherperspektive, stark linkslastig ist. Günstiger wäre es darauf zu achten, dass Ludwig komplett aufrecht stehen würde, um seinen Aussagen mehr Gehalt zu geben.

Warum eigentlich?

Ludwig beginnt seine Reden und Auftritte, ohne sie in einen Zusammenhang zu stellen. Er beginnt mit faktischen Aussagen, wie zum Beispiel „Dass Wien gut durch die Krise gekommen sei.“, ohne jedoch einen Bezug herzustellen und ohne zu sagen, wie er darauf kommt. Der Zuhörerschaft würde es helfen, einen Grund für seine Rede zu erfahren. Es bleibt somit die Frage offen, worauf will Ludwig hinaus? Warum spricht er zu uns? Diese Frage lässt er leider meist komplett unbeantwortet. Somit verliert er einen erheblichen Teil seines Publikums gleich am Beginn seiner Reden, da rund ein Viertel aller Menschen immer einen Grund benötigt, um zuzuhören und dabeizubleiben.

Michael Ludwig verwendet sehr oft das Sprachmuster „..., aber auch ...“. Das signalisiert einen Gegensatz zwischen dem Satzteil vor und nach dem „aber“. Die Aussage vor dem „aber“ geht verloren, wie beispielsweise in seinem Satz „ ... Mit diesem Dank verbinde ich aber auch die Bitte ...“. Ich glaube nicht, dass dies in seiner Absicht ist, dennoch geht der Dank sprachlich unter. Viel geschickter wäre es zu sagen: „Mit diesem Dank verbinde ich die Bitte ...“.

Keine Emotionalität spürbar

Das Format des Story-Tellings kommt in Ludwigs Reden und Ansprachen nicht vor. Story-Telling ist wirksam, um das Publikum emotional abzuholen, eine Verbindung zur Zuhörerschaft herzustellen, ein Problem aufzuzeigen und dessen Lösung zu zeigen. Ludwig hingegen bringt reine Zahlen, Daten und Fakten. Somit fehlt auch jeglicher Spannungsbogen in seinen Reden, die frei von Dramaturgie sind. Das macht es dem Publikum schwer, mit seinen Aussagen etwas anzufangen. Seine Reden enthalten auch keinen sogenannten "Call-to-Action", keine Handlungsempfehlung, was seine Zuhörerschaft aus seiner Sicht nun tun oder bleiben lassen sollte.

Seine Wortwahl bezeichnet man als auditiv-digital. Dies bedeutet, dass Wörter verwendet werden, die Abläufe, Logik und Funktionen beschreiben. Beispiele dafür sind: interessant, offensichtlich, speziell, typisch, denken, verstehen, systematisch, optimal, ökologisch. Alle diese genannten Wörtern haben eine gemeinsame Eigenschaft: Wir können sie mit keinem unserer Sinneskanäle wahrnehmen. Wir können sie weder sehen, hören, fühlen, riechen noch schmecken. Somit kann das Publikum keine Emotionalität verspüren, da sehr wenig von seinen Aussagen emotional wahrgenommen werden kann. Besser wäre es davon zu sprechen, was wir sehen, hören und fühlen können. Geeignete Wörter dafür sind farbig, bunt, Perspektive, klingen, flüstern, Harmonie, fühlen, berühren, spüren, und viele mehr.

Ich habe den Eindruck, dass Michael Ludwig während seinen Reden und Interviews sehr mit sich selbst beschäftigt ist. Seine Aufmerksamkeit ist tendenziell auf sich gerichtet und wenig auf andere. Er hat klare Regeln, zum Beispiel hinsichtlich des Zusammenlebens in der Stadt, und er geht davon aus, dass diese seine Regel auch für andere gelten müssen. Es gelingt ihm tendenziell nur sehr wenig, eine emotionale Verbindung zum Publikum herzustellen.

Das "Häuptling"-Denkmuster

Ludwig sieht sich in seiner Rolle als Bürgermeister gewisserweise als Häuptling seines Clans, der Wiener Bürgerinnen und Bürger. Ein Clan zeichnet sich dadurch aus, dass er in Gegenseitigkeit denkt: "Heute helfe ich dir, morgen hilfst du mir." Dieses Denkmuster der Reziprozität ist in vielen seiner Aussagen zu bemerken, wenn er darüber spricht, was er und seine Partei alles für die Stadt Wien getan haben.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass Michael Ludwigs Auftritte emotionslos sind, und meist eine Abfolge von Zahlen, Daten und Fakten beinhalten. Er gibt uns in seinen Auftritten keinen Kontext, erklärt nicht, warum wir ihm zuhören sollten. Sein Denken ist sehr Wien-bezogen, für den Bürgermeister der Stadt verständlich. Gleichzeitig verliert er dadurch einen großen Teil seines Publikums, nämlich jene, die Wien im Kontext einer Weltstadt sehen wollen. Er verliert auch jene Menschen, die in Bildern denken und denen Emotionalität wichtig ist. Möglicherweise war die Emotionalität das große Erfolgsgeheimnis seiner beiden Vorgänger Michael Häupl und Helmut Zilk. Man musste ja nicht mit deren Inhalten übereinstimmen, ihre Auftritte waren jedoch meist sehr emotional und sind so der Wiener Bevölkerung deutlich mehr in Erinnerung geblieben, als jene des aktuell amtierenden Bürgermeisters Michael Ludwig.

Disclaimer: Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. News.at macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.