"Mi werden s' a net kriegen"

Täter meldet sich telefonisch bei Freund: "I bin nämlich der Wilderer vom Annaberg"

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    Im niederösterreichischen Bezirk Lilienfeld hat ein Wilderer ein Blutbad angerichtet: Der 55-Jährige hat drei Polizisten und einen Sanitäter getötet, um einer Festnahme zu entgehen. Er verschanzte sich in einem Bauernhof. Panzer rückten an.

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    Panzer am Weg zum Gebäude in Großpriel, in dem sich der Täter verschanzt hat.

"Mich haben sie auch angeschossen. Am Bauch. Aber das ist jetzt schon egal. Die 'Burgi' (den Schäferhund des Mannes, Anm.) hab i schon daschossn, und mi werden s' a net kriegen", gab der Bekannte die Aussagen des Wilderers gegenüber der "Krone" wieder. Gegenüber dem "Kurier" erinnerte sich der Freund an die Worte: "Ich hab' die Burgi schon erlöst."

Auf die Frage des "Kurier", ob sich H. zuletzt verändert habe, antwortete dieser: "Vor ein paar Wochen hat er erstmals angefangen, darüber zu reden, dass er irgendwelche Probleme hat. Dass er so etwas wie ein zweites 'Ich' habe."

Der Mann soll auf seiner Flucht vier Menschen erschossen haben, drei Polizisten und einen 70-jährigen Rettungssanitäter des Roten Kreuzes. "Es ist einer der schwärzesten Tage", so Roland Scherscher vom Landespolizeikommando Niederösterreich. "Niederösterreich trauert um unseren Mitarbeiter. Wir wollen den Angehörigen tiefes Mitgefühl aussprechen", sagte Josef Schmoll, Vizepräsident Rotes Kreuz.

Suche nach Wilderern gerät zu Blutbad

Seinen Ausgang nahm das Blutbad in der Nähe von Annaberg (Bezirk Lilienfeld): Die Polizei führte eine Überwachungsaktion gegen den oder die gesuchten Wilderer durch. Eine Straßensperre wurde errichtet, und zwei Cobra-Beamte versuchten den Wagen eines Verdächtigen zu stoppen. Die Sondereinheit war nach den jahrelangen schweren Wildereidelikten in der Gegend in die Fahndungsmaßnahmen nach illegalen Schützen eingebunden.
Wilderer kapert Streifenwagen und tötet Polizisten

Der 55-Jährige durchbrach mit seinem Wagen die Straßensperre und soll sofort das Feuer eröffnet haben. Sein Auto war da bereits nicht mehr fahrfähig. Einer der Beamten wurde vom Verdächtigen angeschossen, er starb etwa zwei Stunden später in einem Krankenhaus. Während der Versorgung des Schwerverletzten noch am Tatort durch die Rettung, etwa 50 Minuten nach der Abgabe der ersten Schüsse, eröffnete der Mann, der sich zunächst zurückgezogen hatte, aus einem Hinterhalt erneut das Feuer. Der Fahrer des Rotkreuzwagens wurde tödlich getroffen, der zweite Cobra-Polizist verletzt.

Der mutmaßliche Wilderer flüchtete danach zu Fuß. Einige Kilometer weiter, an einer Kreuzung der Bundesstraßen 20 und 28 in Richtung Puchenstuben, stieß der Mann auf einen Streifenwagen und feuerte erneut. Einer der Beamten, ein Polizist aus dem Bezirk Scheibbs, starb. Dessen Kollege wurde zur Geisel des Verdächtigen, der mit dem Polizeiauto zu seinem Bauernhof bei der Ortschaft Großpriel bei Melk flüchtete.

Bauernhaus von Einsatzkräften umstellt

Gut dreieinhalb Stunden nach Beginn des Cobra-Einsatzes auf dem Bauernhof war die Durchsuchung des Anwesens noch im Gang. Der Einsatz laufe, hieß es von der Polizei. Der Zugriff begann gegen 18.20 Uhr. Zuvor waren drei gepanzerte Fahrzeuge des Bundesheeres auf dem zur Ortschaft Großpriel gehörenden Vierkanthof vorgefahren. In zwei Schützen- und einem Pionierpanzer aus der Kaserne Melk befanden sich Cobra-Kräfte, die das weitläufige Anwesen nach dem Verdächtigen durchsuchten.

Die Panzerfahrzeuge wurden eingesetzt, weil sie den besten Schutz bei der Annäherung boten, wurde vonseiten der Einsatzkräfte betont. Es handelte sich um eine sicherheitspolizeiliche Assistenzleistung, am Polizeieinsatz selbst waren keine Soldaten beteiligt.

Straßensperre durchbrochen

Begonnen hatte der Einsatz gegen Mitternacht mit dem "ersten Täterkontakt", so die Polizei, als der Verdächtige mit seinem Geländewagen bei Annaberg im Bezirk Lilienfeld eine gegen Wilderer eingesetzte Straßensperre durchbrach und unmittelbar das Feuer auf zwei Cobra-Beamte eröffnete. Einer der Polizisten starb wenig später im Krankenhaus. Ein zu Hilfe gerufener Rotkreuzwagen wurde ebenfalls von dem nunmehr zu Fuß flüchtenden Mann unter Beschuss genommen, der zweite Cobra-Polizist wurde verletzt, ein langjähriger Rotkreuzmitarbeiter getötet. An einer weiteren Straßensperre einige Kilometer entfernt erschoss der Verdächtige laut Polizei einen Streifenpolizisten, nahm dessen Kollegen als Geisel und flüchtete mit dem Einsatzwagen auf den Bauernhof. Der gekidnappte Beamte wurde am Nachmittag tot im Polizeiauto auf dem Anwesen gefunden - als viertes Opfer des Blutbades. Eine Hundertschaft an Einsatzkräften hatte das Gehöft seit etwa 7.00 Uhr umstellt.

Die Opfer waren allesamt Familienväter: Auf Seite der Polizei starben ein 38-jähriger Revierinspektor (Roman Baumgartner), der für die Cobra im Einsatz stand, sowie zwei Polizisten, die als Gruppeninspektoren im Bezirk Scheibbs tätig waren (Manfred Daurer, 44 Jahre, und Johann Ecker, 51 Jahre). Rotkreuz-Rettungssanitäter Johann Dorfwirth, 70 Jahre alt und 32 Jahre im Dienst, verlor ebenfalls sein Leben.

Tatorte: Annaberg bei Mariazell (A) und das Bauernhaus in Großpriel (B)