Zu gut für
das Arbeitsamt

AMS-Vorstand Johannes Kopf gilt als Österreichs Arbeitsmarktexperte schlechthin. Und muss zurzeit trotzdem -oder deswegen - um seinen Job bangen

von AMS - Zu gut für
das Arbeitsamt © Bild: Ricardo Herrgott

Er ist ein Manager zum Angreifen. Ständig erreichbar und immer bemüht, zu helfen. "Können Sie bitte dem Bewerber anbieten, mir eine E-Mail mit seiner Sozialversicherungsnummer zu schicken? Möchte mir das gerne anschauen, und vielleicht können wir doch besser helfen", schreibt Johannes Kopf als Reaktion auf einen Tweet. Der Text über einen Langzeitarbeitslosen war gar nicht an ihn direkt gerichtet gewesen, und doch hatte der Vorstand des Arbeitsmarktservice Österreich (AMS) irgendwie davon erfahren -und fühlte sich sofort zuständig.

Das ist kein Einzelfall. Wer Kopfs Social- Media-Performance verfolgt, den wundert dieses Verhalten nicht: Österreichs Arbeitsmarktexperte schlechthin ist auf Facebook und Twitter omnipräsent, erklärt, kommentiert und stellt - wenn er es für notwendig hält -auch längere Texte mit Zahlen, Daten und Fakten online. Und ist dabei ebenso ausführlich wie in Interviews und Gastkommentaren.

Man merkt dem 44-Jährigen, der sich selbst als "Streber" bezeichnet, an, dass es ihm ein Anliegen ist, das öffentliche Dienstleistungsunternehmen AMS besser zu machen. Besser, als es bereits ist. "Wir sind mit den Flamen und Estland unter den drei besten Arbeitsmarktservices Europas", erzählt Vorstandskollege Herbert Buchinger (siehe Kasten rechts). Und Kopf ist der oberste Kommunikator für den heimischen Arbeitsmarkt und seine Umgebung. "Ich bin mit dem Arbeitsmarkt-Bazillus infiziert", so Kopf über sich selbst.

Retourkutsche

Dennoch wird an den AMS-Chefsesseln ordentlich gerüttelt. Die türkis-blaue Regierung fordert eine Reform des Arbeitsmarktsystems - was nach bewährtem Muster nichts anderes als eine Umfärbung der Vorstandsetage bedeuten würde. Das trifft den SPÖ-nahen Buchinger, aber auch Kopf, der der ÖVP zugerechnet wird.

Dem Ganzen vorangegangen war ein Disput über Kürzungen im Integrationsbereich. Die Regierung wollte hier streichen. Kopf stellte hingegen fest, dass das AMS-Budget für 2018 schon fixiert sei, man also nur noch bei den Mitteln für die Facharbeiter sparen könne. Die Retourkutsche der Koalition ließ nicht lange auf sich warten. Ein Revisionsbericht über Probleme in der Betreuung von Arbeitssuchenden mit nichtdeutscher Muttersprache gab Anlass für Ärger. Diesmal für die AMS-Spitze - und das, obwohl Kopf den Bericht selbst in Auftrag gegeben hatte. Die Manager müssen am 19. April zum Rapport ins Bundeskanzleramt. Ausgang ungewiss.

Der preisgekrönte Hobbyfotograf Kopf reagierte auf die Vorwürfe gewohnt pragmatisch und twitterte vor Ostern: "Nur falls wer fragt. Ich bin auf Urlaub und anschließend wegen einer schon länger geplanten Knieoperation im Spital."

Dabei hätte sich der Familienmensch schon aufgrund seiner Sozialisierung auf die Volkspartei verlassen können müssen. Aufgewachsen im bürgerlichen Wiener Bezirk Döbling als Sohn eines Akademikerpaares, dockte der Jurist nach Studienende "eher aus Zufall" bei der Industriellenvereinigung an. Dort, in der Abteilung Sozialpolitik von Wolfgang Tritremmel, war es auch, wo seine Begeisterung für das Thema Arbeitsmarkt geweckt wurde. Und genau wegen dieser Expertise holte ihn auch ÖVP-Wirtschaftsminister Martin Bartenstein zu sich ins Kabinett und empfahl ihm drei Jahre darauf, sich als ÖVP-Kandidat der schwarz-blauen Regierung für den AMS-Vorstand zu bewerben.

Die vergangenen zwölf Jahre wusste Kopf jedenfalls zu nutzen und hat sich als Experte Achtung über alle ideologischen Grenzen hinweg erworben. "Kopf ist ein Topmanager und ein ausgewiesener Arbeitsmarktexperte. Und er schert sich wenig um Parteiideologie", sagt der leitende Sekretär des ÖGB, Bernhard Achitz. Auch der frühere grüne Nationalratsabgeordnete Harald Walser twittert: "Ich will Johannes Kopf und Herbert Buchinger ja nicht schaden, aber sie haben einen exzellenten Job gemacht."

Ausgerechnet in der Volkspartei hält man sich mit Lob hingegen schon seit Längerem zurück. Zwar wird Kopf als schwarze Ministerreserve gehandelt, daraus geworden ist aber noch nichts -auch, weil der Wiener vielen ÖVPlern dann doch zu eigenständig denkt. Das bestätigt er selbst in einem "Zeit"-Interview: "Loyalität endet für mich aber da, wo der Unsinn anfängt."

Missverständnisse

Die Koalition muss sich nun überlegen, ob sie die anerkannten AMS-Chefs wirklich loswerden will. Denn eine bloße Abberufung - wie sie die FPÖ laut Insidern bereits während den Regierungsverhandlungen gefordert hatte -ist zwar machbar, aber auch ziemlich teuer. Immerhin wurden die Verträge von Kopf und Buchinger erst im Vorjahr um weitere sechs Jahre verlängert. Müssen die beiden trotzdem gehen, kostet das den Steuerzahler rund zwei Millionen Euro.

Es ist also sogar wahrscheinlich, dass das Zweiergespann auch nach dem 19. April noch in Amt und Würden ist und gemeinsam eine Reform ausarbeitet. Das Fachwissen dafür haben sie, und das eigentliche Problem, die Kürzung des Integrationstopfes, ist mittlerweile auch vom Tisch. "Da hat es offenbar Missverständnisse gegeben, wir sind mit der Regierung aber dann zu einer Einigung gekommen", sagt Buchinger. "Zu den geplanten 50 Millionen Euro werden 70 Millionen Euro in den Integrationstopf nachgeschossen."

Kopf wird das recht sein. Immerhin hatte er erst kurz vor seiner Vertragsverlängerung ein Jobangebot eines großen Privatunternehmens ausgeschlagen. Und ist seine AMS-Zeit doch zu Ende, kann er sich immer noch als Arbeitsmarktexperte selbstständig machen. Der Bedarf ist da.

Dieser Artikel erschien ursprünglich im News 14/18

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